Editorial, Kommentar, Top-Story: 27.04.2006

Neue Verbreitungswege für TV-Programme

Schon seit einigen Messen gehören IPTV und Mobile TV zu den beliebtesten Buzz-Words der Branche. Doch wer geglaubt hatte, viel häufiger als bisher könnten diese Worte bei einer Messe nicht mehr fallen, der hat sich getäuscht: Mit einer Frequenz, die fast schon jenseits der Schmerzschwelle liegt, fallen diese Stichworte während der NAB2006. Dafür sorgen verschiedene Faktoren: Viele halten die Entwicklung neuer Verbreitungswege für TV- oder TV-ähnliche Programme für »the next big thing«. Nicht nur, dass die NAB dem Thema gleich zwei Konferenzen widmet, auch auf Ausstellerseite tummeln sich zahllose Anbieter, die Equipment, Technologien und jede Menge Visionen zu diesen Themen anbieten.

Dabei gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen und Ideen, wie TV-Inhalte bei den Endkunden ankommen sollen. Einig ist man sich lediglich darin, dass die Generierung der Inhalte möglichst günstig sein soll – quasi eine Zweitauswertung von Material, das fürs »klassische Fernsehen« ohnehin produziert wurde, etwa Nachrichten oder Sport. Aber auch andere Einsätze sind denkbar, gerade wenn es um IPTV geht.

Was sind die grundlegenden Unterschiede dieser Technologien? Bei IPTV geht es um die Verbreitung von TV-Inhalten via Internet-Protokoll, während Mobile-TV die Distribution über verschiedene Kanäle an mobile Endgeräte wie etwa Handys oder Laptops umschreibt.

Mobile TV, so glaubt man in den USA nicht nur bei Broadcastern und Rechteinhabern in Hollywood, könnte sich schon innerhalb des nächsten Jahres zu einem riesigen Markt entwickeln.

Bis es soweit kommt, gilt es aber noch einige Probleme zu lösen: Soll beispielsweise dasselbe Programm zeitgleich von einem Sender an viele Konsumenten verschickt werden, braucht es ordentliche Sendeleistung und letztlich auch zusätzliche Frequenzen. Beides ist zumindest kurzfristig nicht verfügbar. Alternative Distributionswege sind Mobilfunknetze. Doch wie könnte hier das Modell der Wahl aussehen? Soll sich der Nutzer seinen Content auf sein Handy herunterladen oder soll er sich in eine laufende Übertragung einklinken? Das sind nur einige von vielen ungeklärten Fragen, und wie bei jeder neuen Technologie ist auch bei Mobile-TV die wichtigste Frage noch unbeantwortet: Welcher Standard wird sich durchsetzen — und wird er weltweit funktionieren? In Deutschland etwa kämpfen DVB-H und der auf DAB aufsetzende DMB-Standard um die Spitzenposition — und darum, rechtzeitig zur Fußball-WM Endgeräte und Content liefern zu können. Sehr viel mehr als Pilot-Charakter werden DMB und DVB-H während der WM allerdings nicht haben.

Deutlich weiter ist die Entwicklung im Bereich IPTV — schon allein deshalb, weil die Produkte hier weiter entwickelt und verbreitet sind. In der Regel denkt man an PCs, wenn das Stichwort IPTV fällt, und diese Geräte sind auf breiter Basis im Markt etabliert und verfügen in zunehmendem Maße über eine schnelle (DSL-)Netzanbindung. Aber es gibt auch andere Endgeräte, so verbreitet sich derzeit zumindest die Idee, IPTV über Set-Top-Boxen an normale TV-Geräte zu übertragen.

So oder so: Im Bereich IPTV gibt es schon große Applikationen, vor allem in den Bereichen Business-TV und Unternehmens-Kommunikation, eben weil sich mit IPTV auch große Projekte in einem vernünftigen Kostenrahmen realisieren lassen. Stadionfernsehen, TV-Kanäle mit Wetterbildern aus aller Welt oder regionale Nachrichtenkanäle, wie sie der norwegische Sender NRK erst jüngst auf IPTV-Basis realisiert hat, sind nur einige Beispiele dafür. Viele Telekommunaktionsunternehmen wittern hier eine Chance, in den klassischen TV-Bereich vorzudringen. Es scheint so, als sei dieser Trend schon längst Realität geworden – jenseits der üblichen Hypes. Aber das ist vielleicht manchmal der bessere und effektivere Weg, um eine neue Technologie zum Erfolg zu führen.

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