Editorial, Kommentar, Top-Story: 03.03.2009

Alles IT?

»Liebe Zuschauer, die Tagesthemen fallen heute aus, weil jemand das Administrator-Passwort am Sendeablauf-Server geändert hat. Wir zeigen Ihnen stattdessen … « Das ist genauso undenkbar wie: »Momentchen noch Frau Winslet, ich muss nur rasch ein Firmware-Update an der Kamera einspielen, dann kann’s schon weiter gehen.«

Schon daran lässt sich ablesen, dass es in der Medienproduktion und -distribution Anforderungen gibt, die anders gelagert sind als im »normalen« IT-Bereich. Gleichzeitig setzt sich der Siegeszug der IT-Technologien in diesem Markt aber ungebremst fort und es ist in vielen Fällen das erklärte Ziel, aus Kostengründen nur noch Standard-IT-Komponenten einzusetzen. Daraus resultiert ein Widerspruch: Es soll kostengünstige Technik zum Einsatz kommen, die am besten gleich von der hauseigenen IT-Abteilung mit betreut werden kann, aber es soll auch ein hoher Anspruch an Ausfallsicherheit und Zuverlässigkeit befriedigt werden.

So hat sich im Lauf der Jahre etwas entwickelt, was mal als »Broadcast-IT«, mal als Medieninformatik bezeichnet wird: Die Verwendung und Verknüpfung von IT-Systemen für den Einsatz in der Medienproduktion und -distribution. Man hat erkannt, dass es sinnvoll wäre, wenn der Informatiker, der die Kamera programmiert, auch wüsste, wie sie später eingesetzt und genutzt werden soll.

Letztlich geht es darum, spezialisierte Software zu entwickeln, IT-Systeme zu konfigurieren und aufzubauen, die überhaupt in der Lage sind, die notwendigen Arbeitsabläufe abzubilden und die dabei auch noch ausreichende Betriebssicherheit garantieren. Aber es geht auch darum, übliche Verhaltensweisen aus dem IT-Bereich auszumerzen und neue Regeln zu etablieren: Arbeitsweisen, die auf dem heimischen PC oder einem isolierten PC-Schnittplatz in Ordnung sein mögen, müssen unterbunden oder zumindest besser abgesichert werden. Dieses Wissen für den Betrieb muss aber auch vermittelt werden.

IT-basierte Systeme mögen effizienter und flexibler sein, aber meist sind sie auch komplexer. Für den Einzelnen wird es dabei immer schwerer, zu erkennen welche »Nebenwirkungen« seine Aktivitäten innerhalb dieses Systems haben – und welche Folgen möglich sind, wenn er dabei Fehler macht.

Wenn es versäumt wird, auch die Menschen mitzunehmen und weiterzubilden, die vor dem Rechner sitzen, dann sind die Probleme vorprogrammiert. Solides Halbwissen mag reichen, um mit den üblichen Office-Applikationen klar zu kommen, aber wenn große Teile einer etablierten Technik durch neue Technologien ersetzt werden, ist das nicht genug. So mangelt es in der Branche immer noch an qualifiziertem Personal, das an der Schnittstelle zwischen IT- und Medienbereich mit Wissen aus beiden Welten agieren kann. Diese Leute werden aber nicht auf Bäumen wachsen, man muss sie gezielt ausbilden und schulen. Es hilft nicht, sich über die Inkompetenz der einen oder der anderen Seite aufzuregen und zu hoffen, dass sich die Probleme irgendwie von alleine lösen.

Sie werden sehen.