Editorial, Kommentar, Top-Story: 19.05.2016

Alles nur ein Spiel?

Schon vor etlichen Jahren deutete sich an, dass Technologien aus dem Spielemarkt auch in anderen Märkten eine Rolle spielen würden. In unserer Branche nahm das schon konkrete Formen an, als die ersten nonlinearen Videoschnittprogramme weniger auf die CPU, also den Hauptprozessor des Host-Rechners setzten, als auf die GPU, also den Grafikprozessor. Bei den GPUs schritt die Entwicklung — auch wegen der Anforderungen der Computerspieler — einfach rascher voran, man konnte mehr Echtzeitfunktionalität erreichen.

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Bei den GPUs schreitet die Entwicklung rasch voran.

Mittlerweile ist der Einfluss der Games-Industrie bei weitem über solche grundlegenden technischen Aspekte hinausgewachsen. An immer mehr Stellen im TV-Bereich spielen fotorealistische Grafikanimationen eine Rolle — und deren Weiterentwicklung wird nun mal wesentlich aus dem Spielebereich befeuert. Man muss nicht lange suchen, um etwa online Videos und Screenshots aus Games zu finden, bei denen es wirklich schwer fällt, sie überhaupt noch von Realaufnahmen zu unterscheiden und als künstlich generiert zu erkennen.

Bei Live-Grafiken und Virtual Sets im Broadcast-Bereich und bei Greenscreen-Produktionen fürs Kino muss man dementsprechend auch nicht lange suchen, um auf Game-Engines und andere Technologien aus dem Spielebereich zu stoßen. Um virtuelle Welten mit Realaufnahmen in Echtzeit kombinieren zu können, werden an vielen Stellen Games-Technologien genutzt. Auch der aktuelle VR360-Trend hat seine Wurzeln dort.

Auch wenn Realaufnahmen mit Zusatzelementen wie Grafiken und Animationen aufgepeppt, also Augmented-Reality-Szenarien umgesetzt werden, steckt letztlich fast immer ein Games-Engine dahinter. In wenigen Wochen können Sie den neuesten Stand dieser Entwicklung live vom Fernsehsessel aus besichtigen: die Berichterstattung von der Fußball-Europameisterschaft wird bei allen namhaften Sendern mit AR-Elementen nur so gespickt sein.

Das Ganze geht aber — ebenfalls schon seit vielen Jahren — auch über die rein technische Seite hinaus: In verschiedenen Wellen entstanden Filme eben nicht nur auf Basis von Comics, sondern auch auf Basis von Games. Jüngstes Beispiel ist der jetzt anlaufende »Angry Birds«.

An einem anderen Ende sind Games-Firmen auch Kunden des Broadcast-Markts: Live-Übertragungen von E-Sports-Events und Games-Conventions sind für Ü-Wagen-Anbieter ein wachsendes Marktsegment.

Wird also alles eins, verschmelzen Broadcast- und Games-Industrie? Da erinnern wir doch einfach mal an den großen Konvergenz-Hype, der vor rund 15 Jahren von der Behauptung getrieben wurde, in Kürze würden Broadcast und IT vollständig verschmelzen (siehe etwa Editorial von damals: https://www.film-tv-video.de/business/2001/05/19/luftblase-konvergenz/).

Und heute: Heute sprechen wir über Brückenprodukte zwischen IP- und SDI-Welt …

 

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