The Colour of »Dreams« (Sex Love)
Wie Christian Wieberg-Nielsen den visuellen Look von »Dreams« im Grading organisch gestaltete.
»Dreams« ist ein norwegisches Filmdrama aus dem Jahr 2024, geschrieben und inszeniert von Dag Johan Haugerud. Nach »Sex« und »Love« ist »Dreams« der dritte Teil einer Trilogie, die sich mit der Komplexität menschlicher Beziehungen, Sexualität und sozialer Normen beschäftigt. Der Film begleitet Johanne (Ella Øverbye), die sich in ihre Französischlehrerin Johanna (Selome Emnetu) verliebt hat, was zu Spannungen mit ihrer Familie führt, die sich mit ihren eigenen unerfüllten Träumen und Sehnsüchten auseinandersetzen muss.
Der Film kam am 4. Oktober 2024 in die norwegischen Kinos und feierte seine internationale Premiere bei den 75. Internationalen Filmfestspielen Berlin im Februar 2025, wo er den Goldenen Bären im Hauptwettbewerb gewann.
Gedreht wurde der Film von DoP Cecilie Semec, und die Farbkorrektur wurde von Christian Wieberg-Nielsen, leitender Kolorist bei Storyline Studios in Norwegen, durchgeführt.
Organische Entdeckung des Looks
Bei den beiden vorangegangenen Filmen der Trilogie, »Sex« und »Love«, war Wieberg-Nielsen von der Vorproduktion an beteiligt, aber aufgrund unvorhersehbarer Umstände verlief Dreams ein wenig anders.

»Ich konnte nicht in die Vorproduktion einsteigen, weil der Kameramann in dieser Zeit an Covid erkrankt war«, erklärt Wieberg-Nielsen. »Der Film wurde also mit dem Standard-Arri-Alexa-Look gedreht, ohne vordefinierte LUT oder Farbpipeline.
»Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Filmen, bei denen wir auf bereits bestehende Referenzen zurückgreifen konnten, mussten wir bei Dreams den Look organisch im Grading-Prozess entdecken. Diese offene Herangehensweise war aufregend, brachte aber auch eine zusätzliche Ebene der Komplexität mit sich, da wir die Farbsprache von Grund auf neu gestalten mussten.«
Visuelles Ziel
Das visuelle Ziel für Dreams unterschied sich von den beiden vorherigen Filmen der Trilogie. Dreams war aus visueller Sicht der dunkelste der drei Filme.
»Er sollte näher, intimer und emotionaler sein«, sagt Wieberg-Nielsen. »Die DoP hatte bereits eine klare Vision für den Look des Films, und unsere Aufgabe beim Grading bestand darin, das fortzuführen, was in der Kinematografie bereits vorhanden war.«

Eine dynamische Zusammenarbeit
Wieberg-Nielsen hatte bereits bei kleineren Projekten mit der DoP zusammengearbeitet, aber dies war das erste Mal, dass Regisseur, DoP und Colorist gemeinsam an einem Spielfilm arbeiteten. »Die Zusammenarbeit war sehr dynamisch, weil der Regisseur eine sehr starke Vision für die visuelle Gestaltung hatte und seine Vorlieben manchmal mit der eher zurückhaltenden, naturalistischen Sensibilität der DoP und mir kollidierten«, erinnert sich Wieberg-Nielsen. »Während die Kamerafrau und ich anfangs zu einem weicheren, gedämpfteren Look tendierten, wollte der Regisseur sattere, lebhaftere Farben.«
»Diese unterschiedlichen Herangehensweisen führten zu einigen kreativen Reibereien in der Grading-Suite, aber letztendlich war es sehr produktiv.«
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Satte und natürliche Farben im Gleichgewicht
Die größte Herausforderung für Wieberg-Nielsen bestand darin, die Vorliebe des Regisseurs für kräftige Farben zu integrieren und gleichzeitig die Natürlichkeit des Films beizubehalten, die zu seiner intimen, von den Charakteren geprägten Erzählung passt.
»Die leuchtenden Farben mussten sich nahtlos in den Realismus des Films einfügen«, erklärt Wieberg-Nielsen. »Dieses Gleichgewicht zu finden, war eine Herausforderung, führte aber letztendlich zu einem viel stärkeren endgültigen Look.«

»Durch vorsichtige Anpassungen haben wir einen Weg gefunden, die Weichheit und Wärme, die die Ästhetik des Films ausmachen, beizubehalten und gleichzeitig die ausdrucksstarke Farbwahl zu berücksichtigen, die der Regisseur wollte«, sagt Wieberg-Nielsen. »Dieser Balanceakt ermöglichte es uns, einen Look zu finden, mit dem wir alle zufrieden waren – einen Look, der die Weichheit und Wärme, die die DoP und ich anstrebten, beibehielt und gleichzeitig die satteren Farben, die der Regisseur wollte, mit einbezog.«

