Editorial, Kommentar, Top-Story: 21.10.2010

Was geht? Sprache jedenfalls nicht mehr…

Deutschland diskutiert derzeit intensiv über Migration und Integration — zumindest in den Medien. Dabei herrscht häufig große Einigkeit darüber, dass der Sprache höchste Bedeutung in diesen Fragen zukomme: Nur wer eine Sprache wirklich beherrscht, findet seinen Platz in einer ihm fremden Gesellschaft, so der Tenor.

Um welche Sprache es dabei geht, bleibt jedoch meistens offen: Um die von Helmut Schmidt und Giovanni di Lorenzo, oder die von Bastian Schweinsteiger und Dieter Bohlen. Gern wird dann sogar auf Schiller und Goethe verwiesen, wobei letzterer derzeit etwas präsenter ist, weil er gerade im Kino verkitscht wird.

In Wahrheit stehen jedoch auch viele, bei denen weder die Eltern, noch sie selbst in dieses angebliche Land der Dichter immigrierten, mit der deutschen Sprache auf Kriegsfuß. In Zeiten von Facebook, Twitter und Blogs aller Art, gelten Rechtschreibung und Grammatik als optional. Ein Blick auf Beiträge in zahllosen Foren oder News-Diensten zeigt, dass bei vielen Kommentatoren die Luft sehr schnell dünn wird, wenn sie mehr als die englischen Netz-Akronyme wie rofl, lol oder rtfm in die Tastatur prügeln.

Selbstkritik ist dabei durchaus angebracht: Ein Blick in die eigenen E-Mails offenbart auch bei den Autoren dieser Zeilen oft sehr viel mehr Flüchtigkeitsfehler, als man gut heißen kann: Die Flüchtigkeit des Online-Zeitalters verschiebt hier ganz klar die Werte.

Die allgemeine Sprachverhunzung geht aber über Tippfehler und orthographische Fehlleistungen weit hinaus: Wenn bei Xavier Naidoo »der Wind das Meer aufbraust«, mag man das gerade noch als poetische Freiheit durchgehen lassen. Eindeutig schmerzhaft wird es aber für jeden, der noch einen Rest Sprachgefühl in sich trägt, wenn die Band Silbermond im Lied »Krieger des Lichts« die Zuhörer wissen lässt: »Ihr seid gebraucht hier«. Was war nochmal der Unterschied zwischen werden und sein? Egal, denn anderes ist viel wichtiger — weiß zumindest Culcha Candela: »Du bist hamma, wie du dich bewegst in dei’m Outfit. Hamma!«

Dann vielleicht doch lieber englische Popmusik, bei der man als deutscher Muttersprachler die Texte besser ausblenden kann, auch wenn selbst das immer schwerer wird: »Rah rah ah-ah-ah! Ro mah ro-mah-mah Gaga Ooh-la-la! Want your bad romance«, gibt etwa Lady Gaga zum besten.

Wenn Sie einen dieser Titel bei iTunes oder sonstwo legal herunterladen, benutzen Sie dafür vielleicht »Deutschlands meiste Kreditkarte«, wie die Mastercard-Werbung lange Zeit betonte. Vielleicht kaufen Sie aber statt Musik dann doch lieber Katzenfutter. Dann besteht eine große Wahrscheinlichkeit, Kontakt mit einer weiteren Form der Sprachverhunzung zu machen: »Ich katze meine Katze.« Das steht natürlich nicht genau so auf dem Plakat. Die Agentur von Whiskas hat stattdessen das Firmenlogo — einen stilisierten Katzenkopf — in den Satz eingebaut. Heißt es also: »Ich katze meine Katze« oder »Ich whiskase meine Katze«? Oder — weil das Logo ja eine Katzenkopfsilhouette ist: »Ich köpfe meine Katze«?

Vielleicht sollten ergänzend zu den Sprachtests bei der Einbürgerung auch wöchentliche Drogenrazzien in Werbeagenturen als Standardprozedur eingeführt werden?

Aber apropos Katze: Mit dem RTL-Geschöpf Daniela Katzenberger ist die Kölner Sendergruppe gerade dabei, nach Verona Pooth wieder mal neue (Sprach-)Standards zu setzen. Danke dafür.

Sie werden sehen.