Report, Top-Story: 20.05.2008

Menschen und Moschusrinder: Winter-Doku mit P2

Für Gerd Herren ist die Produktion von Dokumentarfilmen nur eines von mehreren Standbeinen. Aber auch in diesem Bereich leistet der belgische Unternehmer Außergewöhnliches: eine Dokumentation in der norwegischen Tundra im Winter verlangte extremen Einsatz von Mensch und Maschine.

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Gerd Herren ist Diplomforstwirt, er arbeitet als Forstexperte und Naturfilmer: seit 1988 ist er selbstständig. Herren vertreibt Messgeräte für die Forstwirtschaft, arbeitet als Beratungsingenieur in den Bereichen Forst, Holz und Umweltbewirtschaftung und betreibt seit 1995 im belgischen Spa eine eigene Filmproduktion. Seit 1999 besitzt diese Filmproduktion eigenes Broadcast-Equipment und ist seit dem Jahr 2000 unter dem Firmennamen Spalywood aktiv. »Unsere Dokumentarfilmphilosophie ist es, den Menschen als Bestandteil der Natur zu zeigen, der die Natur respektvoll und nachhaltig bewirtschaftet,« erklärt Gerd Herren.

Dazu passte ein Auftrag, den der französische TV-Sender TV5 Monde an Gerd Herren vergab: ein Dokumentarfilm über den Tierfotografen Franck Renard mit einer Länge von 26 Minuten (»Photographe à l’extrême — Franck Renard«). Gerd Herren begleitete Franck Renard für diesen Film bei einer schwierigen Fotoreise, deren Ziel es war, das natürliche Verhalten von Moschusrindern in freier Wildbahn mitten im Tundra-Winter zu dokumentieren.

»Es ist schwierig, Moschusochsen mitten im Tundra-Winter zu filmen und deswegen sind Bilder dieser Tiere in winterlicher Umgebung sehr selten«, erläutert Gerd Herren. Der Hintergrund dieser Aussage erklärt sich aus einigen Eckdaten des Drehs: Die Moschusrinder leben in der norwegischen Tundra auf 1.500 bis 2.000 m Höhe. Gedreht wurde Anfang März, mitten im Tundra-Winter bei Außentemperaturen von -15 bis -25 Grad Celsius. In diesem Zeitraum sind in dieser Region Blizzards nicht unüblich, also Schneestürme mit Windgeschwindigkeiten bis zu 150 km/h. Das gesamte mobile Equipment mit einem Gewicht von 35 bis 40 kg musste unter diesen Bedingungen täglich von der Hütte per Schlitten zum Drehort weiter oben in den Bergen gezogen werden.

»Im Film wollte ich sowohl die schwierigen Dreh- und Fotografiebedingungen zeigen, wie auch die herrliche Schneelandschaft der norwegischen Tundra — und natürlich die urigen Moschusrinder, die schon zu Zeiten der Mammuts gelebt haben«, beschreibt Gerd Herren und ergänzt: »Natürlich überlebt haben die Moschusrinder eigentlich nur im Nordosten von Grönland und auf den arktischen Inseln von Kanada. Die Herden in den anderen aktuellen Verbreitungsgebieten — also auch in der norwegischen Tundra — wurden ab 1930 dort wieder angesiedelt.«

Dreh-Equipment

Als Basis-Equipment führte Gerd Herren das folgende mit: Einen P2-Camcorder des Typs AJ-HPX2100 von Panasonic, der in einer Kata-Neoprenhülle steckte. Dazu ein Nikkor ED Broadcast-Objektiv (Brennweite 8 – 310 mm) mit eingebautem Extender. Diese Objektiv wird nicht mehr gebaut, aber Gerd Herren schätzt es, weil es aus seiner Sicht ein filmähnliches Bild in HD mit hervorragender Farbwiedergabe und Schärfe erreicht. Als starke Tele-Brennweite kam ein Sigma Apo (50 – 500 mm) zum Einsatz, das mit einem Century 1.6 x-Konverter auf das 2/3-Zoll-Bajonett der HPX adaptiert wurde. »Fotoobjektive sind grundsätzlich von sehr hoher Qualität und bei diesen hohen Brennweiten weitaus preisgünstiger als Broadcast-Objektive«, erläutert Gerd Herrren seine Objektivauswahl.

