Branche, Interview, Top-Story: 01.02.2005

Jürgen Schaum: HD-Jahr 2005?

50 Insider aus verschiedenen Bereichen der Film-, TV- und Videobranche haben die Fragen von www.film-tv-video.de zum Thema HD beantwortet. Eine Zusammenfassung analysiert die Stimmung in der Branche, zudem stehen auch die Antworten der einzelnen Befragungen in voller Länge zur Verfügung. In diesem Beitrag lesen Sie die Antworten von Jürgen Schaum. (Zum Download bitte auf den Dateinamen am Ende des Artikels klicken.)

B_0105_ChromaTV_SchaumJürgen Schaum ist Geschäftsführer von Chroma TV, einer Hamburger Produktionsfirma, die frühzeitig auf HD setzte und das HDCAM-Format aktiv promotet.

**Welche Bedeutung hat HD heute in Ihrem Tätigkeitsbereich? Wie und wann wird sich das aus Ihrer Sicht ändern?

Es steht eine vollständige HD-Produktionskette zur Verfügung, Chroma TV ist auf HD spezialisiert. Wenn bei uns eine TV-Produktion auf 16:9 mit Digi Beta ansteht, produzieren wir diese möglichst mit HDCAM.
Zurzeit haben wir gerade eine TV-Dokumentation auf HDCAM fertig gestellt: »Urlaubsflirt mit Folgen«- eine Zeitreise von den fünfziger Jahren bis in die Gegenwart, mit einer Länge von 45 Minuten. Wir sehen uns auch als Vorreiter in diesem Segment.

**Beim Thema HD wird in Deutschland oft von der Signalwirkung gesprochen, die von der Fußball-WM 2006 ausgehen werde. Wie beurteilen Sie dieses Thema?

Deutschland ist technologisch im Medienbereich gegenüber anderen Teilen der Welt jetzt schon hinter die allgemeine Entwicklung zurückgefallen.
Das wird bei der WM 2006 noch einmal umso mehr augenscheinlich, wenn im Ausland den Zuschauern HD-Bilder angeboten werden und bei uns vielleicht nicht einmal ein 16:9-Bild, sondern nur ein 4:3-Ausschnitt zu sehen ist, bei dem dann lediglich ein Teil des Breitbildes sichtbar sein wird. Ich habe das Gefühl, die Sendeanstalten möchten am liebsten den Trend zu 16:9 verdrängen, weil dann auch die neue HD-Technik immer näher rückt und damit neue Investitionen der Sender nötig macht. Es wird eine Signalwirkung geben: »Warum nicht auch bei uns?«

**Welches Hindernis hemmt derzeit die Verbreitung von HD im Markt am meisten? Wie könnte man dem begegnen? Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit HD in Deutschland alltägliche Realität wird?

Das Blocken der TV-Sender beim 16:9-Format. Die Vorurteile lauten: »Das sieht doch keiner.« »Das will keiner sehen.« »Das ist zu teuer.«
Die »Angst der Kameraleute« sollte sich durch »Probieren geht über Studieren« auflösen lassen.

**Wann werden die Zuschauer in Deutschland regelmäßig bei mehreren Sendern HDTV sehen können? Spielt das für Ihren Tätigkeitsbereich eine Rolle? Was erwarten Sie beim Thema HDTV von den öffentlich-rechtlichen Anbietern, was von den privaten?

Den Sender HD-1 gibt es schon, ab Herbst 2005 sendet vorraussichtlich auch Premiere. Den Spielfilm-Vertrieb mit HD-DVDs gibt es jetzt schon.
Wir können mit HD-Versionen die Zweitverwertungen für terrestrischen und weltweiten Vertrieb von Programmen sowie DVDs machen.
Die öffentlichen Sendeanstalten sollten die nötige Entwicklung der neuen Technologien nicht den Konsumenten ganz allein überlassen. Es liegt auch eine große Verantwortung bei den öffentlichen und privaten TV-Sendern, dass die BRD nicht zu einem TV-standardmäßigen Entwicklungsland wird.
Um den Produzenten eine Produktion in dem neuen, zukunftsweisenden TV-Standard zu ermöglichen, wäre es senderseitig eine Unterstützung, wenn nur die Rechte in die Auftragsproduktionen eingeschlossen werden, die die Sendeanstalten wirklich brauchen.
Im Consumer-Markt wird sich HD schneller verbreiten, wenn man kostengünstig nach Anschaffung eines Flachbildschirmes HD-Programme sehen oder ausleihen kann, denn Kino-Bildqualität mit Dolby Surround im eigenen Heim ist verführerisch beeindruckend und anziehend.
Die Gefahr ist allerdings, dass durch falsche Beratung den Konsumenten Flachbildschirme und TV-Geräte mit niederer Auflösung angeboten werden, als sie für ein Kinoerlebnis nötig ist. Dann dauert es mindestens 5 bis10 Jahre, bevor sich ein Käufer vielleicht wieder zu einem Neugerät entschließt.
Die »Early Adaptors« werden schnell HDV als Aufnahme-Standard an Stelle von DV übernehmen, das wird wiederum bei den anderen Konsumenten neue Bedürfnisse wecken.

**Wie sollte aus Ihrer Sicht ein europäischer HDTV-Standard aussehen? Nennen Sie uns bitte die Eckwerte und ergänzen Sie diese mit einer kurzen Begründung.

1080/50i. Hier vereinigt sich der »Wow«–Effekt des höher aufgelösten 1080-Zeilen-Bildes mit der höheren Bewegungsphasen-Auflösung von 50 Halbbildern pro Sekunde, die den jetzigen TV-Sehgewohnheit entspricht und die sich auch gut für Sport-Events eignet!

**Was wollen Sie uns noch zum Thema HD mitteilen?

In Kooperation mit Nordmedia Fonds GmbH wurde ein aufwändiger Formatvergleich realisiert. Unter dem Titel »Five Reasons«-stellt dieser Formatvergleich mit einer Länge von rund 20 Minuten Material gegenüber, das mit HDCAM, Varicam, Super-16-mm und Digital Betacam gedreht wurde. Realisiert hat das Projekt der Kameramann und Regisseur Thomas Bresinsky. Außerdem wird es auf der DVD noch eine Gegenüberstellung von DV und HDV geben.
Dieser spannende Vergleich wird Anfang 2005 auch auch als DVD mit einer HD-DVD-Partition erhältlich sein.

Downloads zum Artikel:

T_0105_HD_ChromaTV_Schaum.pdf

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