Branche, Top-Story: 09.11.1999

Der MPEG-2-Fahrplan von Sony

Sony setzt in Europa auf MPEG-2 mit 50 Mbps. Aber wann werden welche Produkte kommen? Welche längerfristigen Pläne gibt es? Jürgen Burghardt, Sony-Marketingleiter Broadcast & Production, verrät im Interview mit www.film-tv-video.de weitere Details.

B_IZIN_1199_Burghardt2Jürgen Burghardt, Sony

Im folgenden ein Auszug aus dem Interview mit Jürgen Burghardt. Den vollen Wortlaut können Sie lesen, wenn sie am Ende des Dokuments auf den PDF-Button klicken und sich das Interview als PDF-File herunterladen.

www.film-tv-video.de:
Während der IBC ’99 gaben Sony und der WDR den Abschluss eines Vertrags bekannt. Demnach wird der WDR seine Produktionstechnik in den kommenden Jahren schrittweise auf MPEG-2-Technologie umstellen. Über die Hintergründe und Auswirkungen dieser Entscheidung wurde seither viel spekuliert. Beschreiben Sie uns doch aus Ihrer Sicht, wie es zu diesem Vertrag kam und wie Sie die Reaktion des deutschen Marktes auf diesen Deal wahrnehmen.

Jürgen Burghardt:
Das Interesse war natürlich sehr groß, und wir sind von etlichen unserer Kunden darauf angesprochen worden. Viele nahmen die Entscheidung sehr positiv auf, aber es gab auch kritische Stimmen, die beispielsweise sagten, »was für den WDR gilt, gilt noch lange nicht für andere.« Das sehen wir bei Sony nicht anders, es gibt ja Sender, die gerade erst investiert haben, und für die stellt sich die Frage nach einer Formatentscheidung oder einem –wechsel nicht. Aber es gibt andere, die gerade im Entscheidungsprozess sind, und auf diese hat unser Vertrag mit dem WDR sicher eine positive Auswirkung.

www.film-tv-video.de:
Mit positiv meinen Sie natürlich, dass sich diese Kunden nun eher für Ihr Equipment und für die MPEG-50-Mbps-Strategie entscheiden, als für Produkte und Strategien der Konkurrenz.

Jürgen Burghardt:
Selbstverständlich sehen wir es positiv, wenn sich ein Kunde für unsere Technologie und unsere Produkte entscheidet. Dennoch analysieren wir eine Infrastruktur immer sehr genau an und beraten unsere Kunden übergreifend. Wir sehen DV und MPEG nicht als konkurrierende Technologien, wenigstens nicht in dem Sinne, wie es immer gerne dargestellt wird.

www.film-tv-video.de:
Sony bietet ja schließlich mit DVCAM, Betacam SX und MPEG-50 auch Produkte in beiden Kompressions-Standards an.

Jürgen Burghardt:
Unserer Meinung nach haben beide Technologien ihre Daseinsberechtigung. Man muss sich eine Infrastruktur immer genau ansehen und dann entscheiden, welche Technologie in dem jeweiligen Umfeld sinnvoll ist.
Aber wenn sich ein großer Kunde wie der WDR für eine Technologie und für ein Produkt entscheidet, werden dadurch natürlich auch die Entscheidungen vieler anderer Kunden beeinflusst und in eine bestimmte Richtung gelenkt.
Beim WDR hatten wir den Vorteil, dass wir für die vorhandenen SP-Aufnahmen aus dem Archiv einen Migrationspfad anbieten können. Im EB-Bereich ist es ja sogar heute noch so, dass über 75 % der Aufnahmen auf SP produziert werden, und vor diesem Hintergrund war die Abwärtskompatibilität ein wichtiger Entscheidungsfaktor.

www.film-tv-video.de:
Aber an konkreten Produkten mangelt es noch. Das MPEG-50-Angebot von Sony umfasst doch derzeit nur ein einziges Recorder-Modell, das auf den Messen gezeigt wird. Letztlich hat der WDR einen MPEG-Camcorder geordert, den es ja eigentlich noch gar nicht gibt — zumindest war er auf den Messen noch nicht zu sehen.

Jürgen Burghardt:
Ein Kunde wie der WDR kauft keine Katze im Sack: Natürlich haben wir dem WDR schon funktionierende Geräte gezeigt. Aber es ist auch klar, dass Welten dazwischen liegen, ein Gerät in seinen Grundlagen zu entwickeln und es dann zur Serienreife zu bringen. Dabei spielen Dinge wie Entwicklungs- und Herstellungskapazitäten eine Rolle, und das alles zu berücksichtigen, ist nicht immer ganz einfach. Deshalb war auf den Messen vielleicht noch nicht so viel zu sehen, wie mancher erwartet hatte.

Downloads zum Artikel:

T_IZIN_1199_JBurghardt.pdf