IP, Messe, Software / IT: 09.09.2016

IBC2016: Imagine sieht »less hype, more implementation«

Charlie Vogt, der CEO von Imagine, wurde in seinem Vortrag während der IBC-Pressekonferenz seines Unternehmens so konkret, wie man es bei solchen Gelegenheiten leider viel zu selten hört — zur Lage der Branche und seines Unternehmens.

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Einer der interessantesten Vorträge eines CEO aus unserer Branche seit langer Zeit, gelang in diesem Jahr Charlie Vogt von Imagine.

Natürlich darf man bei der IBC-Pressekonferenz eines Unternehmens keine schonungslose Offenheit erwarten — öfter muss man sogar das genaue Gegenteil ertragen, bis hin zu der Frage: Wieso ladet ihr uns überhaupt ein, wenn ihr nichts sagen wollt? Da freut es einen um so mehr, wenn es doch mal jemand schafft oder wagt, nicht ausschließlich auf Enthusiasmus und gute Stimmung zu setzen und das eigene Unternehmen in den Himmel zu loben und zu überhöhen, sondern auch mal konkreter zu werden.

Charlie Vogt, der CEO von Imagine, hat das getan — natürlich ohne gegen den bei amerikanischen Unternehmen sozusagen systemimmanenten positiven Spirit zu verstoßen — aber dennoch so ungewöhnlich und interessant, dass es Erwähnung verdient.

In diesem Jahr werde es während der IBC »less hype« und stattdessen »more impelmentation« zu sehen geben, fasste Charlie Vogt zusammen. Das kann man auch als milde Selbstkritik werten, aber es steckt mehr dahinter, wie sich in den weiteren Ausführungen des Imagine-CEO zeigte.

Imagine selbst werde weniger Boxen zeigen, sondern mehr Software-Lösungen und mehr hybride Produkte. Den Grund dafür nannte Vogt ebenfalls: Die Branche insgesamt müsse sich verändern, viele Kräfte — auch von außerhalb der Branche — trieben diesen Wandel voran.

Vogts Analyse ist dabei glasklar: »Der Wandel wird letztlich durch das Internet getrieben.« Deshalb müssten die existierenden Geschäftsmodelle in der Broadcast-Branche überdacht werden.

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Die Abozahlen beim Pay-TV sind in den USA in zwei Jahren um 1,7 % gefallen. Die Anzeigenumsätze beim linearen Fernsehen wachsen — langsam, aber stetig.

Soweit, so bekannt. Dann aber zeigte Charlie Vogt auf, dass der vielbesungene Niedergang des klassischen Fernsehens — zumindest bislang — bei weitem nicht so dramatisch ausfällt wie prognostiziert: So ist laut Marktforschung in den USA in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Pay-TV-Abonnenten zwar gefallen, aber nur um 1,7 %. Da kann man nun wirklich nicht von einem dramatischen Einbruch oder einer »Disruption« sprechen. Gleichzeitig sind die Anzeigenerträge der linearen TV-Sender in den USA in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen — zwar langsamer als die in der Digitalwirtschaft, aber deutlich.

Die Prognosen, dass das Internet das lineare Fernsehen killen werden, haben sich also zumindest bislang als falsch erwiesen. Auch die Zeiträume, die genannt wurden, erscheinen in diesem Lichte ziemlich unrealistisch.

Dennoch geht es der Branche — und hier vor allem der Herstellerseite — insgesamt betrachtet keineswegs gut. Vogt erwartet, dass es in den kommenden 12 bis 18 Monaten auf der Herstellerseite massive Konsolidierungen — sprich: Pleiten und Übernahmen — geben werde. Wer dieses Gemetzel überlebe und die richtigen, zu den sich ändernden Geschäftsmodellen passenden Produkt anbieten könne, der sei dann gut gerüstet für die Zukunft: Das sagte Charlie Vogt natürlich nicht wörtlich, denn dafür ist er viel zu vorsichtig, aber so kann man seinen Gedanken zusammenfassen und fortführen.

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Der Wandel kommt später, aber er kommt — da ist sich Charlie Vogt sicher.

Zum zeitlichen Ablauf des Wandels hin zu IP, steckt Vogt nun einen längeren Rahmen als früher: Er gehe davon aus, dass spätestens im Jahr 2025 praktisch nur noch IP-basierte Technik in der Broadcast-Branche installiert werde. Den Wendepunkt — also mehr als 50 % IP — verortet Vogt im Jahr 2020.

Im weiteren Verlauf seines Vortrags schlug Charlie Vogt noch einen Bogen über den Produktbereich von Imagine, um aufzuzeigen, dass er sein Unternehmen ganz klar auf der Gewinnerstraße sieht: So viel positiver Spirit und Siegeswille muss schon sein. Aber mit 25 großen IP-basierten Installationen auf Basis von Imagine-Produkten bei verschiedenen Kunden, mit 50 auf diesen Strukturen laufenden linearen TV-Kanälen und zusätzlichen 3.000 verschiedenen Streams, hat Imagine tatsächlich eine gute Basis vorzuweisen.

Diese Position zu erreichen, hatte aber auch ihren Preis: 300 Millionen US-Dollar hat Imagine unter der Führung von Charlie Vogt nach eigenen Angaben investiert, um die eigenen Plattformen zukunftssicher zu machen.

Es gibt einen anderen Amerikaner, der mal viel zu früh seine »Mission accomplished« wähnte — einen solchen Fehler macht Charlie Vogt nicht: Er weiß, dass noch eine gute Strecke vor der Branche und auch vor Imagine liegt, aber er glaubt den Weg ziemlich sicher zu kennen.