Veranstaltung: 31.10.2018

Zündfunk Netzkongress 2018

Zwei Tage voller Workshops, Diskussionen und Panels und ein ausverkauftes Münchner Volkstheater: 40 Speaker und rund 700 Besucher diskutierten unter dem Motto »Cashtag« über die Zukunft der Netzkultur.

Der Einstieg in den Netzkongress 2018 wirkte teilweise düster: Das Netz sei in weiten Teilen eine riesige Cash-Machine geworden, große Plattformen-Monopolisten buhlten um die Aufmerksamkeit und die Daten der User. Menschen seien nur noch selten Autoren oder Kulturschaffende im World Wide Web sondern vielmehr Objekte, über die sich ein engmaschiges Netz an Geschäftsmodellen lege – so lauteten einige der Resümees der Digital-Schaffenden beim Zündfunk Netzkongress 2018. 

Richard Gutjahr beim Zündfunk Netzkongress 2018.

Besonders bedrückend, aber dennoch optimistisch: Der Vortrag des TV-Journalisten Richard Gutjahr. Was er berichtete, zeigt, wie es heute einem TV-Journalisten ergehen kann, wenn er seine Arbeit tut. Aber der Reihe nach.

Richard Gutjahr verbrachte einen Urlaub in Nizza, als er vom Balkon seines Strandhotels beobachtete, wie ein LKW in die Menschenmenge auf der Strandpromenade fuhr und dabei 86 Menschen tötete und zahllose weitere verletzte. Gutjahr stellte seine Aufnahmen, die er von dem Anschlag mit dem Smartphone aufgezeichnet hatte, den ARD-Nachrichtenredaktionen zur Verfügung. Nur wenige Tage später wurde Gutjahr erneut mit Terror konfrontiert, als er auf dem Weg zur Arbeit zum Bayerischen Rundfunk war – und im OEZ ein Amokläufer wahllos Menschen tötete. Gutjahr erhielt einen Anruf, dass im OEZ Schüsse fielen. Er war in unmittelbarer Nähe und entschied, von dort zu berichten. 

Verschwörungstheoretiker in aller Welt unterstellen Gutjahr seither, dass er mit den beiden Attentaten etwas zu tun habe, und mittlerweile, so Gutjahr, gebe es auf Youtube über 1.200 Videos, deren Urheber ihn mehr oder weniger offen  bedrohten und bezichtigten, an den Attentaten beteiligt zu sein. 

Richard Gutjahr im Gespräch mit dem Zündfunk-Team.

Gutjahr hat den Hass im Internet zu spüren bekommen – und ging in seinem Vortrag darauf ein, was man tun kann, wenn Shitstorm, Trolling oder Verschwörungstheorien einen überrollen. Seine Botschaft: »Fangt bei euch an, mischt euch ein, überlasst die Welt nicht den Idioten, weder on- noch offline«. 

Der zweite Netzkongress-Tag stand im Zeichen hitziger Diskussionen und der Frage: wie können sich User aus der Netzkrise befreien und was können sie ihr entgegensetzen? Wie kann der Datenschutz für Nutzer europaweit verbessert werden? Das ist seit geraumer Zeit das Thema von »None of your business«, einer NGO des österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems. Der Mann, der schon Facebook juristisch in die Knie gezwungen hat, kämpft weiter gegen Datenkraken, die mit privaten Profilen Geld verdienen.

James Williams – früher bei Google, jetzt an der Universität Oxford.

Zeit für Reflexion nahm sich auch der Ex-Google-Mitarbeiter James Williams. Sein Punkt: wir bezahlen das Internet – gewollt oder nicht – mit unserer Aufmerksamkeit. Und die fehle uns dann für wichtigere Dinge. »Wir haben eine Datenschutzverordnung, warum haben wir keine Aufmerksamkeitsschutzverordnung?« fragte er in seiner Keynote.

Am Nachmittag wurde es nochmal sehr konkret. Was bedeutet App-Kapitalismus für die Menschen, die dort arbeiten? Die Fahrer von Foodora und Deliveroo wehren sich seit ein paar Monaten gegen Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen. Zwei von ihnen schilderten auf dem Zündfunk Netzkongress 2018 ihre Erfahrungen:

Nach einem Jahr #MeToo ging es auch dieses Jahr beim Zündfunk Netzkongress um Gender-Empowerment und Frauenrechte in der Digitalwirtschaft. Und darum, wie Frauen in den Ländern wie Iran und Afghanistan sich Gehör verschaffen. Davon berichtete die BBC-Journalistin Faranak Amidi, die Frauen eine Plattform bietet – und »Safe Spaces« im Netz schafft.