Branche, Interview, Top-Story: 01.02.2005

Axel Mertes: HD-Jahr 2005?

50 Insider aus verschiedenen Bereichen der Film-, TV- und Videobranche haben die Fragen von www.film-tv-video.de zum Thema HD beantwortet. Eine Zusammenfassung analysiert die Stimmung in der Branche, zudem stehen auch die Antworten der einzelnen Befragungen in voller Länge zur Verfügung. In diesem Beitrag lesen Sie die Antworten von Axel Mertes. (Zum Download bitte auf den Dateinamen am Ende des Artikels klicken.)

B_0105_MagnaMana_MertesAxel Mertes ist einer von drei Geschäftsführern und Gründern von Magna Mana. Als Postproduction-Haus und Produktionsfirma ist Magna Mana in der Werbung aktiv, produziert aber auch eigene Dokumentarfilme.

**Welche Bedeutung hat HD heute in Ihrem Tätigkeitsbereich? Wie und wann wird sich das aus Ihrer Sicht ändern?

HD ist bereits heute eine tragende Säule unserer Produktionskette. Sofern wir bei einem Projekt Einfluss auf die Postproduktion nehmen können, wird praktisch immer in HD gefertigt, vorausgesetzt, das Quellmaterial wurde entsprechend auf Film oder HD produziert. Eigene Projekte werden bereits ausschließlich in HD gefertigt.
Viele Kunden und Agenturen glauben derzeit noch, sie benötigten keine HD-Produktion. Das ändert sich jedoch, sobald man die Vorzüge von HD gegenüber SD deutlich macht und der entstehende Mehrwert im Sinne des Kunden eingesetzt werden kann. So sind zum Beispiel Werbespots nur für TV geplant, kommen aber dann doch ab und an ins Kino. Mit einem SD-Master ist das keine schöne Aufgabe, mit dem HD-Master macht es plötzlich Sinn.
Wenn die Vorzüge von HD erst »gesehen« wurden, sind die zuvor »Ungläubigen« oft leicht davon zu überzeugen, dass HD jetzt wichtig ist und nicht auf die lange Bank geschoben werden sollte. Die Technologie ist da. Wer sie nicht nutzt, ist selbst Schuld.
Inhalte in HD zu produzieren oder aufzubereiten, spielt eine Schlüsselrolle bei der Einführung von HD in Deutschland und anderswo. Ohne entsprechende Inhalte kann kein Sender ernsthaft über den Umstieg auf HD nachdenken. Denjenigen, die heute keine HD-Inhalte produzieren, bläst bereits ein steifer Wind bei der internationalen Vermarktung ins Gesicht. SD-Material ist fast schon unverkäuflich. Viele freischaffende Produzenten stellen sich bereits darauf ein.

**Beim Thema HD wird in Deutschland oft von der Signalwirkung gesprochen, die von der Fußball-WM 2006 ausgehen werde. Wie beurteilen Sie dieses Thema?

Die Fussball-WM hat insofern eine Schlüsselrolle, dass die ganze HD-Welt ohnehin mit Kameratechnik vor Ort sein und alle Ereignisse für den HD-tauglichen Empfängerkreis übertragen wird.
Wer glaubt, der deutsche Zuschauer sei so blöde, dass er das nicht sehen will, ist sicherlich sehr schlecht informiert. Nicht umsonst werden derzeit bundesweit insbesondere Sportsendungen zum Verkauf HD-tauglicher Endgeräte genutzt. Sender wie HD1 / Euro1080 sind bereits in der Lage, den deutschen Zuschauern genau diese Inhalte zu bieten. Andere folgen derzeit mit kleineren Testläufen.
Die Empfangsgeräte existieren bereits, und wenn man sich auf eine PC-Lösung einlässt, kann jetzt schon ein handelsüblicher PC zu einem Mehrpreis von weniger als 100 Euro vollständig HD-tauglich gemacht werden. Bildschirme im PC-Bereich leisten schon lange die notwendigen Auflösungen und sind durchaus nicht mehr unbezahlbar.
Der aktuelle Preistrend bei Großbildfernsehern wird sein Übriges tun. Darüber hinaus wird es hoffentlich viele Kinobetreiber geben, die Ihre Säle zu kleinen WM-Stadien machen und die HD-Ausstrahlung auch denen zugänglich machen, die noch ohne eigene HD-Empfangstechnik sind. Gemeinsam Fußball zu sehen macht ohnehin mehr Spaß und wird unserer angeschlagenen Kinoszene sicherlich keine unwillkommene Zusatzertragsquelle sein. Bereits jetzt laufen entsprechende Aktionen, um etwa Musikkonzerte live zu übertragen.
Aus meiner Sicht wird spätestens zur Fußball-WM der Durchbruch beim Verkauf HD-tauglicher Endgeräte passieren und HD in aller Munde sein. Man kann nur hoffen, dass die Sender sich dazu durchringen, ihre Kunden auch zu bedienen.