Um dieses Ziel zu erreichen, nutzte Wieberg-Nielsen, der seit seinem Wechsel zu Storyline Studios im Jahr 2018 mit Baselight arbeitet, mehrere Tools von Baselight 6.
»Chromogen war für den kontrollierten Umgang mit den kräftigen Farben des Films unerlässlich«, sagt er. »Es half dabei, einen natürlichen Sättigungs-Roll-Off zu erzeugen, der sicherstellte, dass die Lichter eine weiche, filmische Entsättigung erhielten, während die satten Farben in den Mitteltönen und Schatten erhalten blieben.«
»Ich habe X Grade auch ausgiebig für den Abgleich zwischen den einzelnen Aufnahmen verwendet, insbesondere wenn sich die Farben in unerwünschte Richtungen verschoben haben«, fügt Wieberg-Nielsen hinzu.
Szene auf der Treppe
Eine weitere technische Herausforderung war eine Sequenz, die auf einer Außentreppe spielt. Die Establishing Shots der Treppe wurden bei starkem Nebel gefilmt, spätere Aufnahmen der gleichen Szene – zu einem anderen Zeitpunkt gedreht – waren jedoch völlig nebelfrei.
»Um die Konsistenz aufrechtzuerhalten, haben wir in Baselight Depth Maps verwendet, um den Kontrast subtil zu verringern und dem Hintergrund in den späteren Aufnahmen einen Hauch von Diffusion hinzuzufügen, um einen sanfteren Übergang zwischen dem nebligen und dem klaren Filmmaterial zu schaffen«, sagt Wieberg-Nielsen.
Voiceover
Da der Film stark von Voiceover geprägt ist, war es für Wieberg-Nielsen auch wichtig, dass der Look kein Gefühl der Abgehobenheit erzeugt.

»Voiceover als Erzählmittel kann manchmal dazu führen, dass sich der Zuschauer von der Geschichte des Films distanziert fühlt, also mussten wir dem entgegenwirken, indem wir die Bilder intim und geerdet hielten«, erklärt Wieberg-Nielsen. »Der extensive Einsatz von Voiceover ist ein ziemliches Experiment, und wir mussten ein Gegengewicht dazu schaffen, indem wir die Zuschauer näher an die Figuren heranführten.
»Das bedeutete, dass die Farben nicht künstlich wirken durften – alles musste sich echt anfühlen, aber dennoch die Weichheit und Wärme bewahren, die die Ästhetik des Films ausmachen.
Texturen
Auch Texturen spielten in diesem Film eine wichtige Rolle. Das Production Design enthielt viel Wolle, weiche Textilien und gemütliche, warme Innenräume, und die Farbabstufung musste dies ergänzen, indem sie den Look sanft und stimmungsvoll hielt.

»Ein gutes Beispiel ist die Szene in der Wohnung der Lehrerin, in der die warme Beleuchtung und das weiche Produktionsdesign eine starke, intime Atmosphäre schaffen«, sagt Wieberg-Nielsen. »Der Grading-Prozess konzentrierte sich darauf, diese Wärme zu erhalten, ohne sie zu neutralisieren.«
Herausforderungen bei der Laserprojektion
Wieberg-Nielsen und sein Team sahen sich auch mit einer unerwarteten Herausforderung konfrontiert, als sie das endgültige DCP sowohl in der Xenon-Lamp- als auch in der RGB-Laserprojektion testen wollten.

»Wir bemerkten einen deutlichen Unterschied, da der RGB-Laser einen höheren Kontrast und eine höhere Schärfe aufwies, was sich auf den weichen Look des Films auswirkte«, erklärt Wieberg-Nielsen. »Um dies zu kompensieren, haben wir den Texture Equalizer in Baselight verwendet, um das Bild weicher zu machen, so dass der Film bei der Laserprojektion seine Weichheit behielt und gleichzeitig bei einer Projektion mit Xenon-Lampe akzeptabel war.«
Diese Erfahrung führte zu einer intensiven Recherche, wie sich verschiedene Projektionstechnologien auf die Farbwahrnehmung auswirken. Infolgedessen nahm Wieberg-Nielsen am Metamerismus-Expertentag im Dezember 2024 teil und war Mitautor eines Fachartikels zu diesem Thema für Imago.
»Für die Zukunft halte ich es für entscheidend, die finalen Gradings sowohl mit Xenon- als auch mit Laserprojektion zu testen, bevor sie abgeschlossen werden, um sicherzustellen, dass der Film in verschiedenen Betrachtungsumgebungen korrekt wiedergegeben wird«, sagt Wieberg-Nielsen.
Ein gewaltiges Unterfangen
»Es war eine fantastische und unwirkliche Erfahrung, an dieser Trilogie – ‚Sex‘, ‚Love‘ und ‚Dreams‘ – mitzuwirken«, sagt Wieberg-Nielsen. »Die Filme wurden nacheinander gedreht, und auch Produktion, Schnitt und Farbkorrekturen fanden nacheinander statt, was ein riesiges Unterfangen war.«
»Zu sehen, wie gut diese Filme aufgenommen wurden, war unglaublich befriedigend«, fügt er hinzu. »’Sex‘ wurde für die Panorama-Sektion der Berlinale 2024 ausgewählt, ‚Love‘ lief im Hauptwettbewerb der Filmfestspiele von Venedig, und ‚Dreams‘ gewann den Goldenen Bären der Berlinale 2025, was ein unglaublicher Meilenstein war. Es war eine Ehre, bei allen drei Filmen das Color Grading zu realisieren«, bilanziert Wieberg-Nielsen.