Branche, Unternehmen: 14.07.2011

BBC Worldwide steigert Gewinn — neues Modell für öffentlich-rechtliches Fernsehen?

Auch wenn die BBC, Großbritanniens öffentlich-rechtlicher Hörfunk- und TV-Anbieter, in ihrem Heimatland gern mal etwas spöttisch als »auntie«, also als »alte Tante« tituliert oder mit ironischem Unterton als gemächliche »Mutter aller Sender« bezeichnet wird, gilt das Unternehmen in vielen Bereichen als beispiel- und vorbildhaft für andere Broadcaster. Deshalb lohnt ein Blick auf den nun veröffentlichten Geschäftsbericht 2010/11 der BBC-Tochter BBC Worldwide.

BBC Worldwide ist eine 100%-Tochter der BBC, sie fungiert sozusagen als kommerzieller Arm des öffentlich-rechtlichen, britischen Radio-  und TV-Programmanbieters British Broadcast Corporation (BBC) — mit dem Ziel, durch kommerzielle Verwertung von BBC-Inhalten, Geld in die Kassen des Senders zu spülen und somit den Gebührenzahler zu entlasten. BBC Worldwide bezeichnet sich selbst als »wichtigste Vertriebsgesellschaft« der Sendergruppe.

Die BBC wird derzeit im wesentlichen — mit einigen Unterschieden, aber vom Grundprinzip doch ähnlich wie ARD und ZDF in Deutschland — über ein Gebührenmodell finanziert. Im Unterschied zu ARD und ZDF verzichtet die BBC aber in all ihren Programmen komplett auf Werbung. Im Oktober 2010 verordnete die britische Regierung der BBC ein Sparprogramm, in dem sie die jährliche Rundfunkgebühr bis 2016 auf 145,50 Pfund (derzeit rund 165 Euro) einfror.

Deshalb kommt der Tochtergesellschaft BBC Worldwide nun eine wachsende Bedeutung für den Finanzbedarf der BBC zu. BBC Worldwide verfügt über die Verwertungsrechte an BBC-Inhalten und führt einen großen Teil der damit generierten Gewinne an die BBC ab. BBC Worldwide ist in sechs Hauptsparten unterteilt: Channels, Content & Production, Brands, Consumers & New Ventures, Sales & Distribution, Consumer Products und Magazines. Das digitale Angebot — im wesentlichen die umfangreiche Website BBC.com — wird spartenübergreifend betrachtet.

Rekordgewinn im Geschäftsjahr 2010/11

BBC Worldwide weist im Geschäftsbericht für 2010/11 (PDF-Download des kompletten Berichts am Textende) bei einem Umsatz von rund 1,2 Milliarden britischen Pfund, einen Anstieg des bereinigten Gewinns um 10,3 % auf 160,2 Millionen britische Pfund aus (rund 182 Millionen Euro). Der Gewinn vor Steuern, inklusive aufgegebener Geschäftsbereiche, beträgt sogar 201,2 Millionen britischen Pfund (228,6 Millionen Euro): Er enthält einmalige Erlöse aus dem Verkauf der BBC-Anteile an den gemeinsam mit Discovery gehaltenen Sendern im November 2010.

Der Auslandsumsatz stieg um 9,6 % auf 55,5 % des bereinigten Gesamtumsatzes: BBC-Worldwide erwirtschaftete somit mehr als die Hälfte seiner Umsätze mit dem Export britischer TV- und Hörfunkprogramme. Im Fokus standen dabei die englischsprachigen Länder, allen voran die USA und Australien. Insgesamt wurden 74.000 Stunden britischer Programme an mehr als 690 Kunden aus der ganzen Welt verkauft — von den USA über Kasachstan bis Indonesien, so BBC Worldwide.

John Smith, CEO von BBC Worldwide, fügt hinzu: »Für die Ergebnisse von BBC Worldwide waren verschiedene wichtige Faktoren verantwortlich, darunter der anhaltende Erfolg unserer Programmverkäufe und des DVD-Geschäfts, das Wachstum unserer TV-Kanäle sowie die hervorragenden Fortschritte von BBC.com auf dem Weg in die Gewinnzone.«

Dank des kräftigen Wachstums bei BBC Worldwide stieg der Rückfluss an die Mutter BBC nach Unternehmensangaben um 8,6 % auf 181,9 Millionen britische Pfund (206,6 Millionen Euro). Insgesamt wurden im abgelaufenen Geschäftsjahr laut Geschäftsbericht die Schulden von BBC Worldwide von 102,6 Mllionen britischen Pfund auf 52,3 Millionen britische Pfund reduziert.

Markenpflege und Ausbau der TV-Kanäle außerhalb Großbritanniens

»Der bereinigte Umsatz unserer TV-Kanäle stieg durch die kontinuierliche Einführung neuer BBC-Sender und der höheren Nachfrage nach TV-Werbung um 18,8 %. Wir haben im Jahresverlauf neun neue Kanäle gestartet, darunter CBeebies in Südkorea, BBC Knowledge in Italien und Neuseeland, einen eigenen Feed für BBC Entertainment in Indien und BBC HD in mehreren Märkten«, erläutert CEO John Smith einige der Wachstumsfaktoren seines Unternehmens.

»Unsere Strategie ist vor allem darauf ausgerichtet, die Vorlieben der Verbraucher zu kennen und eine engere Beziehung zu unserem Publikum weltweit aufzubauen. Unsere fünf wichtigsten Marken — „Top Gear“, „Doctor Who“, „Lonely Planet“, „Dancing with the Stars“ und „BBC Earth“  — erwirtschaften 27 % des Gesamtumsatzes, und rund 45 % unseres Umsatzes werden mittlerweile von zwölf Marken erzielt. Mehr als zwei Millionen Menschen haben 2010/11 irgendwo auf der Welt eine Live-Show von BBC besucht; damit haben bis heute über neun Millionen Menschen an unseren Events teilgenommen«, führt John Smith weiter aus.

Online-Aktivitäten noch defizitär

Als immer noch defizitär, aber auf dem Sprung über die Rentabilitätsschwelle, kennzeichnet BBC Worldwide die Online-Aktivitäten. Demnach versorgte die Website BBC.com im abgelaufenen Geschäftsjahr, das bis einschließlich März 2011 dauerte, durchschnittlich 58 Millionen Nutzer im Monat und dürfte bald rentabel werden. Den Umsatzzuwachs von BBC.com in den USA beziffert das Unternehmen auf 113 %.

Die Erlöse, die BBC Worldwide mit digitalen Inhalten erzielte — hauptsächlich Online- und mobile Angebote — stiegen insgesamt auf 8,1 % des Nettoumsatzes. »Damit stehen die Chancen gut, dass wir unser Ziel von 10 % im Zeitraum 2011/12 erreichen«, resümiert John Smith.

2011 soll weltweit der BBC-iPlayer eingeführt und ein größeres Angebot an Spielen entwickelt, außerdem sollen mehr mobile Dienste und Apps angeboten werden, wodurch dieser Bereich weiter wachsen werde, prognostiziert BBC Worldwide. Bislang wurden nach Firmenangaben mehr als 12 Millionen Apps von BBC Worldwide heruntergeladen.

Vertrieb von Produktionen unabhängiger Produzenten

»BBC Worldwide hat 2010/11 außerdem Programme und Formate von mehr als 300 unabhängigen britischen Produzenten vertrieben. Ich bin stolz darauf, dass wir durch unsere Exporte wesentlich zur Förderung der britischen Kreativwirtschaft beitragen«, erläutert John Smith, CEO von BBC Worldwide.

bbc_worldwide_annual_review_2010-11.pdf