Den Camcorder schützte zusätzlich bei Bedarf eine Nylon-Regenhülle von Portabrace. In einem Trekking-Rucksack von Portabrace fand auch weiteres Zubehör Schutz (etwa Sennheiser-Mikrofone und eine Pag-Leuchte). Als Stativ führte Herren ein Miller Carbon-Speedlock mit schwerem HD-Kopf mit sich. Zur Aufzeichnung standen P2-Karten mit insgesamt 72 GB Speicherkapazität zur Verfügung (5 x 8 GB, 2 x 16 GB), genug für einen ganzen Drehtag: Gerd Herren drehte in DVCPROHD, wo pro Minute ungefähr ein Gigabyte Daten anfallen.

Zur Sicherheit führte der belgische Naturfilmer zudem einen AG-HVX200 (Test) als Ersatz-Camcorder mit. Zum täglichen Transportgewicht trugen die neun Lithium-Ionen-Akkus in NP-1-Baugröße (von Swit und Hawkwood) erheblich bei.

Dreherfahrungen

Gerd Herren resümiert: »Der Camcorder und die P2-Technik funktionierten unter den extremen Bedingungen ohne Probleme. Dieser Teil der Ausrüstung war absolut spitze. Nie ein Ausfall, nie ein Fehler. Den Ersatz-Camcorder brauchte ich kein einziges Mal. Es war eine wahre Freude, bei Schneesturm mit der HPX zu arbeiten. In meiner maximalen Bestückung mit P2-Karten bot mir der Camcorder Autonomie von rund 60 Minuten, ohne auch nur eine Karte wechseln zu müssen. Das war mehr als genug für einen Tagesdreh, trotzdem war es beruhigend, weitere P2-Karten zu haben. Ich habe die Karten teilweise auch vorbeugend gewechselt: Das funktionierte auch während eines Schneesturms.« Und weiter: »Es ist eine Qual, seine Kamera bei vollem Schneesturm auszupacken. Der feine Schnee setzt sich überall durch. Deswegen ließ ich meine Kamera auch unter dem Regenschutz zusätzlich in seiner Neopren-Schutzhülle, die sich fest um den Kamerabody schließt.«

Bei den Lithium-Ionen-Akkus, von denen Herren jeweils zwei am Camcorder verwendet, setzt der erfahrene Naturfilmer auf die NP-1-Baugröße: »Diese Akkus kann man leicht in eine Hosentasche stecken, was mit anderen Akkugrößen nicht so gut geht.«

Während des anstrengenden Bergaufstiegs packte Herren die insgesamt neun Akkus, die er mitführte, in eine Thermostasche, die er zusammen mit Hotpacks in Rettungsfolie einwickelte. Die von Herren eingesetzten Hotpacks enthalten ein Gel: Wenn man sie knickt, beginnen sie zu kristallisieren und geben dann für rund acht Stunden Wärme ab.

Trotz dieser sorgsamen Behandlung der Akkus zeigte sich, »dass die chinesischen Swit-Billigbatterien bei Kälte nichts taugen«, so Herren. Wenn die Akku-Pakete aus zwei Swit-Batterien bestanden, hielten diese bei -20 Grad Celsius nur etwa 20 Minuten, während die laut Herrren »ausgezeichneten« NP65 von Hawkwood rund zwei bis drei Stunden Leistung bereitstellten.

Mit der Bildqualität seiner HD-Aufnahmen ist Gerd Herren sehr zufrieden: »Hervorragend — vor allem die schneebedeckte Wolle der Moschusochsen bei horizontal fliegenden Schneeflocken im Sturm sind beeindruckend. Ich drehe jetzt schon seit einem Jahr mit der HPX2100 und habe bei KST Moschkau eine der ersten Kameras dieses Typs gekauft. Ich bin aber immer wieder von der Qualität beeindruckt: Gerade bei Naturfilmen kommen die Vorzüge des DVCPROHDCodecs zum Vorschein. Das sieht man vor allem bei etwas schnelleren Schwenks in einer sehr strukturreichen Landschaft, wo das DVCPROHD-Bild nie eine durch Datenrate oder Kompression bedingte Unschärfe aufweist.«

Kälte-Workflows

»Wenn man abends in die ofenwarme Hütte zurückkommt, kann auf dem ausgekühlten Equipment Feuchtigkeit kondensieren — auch im Gerät. Um das zu vermeiden, ließ ich meine Kamera zuerst mal 30 Minuten in einem Zwischenraum bei 0 Grad Celsius stehen, bevor ich sie in die warme Hütte holte. Dank dieser Prozedur gab es nie ein Problem mit Kondenswasser«, berichtet Herren.

