Branche: 11.04.2003

NAB2003: Topthema Digital Film

Was sich zur IBC2002 andeutete, wird bei der NAB2003 überdeutlich: Produkte, Konzepte und Technologien aus dem großen Themenbereich Digital Film entwickeln sich zum Topthema der Messe.

Der Digital-Intermediate-Prozess weist den Weg in die digitale Filmproduktion und bietet für Hersteller wie auch für Anwender enormes Potenzial. Mancher Hersteller versucht schon seit Jahren, die Filmwelt für die Vorteile dieser Arbeitsweise zu begeistern. Jetzt scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, wo die Früchte dieses Überzeugungsprozesses zumindest in Sichtweite geraten: Selten zuvor waren auf einer Messe so viele Produkte, Konzepte und Technologien aus dem großen Themenbereich Digital Film zu sehen, wie während der NAB2003.

Dabei ist die Bandbreite enorm: Sie reicht von hochauflösenden Kameras und Scannern hin zum Grading-System, geht weiter zu Echtzeit-Bearbeitungs- oder Filmrestaurierungssystemen und schließlich zu Projektions- und Rückbelichtungssystemen.

Eines ist dabei klar: Je ernsthafter sich die Filmwelt mit der digitalen Filmproduktion auseinander setzt, desto mehr Eckpfeiler gibt es für Entwickler und Hersteller zu berücksichtigen. Dieser Prozess der Auseinandersetzung und auch der Annäherung dürfte wohl noch etliche Zeit andauern, denn nicht alles, was die Hersteller am Schreibtisch entwickeln, ergibt in der Praxis tatsächlich Sinn. Die Schwierigkeit besteht für Entwickler wiederum darin, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden und einerseits zwar auf die Wünsche der Filmwelt ein zu gehen, sich aber dennoch nicht darin zu verrennen. Denn nicht jeder Produktionsprozess ist so sinnvoll, dass er auch in neuen Entwicklungen 1:1 übernommen und damit zementiert werden müsste.

Auf der Akquisitionsseite brachte Thomson mit der Viper-Kamera als erster Hersteller einen Stein ins Rollen. Viper wird weiter entwickelt, einige Verbesserungen gab es auch zur NAB2003 zu sehen, darunter auch den Prototypen eines optischen Suchers, den Angenieux zusammen mit Thomson derzeit zur Serienreife bringt. Dabei wird zwischen Objektiv und Kamerakorpus ein Adapter eingefügt, der ein Sucherbild ausspiegelt. Sony setzt mit seiner neuen 4:4:4-Kamera und dem HDCAM-SR-Format nach. Ein Knaller zur NAB2003 ist natürlich auch die 4K-Kamera von Dalsa (siehe separate Meldung hierzu).

Wie speichert man die Daten einer digitalen Kamera mit hoher Auflösung? Dieses Thema belegte zuerst Director“s Friend mit seiner HDReel-Lösung. Nun kommen weitere Anbieter mit portablen Lösungen, etwa der japanische Anbieter Keisoku Giken, der bei Thomson am Stand sein System präsentierte (siehe auch Thomson-Produktmeldung). Auch der früher mit Director“s Friend verbundene Hersteller DVS hat eine Speicherlösung für die digitale Cinematographie erarbeitet: die Steuereinheit CineControl im Zusammenspiel mit den portablen Speicherbausteinen CineReel.

Dass die Digitalisierung der Filmwelt mit großen Schritten voranschreitet, ist nur konsequent. Wenn man finanzielle Aspekte beiseite lässt, kann man derzeit klar sagen: Film hat in der Aufnahme Vorteile, was Auflösung und Handling betrifft. In der Nachbearbeitung hat Film aber seit der Erfindung von NLE-Systemen und dem Erreichen von Echtzeitfunktionalität mit hoch aufgelösten Bildern eigentlich nur noch Nachteile. Bei der Archivierung geht die Sichtweise wieder auseinander. Daher ist klar: Die Film-Postproduktion wird mit Macht digital und nun werden endgültig alle Tools dafür geschaffen.

Generell zeigt sich, dass sich jene Systeme, die Zeit und damit letztlich auch Geld im Produktionsprozess einsparen, sehr schnell verbreiten, vorausgesetzt, die Investition fürs neue System steht in einem vernünftigen Rahmen.

