Kommentar, Top-Story: 08.09.2000

Die wichtigste Maschine zu Messezeiten

Welche Maschine läuft, neben dem Heißluftgebläse, zu Messezeiten bei allen Firmen auf Hochtouren? Die Phrasen-Dreschmaschine. Die wirft, je nachdem, womit sie gefüttert wird, unterschiedlichste Wortschöpfungen aus: für Technologien, Branchen-Trends, Firmen-Strategien und alles, was sonst gerade noch anliegt.

Aktuelles Beispiel hierfür sind die zahlreichen Kombinationen aus Broadband und einem zweiten Begriff aus dem Themengebiet Web, Internet und Streaming. Solche Wortkreationen werden in diesem Jahr jedem Besucher der IBC2000 auf Schritt und Tritt um die Ohren gehauen.
Aber was ist eigentlich Broadband, welche Bandbreiten und Datenraten versteht der jeweilige Anbieter darunter? Das wissen, wenn man nachfragt, viele der Phrasen-Drescher selbst nicht so genau.

Und so schließt sich der Kreis: Was früher der Begriff »Broadcast-Qualität« war, nämlich ein ziemlich dehnbarer, relativ nichtssagender Begriff, der aber hohe Qualität signalisieren sollte, das ist nun zu Beginn des Zeitalters von Streaming, Web-Casting oder Internet-TV, der Begriff »Broadband«. Broadband wird als Synonym für hohe Leistung, hohe Datenrate, hohe Übertragungsgeschwindigkeit und damit für hohe Bildqualität benutzt, ist aber ohne nähere Zusatzangaben letztlich nur eine weitere Worthülse.

Das Thema, bei dem diese Phrase verwendet wird, ist dagegen ein absolut spannender, vielversprechender Bereich mit großem Wachstumspotenzial, selbst wenn teilweise überzogene Erwartungen und Versprechungen damit verbunden werden. Er spielt deshalb bei praktisch allen Ausstellern der IBC2000 eine Rolle, nicht nur bei den Krawallmachern, sondern auch bei den seriösen Anbietern.

Hakt man allerdings etwas genauer nach, dann wird sehr schnell klar, dass dieses Thema derzeit besonders in Europa noch mehr in den Köpfen als in der Realität eine Rolle spielt, dass die Hersteller derzeit noch weitgehend Pre-Marketing betreiben. Konkrete Anwendungen gibt es nur sehr wenige, meist sprechen die Hersteller nur von einem großen Kundeninteresse.

Dieses Interesse ist allerdings definitiv gewachsen: Immer mehr Anwender interessieren sich für Web-Video-Themen. Das Spektrum reicht dabei vom etablierten Broadcaster, der seine Marktposition mit Internet-Aktivitäten absichern und ausbauen will, über den Intranet-Schulungs- und Business-TV-Markt, bis hin zum Kleinbetrieb, der damit seine eigene Web-TV-Station aufbauen will.

Auch wenn die Werkzeuge für Video im Internet bereitstehen, immer weiter verbessert werden und langsam ernsthaft nutzbar sind: Es ist sicher in vielen Fällen noch ein langer Weg zu gehen, bis sich die Endnutzer in Europa und besonders in Deutschland auf Web-TV einlassen. Der relativ langsame, zähe Start der digitalen (Pay-)TV-Angebote zeigt dies ganz deutlich. Aber ein Anfang ist gemacht.

Sie werden sehen.