**Welches Hindernis hemmt derzeit die Verbreitung von HD im Markt am meisten? Wie könnte man dem begegnen? Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit HD in Deutschland alltägliche Realität wird?

Das größte Hindernis ist die Haltung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die mit Ihrer Version der »Agenda 2010« ein reichlich rückwärts gerichtetes Signal gesetzt haben. Es ist zu hoffen, dass private Sender – auch neue – diese Lücke rechtzeitig füllen und die Kunden entsprechend versorgen.
Es gibt natürlich auch innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sender Stimmen, die HD durchaus gut finden. Wenn sich die öffentlich-rechtlichen mittelfristig aus dem Bereich der Straßenfeger-TV-Events verabschieden wollen, dann wird ihnen eine SD-basierte Zukunftetwa im Nachrichtenbereich sicherlich eine Weile möglich sein. Die großen TV-Events gehören mittelfristig vermutlich aber denen, die dem Kunden »großes Kino zuhause« bieten können. Dafür wurde HD entwickelt.
Wichtig ist, dass die Lobby der HD-Enthusiasten von unten her, das heißt vom Endkunden aus, den Bedarf für HD-Inhalte schürt. Wenn Endgeräte vorhanden sind, dann macht es Sinn, sich Inhalte zu besorgen.
Es wird zwar nicht gerne darüber geredet, aber die Sexfilm-Industrie war in vielen Bereichen ein Wegbereiter für die Einführung neuer Technologien. Das könnte mit HD wieder so sein. Aber zum Glück gibt es auch genug Spielfilmfreunde, die sich ebenfalls an besserer Bildqualität und mehr Detailreichtum erfreuen wollen.
Mit D-VHS besteht zumindest ein Nischenmarkt bereits heute. Die Abspielgeräte und Filme sind bezahlbar und schlagen bei entsprechender Heimkinoausstattung so manches Kino in punkto Qualität. Die HD-DVD wird ihren Teil dazu tun, wobei die Qualität derzeit doch noch deutlich hinter D-VHS herhinkt.
Im Übrigen sind die Gerätehersteller am Austausch vorhandener Endgeräte durch immer neue Funktionsvielfalt neuer Geräte interessiert. Und die großen Filmstudios freuen sich schon jetzt, wenn die Fans die Filme ihrer Wahl vielleicht zum dritten Mal nach VHS und DVD dann auf HD-DVD kaufen werden – dieselben Filme wohlgemerkt.
Nicht umsonst läuft in Filmarchiven wie denen von Warner die HD-Restaurierung aller eingelagerten Klassiker auf Hochtouren. Diese werden zuweilen »digitally remastered« noch mal in die Kinos geschickt und danach schnell als SD-DVD vermarktet– gern mit dem Label »Mastered from HDTV Master« – um schon bald wieder erneut als HD-DVD zu erscheinen. Eine perfekte Vermarktungskette, die sich für die Studios rechnet und immense Mehrwerte generiert. Nicht selten spielen Filme heute in der DVD-Vermarktung höhere Umsätze ein als im Kino.

**Wann werden die Zuschauer in Deutschland regelmäßig bei mehreren Sendern HDTV sehen können? Spielt das für Ihren Tätigkeitsbereich eine Rolle? Was erwarten Sie beim Thema HDTV von den öffentlich-rechtlichen Anbietern, was von den privaten?

Wir vermuten, dass bereits kurz vor der WM mehrere Sender den deutschsprachigen Kunden regelmäßig mit HD versorgen werden, wobei es sich dabei durchaus um Bezahlfernsehen handeln könnte. Private Free-TV-Sender werden in immer kürzeren Abständen mit der parallelen Ausstrahlung von HD- und SD-Produktionen beginnen, um die Resonanz, aber auch die Technik zu testen. Letztlich natürlich mit dem Ziel, Marktanteile zu sichern.
Natürlich spielt das alles für unseren Bereich eine große Rolle, egal ob wir an Werbung oder Spielfilmproduktionen denken. Allerdings sind wir von der Produktionsseite her schon heute sowei, in HD zu arbeiten und bereiten damit zumindest für unseren Teil die Umstellung auf HD vor, indem wir die Inhalte so produzieren, dass ein HD-Sender auch etwas damit anfangen will. Im Filmbereich macht es wegen der internationalen Verwertung ohnehin Sinn, hochauflösend zu arbeiten; in der Werbung für Kino- und Messeeinsätze, aber sogar für das Internet ebenfalls.
Von den Öffentlich-Rechtlichen erwarten wir derzeit leider wenig. Vielleicht dürfen wir aber die Hoffnung äußern, dass sie sich vom allgemeinen Trend – entgegen der eigenen Bilanzen und Analysen – vom »HD-Erlebnis« anstecken lassen. Wenn Menschen etwas sehen, das sie haben wollen, dann ist der Preis oft Nebensache, auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten.
Die privaten Sender werden hoffentlich den HD-Markt frühzeitig versuchen zu bedienen. Wir wünschen jedem Erfolg, der es versucht.

**Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht der Consumer-Markt mit Technologien wie HDV in der Aufzeichnung, mit HD-DVD und der zunehmenden Verbreitung von Plasma- und LC-Displays?

Der Consumer-Markt ist im Gegensatz zu anderen Ländern in Deutschland und Europa die eigentliche treibende Kraft hinter HD. In USA und Japan erfolgt die Umstellung auf HD per Gesetz von oben herab über die Sendeanstalten – die Endkunden hatten zu Beginn fast keine geeigneten und bezahlbaren Endgeräte zur Verfügung.
Das ist jetzt schon ganz anders. Die HD-Endgeräte verbreiten sich derzeit in rasantem Tempo – auch bei uns. Viele wissen nicht einmal, dass ihr Fernseher »es« schon kann. Als Beispiel können hier einige JVC 100-Hz-Fernseher genannt werden, die dabei nicht mal teuer sind.
Hier gilt es anzusetzen und in einer HD-Lobby, bestehend aus den Geräteherstellern und Händlern, den Produzenten, der Fachpresse und den Endkunden, für einen Absatzmarkt jenseits der Sendeanstalten zu sorgen. Das Beispiel D-VHS und D-Theater macht prinzipiell deutlich, wie das funktioniert. Die HD-DVD wird der Durchbruch werden.
Bei den Endgeräten könnte die Zukunft sogar eher den Projektoren als den Großbildfernsehern gehören, da hier sicherlich die größten Preissprünge zu erwarten sind. Schon jetzt sind ab bestimmten Bildgrößen die Projektoren günstiger und besser. Bis zur Fußball-WM 2006 wird es sicherlich eine ganze Reihe preiswerter und voll HD-tauglicher Projektoren geben – und natürlich bauartbedingt hochwertigste Rückprojektionsfernseher.

**Wie sollte aus Ihrer Sicht ein europäischer HDTV-Standard aussehen? Nennen Sie uns bitte die Eckwerte und ergänzen Sie diese mit einer kurzen Begründung.

Wir wären für mehrere Standards gleichzeitig, und zwar ähnlich denen der ATSC, als zusammenhängende Anforderung an alle Endgeräte. So sollten alle derzeit denkbaren Auflösungen im 24/25/30/50/60p und 50/60i-Raster mit den Auflösungen 1920 x1080y sowie 1280x720y als HD-Standard festgeschrieben werden und allesamt von entsprechenden Endgeräten verstanden werden müssen. Damit würde man ein grundsätzliches historisches Problem lösen, nämlich die Normkonvertierung.
Vorgenannte Formate decken wirklich alles ab und haben keine Lücke. Ziel sollte es sein, mit solch umfassend ausgestatteten Endgeräten die Inhalte ohne Wandlung genau so zeigen zu können, wie sie erstellt wurden. Und das heißt insbesondere, einen 1080-Film nicht für die Ausstrahlung auf 720 zu drücken .
Leider hat sich zur IBC die Meinung breit gemacht, mit 720/50p den großen Wurf zu machen. Ein Format, das allerdings von vielen heute erhältlichen HD-Produktions und -Endgeräten nicht beherrscht wird. Hier lauert die Gefahr, bereits getätigte Investitionen zu vernichten und Europa auf einen zweitklassigen Standard einzuschwören.
Wenn 720/50p, dann bitte sofort, denn jeder bessere LCD-Fernseher hat genau diese Pixel-Auflösung parat – jetzt! Allerdings sind die 50 Hz für die intern fast immer mit 60 Hz laufenden Geräte nicht wirklich elegant. Eine Begründung hinter 720/50p war die geringere Datenrate, damit könne man mehr Sender bedienen. Ein ziemlich fauler Kompromiss.

**Was wollen Sie uns noch zum Thema HD mitteilen?

HD ist nicht die Zukunft – HD ist Jetzt! Wer zu spät kommt …

Downloads zum Artikel:

T_0105_HD_MagnaMana_Mertes.pdf

Anzeige: