Kommentar, Top-Story: 22.02.2004

Wählen Sie den passenden Impact Level

»Früher war alles viel einfacher.« Das will keiner hören, es klingt banal, altbacken und gestrig. Manchmal keimt aber auch in offenen, der Zukunft zugewandten Zeitgenossen so ein ganz gewisses, aber unbestimmtes Gefühl auf: Könnte sein, dass an dieser Binsenweisheit doch was dran ist.

Anstehende Kaufentscheidungen, die über den normalen, alltäglichen Konsum hinaus gehen, wirken dabei oft als Katalysator, sie intensivieren das oben beschriebene Empfinden: Die Zeiten, in denen man auch in solchen Fällen nach simplen Kriterien eine einfache schnelle Auswahl treffen konnte, sie scheinen endgültig vorbei zu sein. Guerilla-Shopping ade: Rein ins Geschäft, Ware auswählen, zur Kasse und raus – das ist endgültig passé.

Warum? Weil die Welt voller Experten ist, die aus jedem Firlefanz eine Wissenschaft machen – oder zumindest eine Pseudowissenschaft. Man kann den Eindruck gewinnen, dass bei jedem etwas höherwertigen Produkt, das es zu kaufen gibt, eine ganz eigene, geheime Begriffswelt existiert, der man sich nur schwer entziehen kann, weil man entweder nur Bahnhof versteht oder weil die als Verkäufer angestellten Experten nur darauf warten, ihr komplettes Fachwissen und Marketing-Blabla über einem aus zu schütten.

Beispiel gefällig? Sie wollen neue Laufschuhe kaufen. Bevor Sie die folgenden Fragen nicht beantworten können, sollten Sie das lieber gar nicht probieren: Wie hoch ist denn der Impact Level, mit dem Sie laufen? Welches Dämpfungssystem bevorzugen Sie: Adiprene, Gel, Grid oder doch lieber Air? Sind Sie Über- oder Unterpronierer? Oder eher Neutralfußläufer? Platt- oder Spreizfuß, X- oder O-Beine? Wettkampf- oder Trainingsschuh – oder doch lieber ein Bewegungskontrollschuh?

Da hilft eigentlich nur noch die Flucht ins Internet: Anonym auswählen und bestellen, ganz ohne Stress. Aber dann kommt der Zweifel: Wählt man auch das Richtige aus? Lieber doch schnell noch mal in ein Forum, die Bewertungen anderer Kunden lesen, noch kurz nach Alternativen recherchieren. Und was findet man: Einen eigenen Kosmos aus Unterpronierern, Impact-Level-Experten und Gel-Befürwortern.

Spätestens dann stellt sich die Frage: Wie war es jemals möglich, ohne High-Tech-Schuhe und ultraspezielle Hochleistungs-Funktionskleidung Sport zu treiben? Wie konnte man jemals ein Fahrrad ohne weltraumtauglichen Supercarbon-Rahmen fahren oder womöglich ein Handy kaufen, dessen einzige Bestimmung das Telefonieren war? Oder auch: Wie wurden früher Filme produziert, Fernsehen gemacht?

Manchmal ist es schwer, sich nicht in einer eigenen Welt zu verfangen, sich all dem echten und vorgespielten Expertentum zu entziehen. Aber man kann es zumindest versuchen. Im konkreten Fall von www.film-tv-video.de heißt das, die Informationen so zu staffeln, dass wenigstens etwas mehr Klarheit herrscht.

Sie werden sehen.

Autor
C. Gebhard, G. Voigt-Müller
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