Broadcast, Top-Story: 26.02.2002

Der Berg ruft

Im kommenden Jahr wird die Skiweltmeisterschaft in St. Moritz stattfinden. Die technische Seite dieses Sport-Events wickelt das tv productioncenter zürich ag (tpc) für den Host-Broadcaster SF-DRS ab. tpc gewährte schon jetzt einen Ausblick auf die WM 2003.

Ob Hilde Gerg bei der Ski-Weltmeisterschaft in St. Moritz im kommenden Jahr nachholen kann, was sie bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City verpasste, ist offen. Sicher ist dagegen, dass die Übertragung der Ski-WM zu den ambitionierten Projekten des tv productioncenter zürich (tpc) gehört. Die erste Bewährungsprobe hat tpc schon erfolgreich bestanden: Im Winter 2002 fanden die ersten Damen- und Herren-Weltcup-Rennen in St. Moritz statt und dabei wurde schon mit der Technik gearbeitet, die auch bei der WM 2003 verwendet werden soll.
August Reinhard, TV-Außenproduktionschef bei tpc: »In der Planungsphase für die Ski-Weltmeisterschaft galt es etliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Zum einen müssen wir bei der WM in der Lage sein, alle Rennen lückenlos live zu übertragen. Dabei ist der Zeitplan eng gesteckt: Teilweise müssen wir nach dem Ende des einen Rennens innerhalb einer Stunde schon das nächste von einer anderen Piste übertragen können. Generell müssen wir sehr schnell und flexibel auf Wetterumschwünge oder Ablaufänderungen reagieren. Gleichzeitig haben wir natürlich den Ehrgeiz, die World-Broadcaster, also die internationalen Sender, mit optimalem Material zu versorgen.«
Eine Besonderheit sind dabei die räumlichen Gegebenheiten in St. Moritz: Im Prinzip findet die komplette WM an nur einem Hang im Corviglia-Skigebiet statt. Die Streckenführung im oberen Bereich unterscheidet sich aber bei den einzelnen Rennen, bevor sie in den gemeinsamen Zielbereich mündet. In unmittelbarer Nähe dieses Zielbereichs werden alle Regie- und Produktionseinrichtungen stehen, darunter das Technische Übertragungs-Center (TOC) und alle Ü-Wagen. Der Zielbereich in Salastrains liegt auf 2000 Meter Höhe und ist auch mit den großen Reportagewagen noch gut erreichbar. Zudem ist Salastrains auch ein Dreh- und Angelpunkt für die einzelnen Lifte des Skigebiets. Hochalpin wird es dagegen im Startbereich der Rennen. Hier ist das Gelände teilweise recht unwegsam, vor allem der spektakuläre Start des Herren-Abfahrtsrennens forderte das tpc-Team wie auch die Rennleitung schon im Sommer heraus. Der Grund: Pistenbauer Bernhard Russi ließ ein fast senkrecht abfallende Startzone bauen, für deren TV-Inszenierung schon im Sommer 2001 die notwendigen Plattformen gebaut wurden.

PRODUKTIONSKONZEPT
Üblicherweise werden bei der Aufzeichnung von Groß-Events die Kameras in Gruppen aufgeteilt, deren Bilder dann jeweils in einem von mehreren Subzentren auflaufen. Die Subzentren wiederum erstellen daraus fertige Sequenzen, die sie an die Endregie liefern. Aufgrund der speziellen Anforderungen der WM entschied sich tpc jedoch für ein anderes Produktionskonzept: Die Signale jeder einzelnen Kamera werden direkt einer zentralen Stelle im TV-Produktionsbereich des Zielgebiets zugeführt und von dort in der richtigen Reihenfolge an die Bild- und Tonregien verteilt.
Bei den Abfahrtsrennen und beim Super-G wird es eine Start-, eine Vor- und eine Endregie geben, die getrennt arbeiten: Die Start- und die Vor-Regie sollen jene Streckenabschnitte produzieren, die aufgrund der engen Startintervalle nicht live übertragen werden. Die Endregie wird dagegen die Fahrt der Ski-Athleten auf dem letzten Teilstück der Piste bis zum Zieleinlauf live verfolgen, Slow-Motion-Sequenzen einspielen und Grafiken hinzufügen. Den Vorteil dieser Arbeitsweise sieht tpc darin, dass sich die einzelnen Regien in puncto Ausrüstung und Layout optimal für ihr jeweiliges Einsatzgebiet ausstatten lassen.