Das 2K-Echtzeit-Preview- und Playback-System FrameCycler Digital Daily System (DDS) von Iridas etwa schaffte es innerhalb kürzester Zeit in alle großen Postproduktionshäuser Hollywoods. Denn nicht nur in der Animation, sondern auch in der High-End-Postproduction gibt es einen wachsenden Bedarf, Szenen mit hohen Auflösungen von 2K und mehr an verschiedenen Stellen in der Bearbeitungskette in Echtzeit wieder zu geben. Gewünscht ist von der Anwenderseite eine bedienfreundliche Software, mit der sich 2K-Produktionen am PC abspielen lassen.
FrameCycler ist so ein Produkt, und mit dem Vertrieb DVC hat Iridas nun einen Vertriebspartner gefunden, der das System mit eigener Hardware ergänzt und als Komplettsystem anbietet: DVCScreenDisk basiert auf einer leistungsfähigen Windows-2000-Maschine, wie sie DVC auch bei seinen verschiedenen HD-Recordern nutzt. Gemeinsam mit dieser Hardware kann FrameCycler längere 2K-Passagen in Echtzeit wiedergeben. Prinzipiell ist sogar 4K-Wiedergabe mit diesem System möglich, was DVC mit einem System zur NAB präsentiert.

Von DVS kommt mit Clipster ebenfalls ein Echtzeit-2K-System, das sogar als Editor ausgelegt ist, also Schnitt- und Effektfunktionalität bietet (siehe auch Meldung hierzu im NAB2003-Produkt-Newsflash).

Die Postproduction-Systeme von Quantel, Discreet und Avid buhlen am oberen Ende ihrer jeweiligen Produktskala um die Gunst der Digital-Cinema-Anwender.

Immer mehr Filme werden auch einem intensiven, digitalen Color Grading unterzogen, und auch das schlägt sich nun deutlich im Angebot der Hersteller nieder: So zeigen etablierte Anbieter wie etwa Discreet mit Lustre neue Systeme und Software-Tools für diesen Bereich (siehe Discreet-News darüber). Aber auch neue Hersteller drängen auf den Markt. Nucoda etwa stellt mit Film Master ein neues Grading-System vor. Damit lassen sich 2K/10Bit-Logfiles direkt bearbeiten. Laut Hersteller bietet Film Master eine Vielzahl von Echtzeitfunktionen, die für den Digital-Intermediate-Prozess wichtig sind, etwa szenenbasiertes Colorgrade-Management, Spot-Farbkorrektur, Conform von EDL oder AAF, Multiple Resolution Output. Film Master beinhaltet zudem das System Data Conform, das Nucoda erst kürzlich vorgestellt hatte (siehe Meldung).

Snell & Wilcox geht im Bereich der Farbkorrektur einen anderen Weg: Das Unternehmen kündigte an, die Weiterentwicklung des Piccaso-Farbkorrektursystems ein zu stellen und auch die Hardware-Plattform nicht weiter zu verfolgen. Snell & Wilcox hatte diesen Bereich im Jahr 2001 von der Firma Post Impressions zugekauft.

Zum wichtigen Thema entwickelt sich in der Digital-Film-Bearbeitung zunehmend das Color Management, denn es muss letztlich sicher stellen, dass die Bilder bei der Bearbeitung am Computer-Monitor, in der Videoprojektion und in der Filmprojektion möglichst ähnlich aussehen. Das Grundproblem dabei: die unterschiedliche Farbbild-Entstehung am Monitor und in der Filmprojektion. Im Monitor oder Videoprojektor werden die Grundfarben R, G, B additiv gemischt, beim Film wird das weiße Licht der Lampe durch das Filmmaterial gefiltert, was einer multiplikativen Farbmischung entspricht. Man operiert dabei in zwei unterschiedlichen Farbräumen, die nicht deckungsgleich sind: bestimmte Farben lassen sich mit Videosystemen nicht darstellen, andere mit Film nicht. Im Ergebnis weichen Video- und Filmbild voneinander ab. Da in der Filmproduktion viel Geld und Mühe darauf verwendet wird, einen bestimmten Look aus Farb- und Helligkeitsstimmungen zu erzeugen, der die atmosphärische Wirkung der Filmbilder unterstützt, ist dieses Auseinanderklaffen natürlich nicht akzeptabel.

Deshalb haben Farbmanagement-Systeme wie etwa Truelight von Filmlight eine hohe Bedeutung. Auch Arri stellt zur NAB erstmals ein Farbmanagement-System für seinen Belichter Arrilaser vor. Es lässt sich als zusätzlicher Image Processing Node in den Arrilaser-Workflow integrieren. Mit Hilfe der Preview-Software Alice kann der Arrilaser-Nutzer die Ergebnisse des Color Managements direkt an seinem Workstation-Monitor beurteilen. Ausgewählten Kunden gewährt Arri während der NAB2003 auch einen Ausblick auf den noch in der Entwicklung befindlichen Arri-Scanner.

Eine Vielzahl weiterer Neuheiten kommt aus dem Bereich der Filmrestaurierung. Hier gibt es, wie viele Hersteller betonen, einen riesigen Bedarf . Allerdings scheitern viele Deals bislang noch daran, dass viele Kunden zwar Restaurationsbedarf, aber nicht das notwendige Budget haben, mit dem sich solche Projekte realisieren ließen.