Editorial, Kommentar, Top-Story: 07.08.2009

Danke für Ihren Anruf. Sie werden gleich verbunden.

»Biep.« Pause. »Biep.« Pause. »Biep.« So geht das schon gefühlte Stunden. Endlich geht jemand ran: »Herzlich Willkommen. Sie haben den Service von XY erreicht.« Es ist eine Automatenstimme. »In wenigen Augenblicken werden Sie mit einem Service-Mitarbeiter verbunden.« Na also, geht doch. »Bitte halten Sie Ihren Nutzernamen und Ihr Kennwort, sowie die zwölfstellige Service-Nummer bereit.«

Von der Existenz einer solchen Nummer haben Sie noch nie etwas gehört. Weil Sie endlich durchgekommen sind, bleiben Sie trotzdem am Apparat. Dann drücken Sie noch die 2 wenn Sie dies wollen, die 3 wenn Sie das wollen und Raute, wenn Sie jenes wünschen. Können Sie nun Ihr Problem mit einem Menschen besprechen? Nein.

Stattdessen hören Sie: »Aus Gründen der Qualitätssicherung kann es sein, dass wir das folgende Gespräch aufzeichnen und diese Aufnahmen für interne Zwecke auswerten. Bitte sagen Sie jetzt »nein«, falls Sie damit nicht einverstanden sind. Wir verbinden Sie nun mit dem nächsten frei werdenden Mitarbeiter.«

Ob Ihnen der allerdings auch nur im Geringsten weiterhelfen kann, bleibt ungewiss. Vielleicht brauchen Sie ja zuerst die zwölfstellige Nummer. Vielleicht auch nicht, aber Sie sind in einem Call-Center irgendwo am anderen Ende der Welt gelandet, hangeln sich dort noch mühevoll von Ansprechpartner zu Ansprechpartner und werden dann am Ende des Telefon-Marathons einfach aus der Leitung gekickt. So kann man viele Stunden am Telefon verbringen, ohne der Lösung des Problems, das man beheben will, auch nur einen Millimeter näher zu kommen.

Wenig später erhalten Sie dann eine E-Mail mit der Bitte, die Service-Leistungen zu bewerten. Sie werden auf einen umständlichen Online-Fragebogen gelinkt, wo aber leider das Eingabe-Feld fehlt, in das Sie gerne schreiben würden, dass Sie den ganzen Saftladen, dem Sie Ihr Geld in den Rachen geworfen haben, ohne Umwege und ohne Sauerstoffmaske auf den Mond wünschen.

Wie schön war es doch, als es noch einen Händler gab, der sich mit den Produkten, die man bei ihm kaufte, auch auskannte. Als man noch wusste, wen man anruft. Als man auf seine Frage noch eine konkrete, klare Antwort erwarten konnte.

Das alles gibt es immer noch. Und jeder Einzelne entscheidet täglich mit darüber, ob das auch so bleibt. Wir haben die Wahl, ob wir für Service mit Geld oder mit Zeit bezahlen wollen. Entweder sind Service und Beratung eben eingepreist oder sie müssen als separate Dienstleistung gekauft werden. Die Alternative besteht darin, Zeit in Hotlines zu verplempern. Und jeder, der sich seine Produkte auf Umwegen günstiger beschafft, sollte sich über diese Entwicklung weder wundern, noch beschweren.

Sie werden sehen.