VERKABELUNG UND HUBS
Neue Wege ging tpc beim Verkabelungskonzept: Schon im Sommer 2001 wurden an den WM-Hängen Schächte und Rohre eingezogen, in denen tpc viele Kilometer Glasfaserkabel verlegte, wobei teilweise auch schon vorhandene Rohre, etwa von den Beschneiungsanlagen genutzt wurden. Die Glasfaserkabel laufen vom zentralen TV-Produktionsbereich im Zielraum zu einzelnen Hub-Punkten entlang der Abfahrtstrecken. Ein Hub ist dabei nichts anderes als ein Schacht, in dem betriebsfertig konfektionierte Glasfaserkabel mit Steckfeldanschluss vorliegen. An jedem der sechs Hubs lassen sich mittels Triaxkabel bis zu sieben Kameras anschließen. In der Nähe der Hubs werden Container stehen, in denen das Produktions-Equipment für die angeschlossenen Kameras und die Tontechnik untergebracht sind.
Die Planer beim tpc gehen davon aus, dass die feste Verkabelung auch bei Skirennen in den kommenden Jahren weiter verwendet werden kann, die Container allerdings je nach Schneelage wohl nicht immer an der selben Stelle stehen können. Aus diesem Grund entschied sich das tpc, weitere Glasfaser-Patch-Kabel mit einer Länge von jeweils 30 bis 50 Meter zu verwenden – als optische Verbindung zwischen den Hubs und den Containern. »Dies macht uns unabhängig in der Auswahl der opto-elektronischen Wandler, je nach Gerätehersteller werden nämlich unterschiedliche Steckertypen verwendet. Diese zusätzliche Flexibilität ist wichtig, weil Stecker für Single-Mode-Fasern nur in geschlossenen Räumen und mittels speziellem Werkzeug montiert werden können. Bei Bedarf genügt somit der Austausch eines einzelnen Patch-Kabels«, so die tpc-Planer. Zudem sei an den Hubs auch dafür gesorgt, dass es ausreichend viele Verbindungsleitungen für die unilateralen Kameras der internationalen Broadcaster gebe, wobei man sich auf Erfahrungswerte der Ski-WM in St. Anton beziehe.

TECHNICAL OPERATION CENTER
Im Zielbereich der WM-Strecken kommen beim TOC im »Kabelbahnhof« alle Glasfaserkabel der WM-Hänge an und liefern hier Bild- und Tonsignale von der Strecke. Die Signale werden nach der opto-elektronischen Wandlung an die Vor- und Endregien weitergereicht und zusätzlich als »Isolated Cameras« auch an die Fernsehanstalten des TV- Produktionsbereichs weitergegeben. Im TOC selbst ist unter anderem auch die Startregie untergebracht. Die Mittelregie befindet sich dagegen im Ü-Wagen »XL 1« der tpc-Flotte. Slow-Motion, Grafik- und Zeiteinblendungen, wie auch die Endregie, werden vom Ü-Wagen »XL 2« abgewickelt.
Das flexible Weiterreichen der Signale an die unterschiedlichen Regien erfordert natürlich auch ein gutes Verteilkonzept, das mit einem Durchschaltesystem aus einer verkoppelten Video- und Tonkreuzschiene realisiert werden soll. Die Besonderheit daran: Mit einem übergeordneten Steuersystem sollen sich die unterschiedlichen Konfigurationen für jedes einzelne Rennen speichern und bei Bedarf aufrufen lassen. Dabei würden nicht nur die Bild- und Tonsignale der einzelnen Kameras ihren Verbrauchern richtig zugeschaltet, sondern auch deren Rotlichtsignal und die Gegensprechverbindungen. Zudem sind laut tpc Steuersysteme dieser Art schon seit längerer Zeit sowohl bei der Außenproduktion wie auch im Studio erfolgreich im Einsatz.

AUSBLICK
Während der WM sollen rund 40 Kameras eingesetzt und an 60 unterschiedlichen Standorten rund um die Hubs platziert werden. Neben den 25 Standard-Kameras, sechs Effektkameras, zwei Gegenhangkameras und einer Helikopterkamera ist der Einsatz einer Seilbahnkamera geplant, die auf den letzten 500 m der Strecke die Fahrer mit einer Geschwindigkeit von bis zu 90 km/h verfolgen wird.
Ebenfalls geplant: Spektakuläre Bilder aus luftiger Höhe, die von Kleinflugzeugen (Deltaseglern), und Fallschirmspringern mit Board (Skysurfer) zugeliefert werden, sowie die subjektive Sicht eines Abfahrers, die Pistenbauer, Co-Kommentator und Olympiasieger Bernhard Russi mit einer Minikamera aufnimmt.
Wie mittlerweile bei Weltcup-Rennen üblich, wird es auch während der Ski-WM Vergleiche der Linienführung einzelner Fahrer geben. Diese werden mit einer speziellen Software erzeugt, in St. Moritz wird die Firma Dartfish diesen Part abwickeln.
Der Aufwand zeigt, dass die WM im kommenden ein weiteres Highlight der Wintersport-Berichterstattung werden dürfte, und die Schweizer tpc gehört zweifelsohne zu den ersten Adressen für die Abwicklung eines solchen Projekts. Mit der alljährlichen Übertragung des Lauberhorn-Abfahrtsrennens der Herren oder auch mit der mehrtägigen Übertragung einer Besteigung der Eiger Nordwand kann tpc auch in diesem speziellen Produktionsbereich erstklassige Referenzen vorweisen. Wintersport-Fans können also aufatmen: Wenn im kommenden Jahr Hilde Gerg und Kollegen die Hänge des Corviglia-Skigebiets in St. Moritz hinunter rasen, dürfte tpc in gewohnter Manier für spektakuläre Bilder sorgen: der Berg ruft.

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T_0202_tpc_SkiWM_2003.pdf