Um die Daten redundant zu sichern, kopierte Herren den Inhalt der P2-Karten täglich in der Hütte auf kleine USB-gespeiste 250-GB-Festplatten sowie auf äußerst robuste, aber etwas schwerere 120-GB-Festplatten von Dell. »Ich übertrage gerne auf kleinere Speicherplatten zwischen 160 und 250 GB. Wenn etwas verloren geht, dann sind die zu rekonstruierenden Datenmengen nicht so groß. USB-Platten verwende ich aus zwei Gründen: Damit kann man in der Drehphase ohne Computer direkt vom HPX2100 auf eine USB-Platte kopieren, wenn das nötig sein sollte. Außerdem sind diese Platten sehr viel handlicher.«

Zur Bildkontrolle und Datenübertragung setzt Herren einen portablen PC mit HD-tauglichem Display ein: einen Dell Precision M90. Als Software für Datenübertragung und Logging nutzt der Naturfilmer die Panasonic-Software P2-Viewer.

»Ich speichere meine Daten grundsätzlich redundant zwei Mal auf zwei verschiedenen Festplatten und bezeichne meine Ordner dann mit dem Tagesdatum und nur einem typischen Kennwort für den Drehtag. Damit finde ich mich beim Schnitt sehr schnell zurecht. Ich führe wie früher bei den Kassetten Buch über die gedrehten Tages-Inhalte — das ist immer praktisch und erlaubt auch, sich selbst zu kontrollieren, ob man auch alles gedreht hat, was geplant war — soweit man beim Naturfilm unter diesem Aspekt denn von Planung sprechen kann.«

Postproduktion

Bearbeitet wurde der Film in HD mit Liquid Chrome Xenon HD von Avid. Die Daten — insgesamt etwa 500 GB Rush-Daten von zehn Drehtagen — wurden im Spalywood-Studio in Belgien auf ein LaCie-RAID übertragen, von dem aus es direkt möglich ist, in Liquid zu schneiden. Nach dem Schnitt lässt Gerd Herren die Daten auf diesem Laufwerk und archiviert sie in einem Datenschrank sowie zur Sicherheit parallel dazu auf den RD1000-Festplatten von Dell.

Zur Postproduktion sagt Gerd Herren: »Es ist schon eine Pracht, in kürzester Zeit — nach etwa 20 Minuten — alle gedrehten Clips in einem Projekt in HD-Qualität im Schnittsystem online zu haben und direkt arbeiten zu können. Dank file-basierter P2-Technik kann man auf das stundenlange Einspielen von Bändern verzichten.«

Um darzustellen, wo auf der nördlichen Halbkugel noch freie Moschusrinder leben, ließ Gerd Herren von seinem Filmkollegen Norbert Porta eine HD-3D-Animation der nördlichen Erdhalbkugel auf Basis von Nasa-Höhendaten und Nasa-Satellitenfotos herstellen, die er in den Film integrierte.

Der Kunde TV5 Monde erhält den fertigen Film wunschgemäß in einer SD-Version auf Digital Betacam. »Eigentlich eine Schande«, meint Gerd Herren, »aber die wenigsten Sender können schon HD senden. Aber für zu Hause kann ich mir eine Blu-ray Disc brennen — das ist eben doch was anderes, wenn man in den Bildgenuss von HD kommt.«

Auftraggeber

Gerd Herren hat unter anderem auch schon für Arte, den Bayerischen Rundfunk, RTBF, Seasons, World Première und Discovery gearbeitet. Der Auftraggeber der aktuellen Produktion, TV5 Monde, beschreibt sich als weltweit führenden französischsprachige Sender, der rund um die Uhr Nachrichten, Filme, Sport und vieles mehr im Programm hat. TV5 wurde 1984 auf Initiative von fünf öffentlich-rechtlichen frankophonen Sendern gegründet und ist heute der weltweit meist verbreitete Sender in französischer Sprache.