Film, Restaurierung, Technology, Top-Story: 07.02.2019

Wertvolles Filmmaterial digitalisiert: IWF-Filmarchiv

In Filmarchiven finden sich wahre Schätze, aber das Heben ist ein enormer administrativer wie auch technischer Aufwand. Nun wird das Archiv des IWF digitalisiert — von der Technischen Informationsbibliothek in Hannover in Zusammenarbeit mit Film-Digital.



Workflow-Aspekte

Von den Filmen des IWF-Archivs gibt es in der Regel mehrere Kopien. Üblicherweise wurde früher eine Kopie im Archiv abgelegt und zwei waren für den Verleih vorgesehen. »In einem ersten Schritt müssen wir daher immer prüfen, welche davon am besten erhalten ist – und die wird dann digitalisiert«, sagt Miriam Reiche, Restauratorin der TIB und Projektmitarbeiterin im Delft-Projekt. Dieser Prozess findet im Magazin der TIB statt. Dort prüft sie zusammen mit Mitarbeitern von Film-Digital die Filmkopien und die Tonbänder auf Kratzer, Schrumpfungen, Klebestellen, Risse und Perforationsschäden — teilweise mit Hilfe eines Filmprüfers. Die ausgewählten Filme werden außerdem noch gereinigt. »Interessanterweise ist es so, dass nicht immer die Archivkopie die beste ist, was man ja wegen der geringeren Beanspruchung erwarten würde, sondern manchmal auch die Verleihkopie« erläutert Miriam Reiche.

Filmarchiv, IVW
»Hier steht der Erhalt des Originals an erster Stelle«, erklärt Ulrike Schmidt.

Im nächsten Schritt geht es dann an die Digitalisierung. »Hier steht der Erhalt des Originals an erster Stelle«, erklärt Ulrike Schmidt. Das bedeutet, dass der Film natürlich nicht beschädigt werden darf, aber auch kein Color Grading und keine Retusche stattfinden dürfen. »Jede Manipulation ist unerwünscht, man versucht lediglich, bei der Digitalisierung einen möglichst großen Kontrastumfang zu erzielen«, so Ulrike Schmidt. Auf alles andere, etwa das Retuschieren von Kratzern, werde ganz bewusst verzichtet.

Filmarchiv, IVW, Overscan
Auch die Perforationslöcher können Infos zum Zustand des Originalmaterials geben.

Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass das komplette Material im Overscan digitalisiert wird. Man sieht dann beispielsweise auch die Perforationslöcher, zumindest teilweise. Letztlich geht es darum, durch die Overscan-Digitalisierung mehr Bildinhalt zu bewahren. Damit löst man auch ein anderes Problem: Alte Filme sind oft nicht gerade, sondern leicht schief geschnitten, sodass der Bildrand wandern würde, wenn man nur das eigentliche Filmfenster scannen würde. Auch das spricht für die Overscan-Digitalisierung.

Filmarchiv, IVW, MWA Nova, Spinner S
Der Spinner S misst permanent die Schrumpfung und die Spannung des Films im Gate und kann darauf reagieren.

Ulrike Schmidt spricht noch ein weiteres Problem an: Durch den Alterungsprozess der Filme kann das Material schrumpfen, teilweise ist es auch wellig. Laufen solche Filme durch einen Scanner, verändert sich bei manchen Geräten der Abstand des Films zur Kamera. Die Folge: der Fokus stimmt dann nicht mehr an jeder Stelle der Digitalisierung. Hier profitiert Film-Digital vom Spinner S, denn der misst permanent die Schrumpfung und die Spannung des Films im Gate lässt sich auf dieser Basis anpassen. So lassen sich unscharfe Digitalisierungen vermeiden.

Skripte steuern die Weiterverarbeitung

Bei der Digitalisierung von Filmarchiven wird vermieden, dass Softwares Einfluss aufs Bild haben könnten. »Wir arbeiten nach dem Scanprozess aus diesem Grund mit Skripten, die so programmiert wurden, dass sie aus den einzelnen, gescannten DPX-Files ein sogenanntes Matroska-File erstellen«, erklärt Ulrike Schmidt. In den Matroska-Containern stehen alle Informationen komprimiert, aber ohne Verlust zur Verfügung. Beliebig viele Tonspuren und weitere Informationen wie Untertitel können problemlos eingebunden werden.

Filmarchiv, IVW, MWA Nova, Spinner S
Der Spinner S ist das Eingabegerät, das Inhalte und Zusatzinfos in die Files fließen lässt.

Matroska wurde in der Archivszene entwickelt und ist speziell für diesen Bereich optimiert. »Bei uns werden aus diesen Files dann per Skript noch H.264/H.265-Kopien gerendert, die im Anschluss für Previews des Materials genutzt werden können«, sagt Ulrike Schmidt.

Am Ende speichert Film-Digital die Daten auf Samsung-SSDs und übergibt diese in regelmäßigen Abständen an den Auftraggeber. »Das Material befindet sich höchstens zwei Wochen bei uns im Haus und landet dann wieder im Archiv«, berichtet Ulrike Schmidt.

Resümee
Filmarchiv, IVW, MWA Nova, Spinner S
Auch beschädigte Filmrollen werden mit dem Abtaster schonend verarbeitet, erklärt Ulrike Schmidt.

»Nach mehr als 200 Stunden 16-mm-Material gab es bisher bei uns noch keinen einzigen Filmriss im Scanner. Auch geschrumpfte Filme oder solche, die durch das Essigsäure-Syndrom stark gewellt und verdreht sind, lassen sich mit ein paar Tricks immer noch gut digitalisieren. Die Metadaten in der XML-Datei geben zudem Auskunft über Scannereinstellungen und Eigenschaften des Materials, sodass man immer nachvollziehen kann, was beim Scan vor sich ging«, bilanziert Ulrike Schmidt.

Filmarchiv, IVW, MWA Nova, Spinner S
Bisher gab es bei Film-Digital keinen einzigen Filmriss im Scanner.

Bis das Projekt tatsächlich abgeschlossen ist, werden aber noch etliche Filmrollen durch den Scanner bei Film-Digital laufen. Nach aktuellem Stand wird das Filmarchiv des IWF bis September 2019 vollständig digitalisiert sein. Dann soll es über das AV-Portal der TIB online zugänglich gemacht werden – und könnte sich auch für Filmproduzenten zu einer wertvollen Bildquelle entwickeln.

Seite 1: IWF, TIB, Standards für Digitalisierung von Archiven
Seite 2: Technik bei Film-Digital, Spinner S
Seite 3: Workflows und Anforderungen

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