Branche, Top-Story: 09.05.2002

Quo vadis Media AG?

Die Media AG musste in jüngster Zeit ein dickes Halbjahres-Minus von 12,8 Millionen Euro verkraften. Weil auch der Hauptanteilseigner Distefora in der Vergangenheit einen wechselhaften Kurs steuerte, machen derzeit wilde Gerüchte über die Zukunft des Unternehmens die Runde. www.film-tv-video.de sprach mit dem Media-AG-Finanzvorstand Karl-Heinz Kragler und mit Gerhard Baier, Director Production Services, über die generelle Lage und die Situation im HD-Bereich.

Wie konnte die Media AG, die als leistungsfähiges, ertragreiches Unternehmen galt, in solche finanzielle Bedrängnis geraten? (Siehe auch ältere Meldung hierzu.)

 

Karl-Heinz Kragler ist seit Mitte Februar 2001 Mitglied des Vorstands der Media AG und wurde Mitte September 2001 zum Finanzvorstand berufen. Er analysiert im Rückblick: »Die Media AG ging im Jahr 1999 an den Neuen Markt. Im damaligen Umfeld wurde von den Analysten, den Anlegern, der financial community insgesamt, zwingend ein Umsatzwachstum erwartet. Darauf hat sich die Unternehmensleitung konzentriert und diese Ziele mit in der Spitze 51,5 Millionen Euro Umsatz pro Geschäftsjahr zum 30. 6. 2001 auch sehr gut erreicht. Bei diesem Fokus auf den Umsatz haben allerdings eine ganze Reihe von operativen Steuerungsmechanismen im Haus nicht Schritt gehalten. Die Ressourcen-Steuerung, Anlagen- und Finanz-Buchhaltung hinkten dieser Entwicklung hinter her.«

Große Umsätze, große Projekte, starkes Personalwachstum auf der einen aber wie bei vielen rasch expandierenden Unternehmen eine mangelnde Integration der einzelnen Bereiche auf der anderen Seite waren also letztlich aus heutiger Sicht ursächlich für die späteren Verluste. Wegen administrativer Defizite wurde die tatsächliche Situation des Unternehmens zudem erst spät erkannt. Außerdem geriet, zumindest aus der Außensicht, das Kerngeschäft des medientechnologischen Dienstleisters Media AG aus dem Fokus und mit neuen oder stärker forcierten Bereichen wie der Auftragsfilmproduktion wurden zusätzliche Verluste angehäuft.

»Der deutliche Verlust, der letztlich für die Media AG dabei heraus kam, traf das Gründungs-Management in der Höhe und in der Sache teilweise überraschend,« erläutert Finanzvorstand Kragler. Auf der Basis eines dann unverzüglich erstellten Sanierungsgutachtens begann die Media AG laut Karl-Heinz Kragler, aus eigener Kraft mit einem Umbau und einer Refokussierung des Unternehmens: Das Kerngeschäft, also der klassische Verleih- und Dienstleistungsbereich ist demnach gesund und auch umsatz- und ertragsstark. Die Verluste resultieren aus Randbereichen des Unternehmens und aus Kosten, die aus heutiger Sicht unnötig und vermeidbar waren. Kragler: »Das Gutachten testierte dem Unternehmen eine positive Fortbestehungsprognose. Das professionell unterlegte Sanierungskonzept setzen wir nun konsequent um.«

Um die Versäumnisse im administrativen Bereich aufzuholen, ist natürlich weiteres Geld notwendig, das zumindest kurzfristig die möglichen Erträge der Media AG übersteigt. Deshalb ist es wichtig, wie die Kunden und die Banken zum Unternehmen stehen.

Dazu resümiert Karl-Heinz Kragler: »Dass die Banken die entstandene Situation nicht prickelnd fanden und uns ab Oktober 2001 kritische Fragen stellten, ist klar. Diese Fragen konnten wir gleichwohl zur Zufriedenheit beantworten und wir haben mit unseren vier Hausbanken geregelte finanzielle Verhältnisse. Die Pool-Banken unterstützen die Sanierungsbemühungen beim Kerngeschäft und beurteilen es positiv. Wir erhalten über die ursprünglich zugesagte Kreditlinie hinaus noch zusätzlich notwendiges Geld. Wir bewegen uns also in gesicherten finanziellen Zuständen und haben zudem das Vertrauen der Agenturen und der Großkunden, die im übrigen stets mit unverminderter Leistungsdichte und Qualität bedient wurden und werden.«

Veränderungen gab es im Management, in der Anteilseigner-Struktur und in der Organisation der Media AG. Das Unternehmen ist nun vertikal in drei Bereiche gegliedert: Events, Produktion und Festinstallation. Von Beteiligungen, die außerhalb des damit neu definierten Kerngeschäfts liegen, hat sich die Media AG getrennt.

»Die Refokussierung und Umstrukturierung des Unternehmens ist beschlossen, ist umgesetzt in einer Aufbau- und Ablauforganisation und ist bis auf einige unvermeidliche Fein-Tuning-Arbeiten abgeschlossen,« sagt Finanzvorstand Kragler, will aber nicht ausschließen, dass in einigen Bereichen noch weitere, aus Unternehmenssicht unvermeidliche Entlassungen erfolgen könnten.
Zur Rolle des Hauptanteilseigners Distefora innerhalb des Umstrukturierungsprozesses weist Karl-Heinz Kragler auf die Aussagen des Aufsichtsratsvorsitzenden und Distefora-Mehrheitsaktionärs Patrick Hofmann hin. Demnach will Distefora selbst die Unternehmensbereiche Mobile und Navigation verkaufen und sich künftig voll auf den dann noch verbleibenden Bereich Media konzentrieren. Der umfasst derzeit im wesentlichen die Firmen AVT, Protec und eben 45 % der Media AG.

Karl-Heinz Kragler sieht diese Entwicklung sehr positiv: »Distefora AVT und Distefora Protec passen optimal mit dem Kerngeschäft der Media AG zusammen. AVT und die Media AG sollen wesentlich enger miteinander verbunden werden. Andreas Raddatz, der Gründer und Geschäftsführer der AVT, ist seit dem 1.5. 2002 mein Vorstandskollege bei der Media AG, zuständig für die Bereiche Vertrieb und operative Unternehmenssteuerung.« (Siehe auch Personalie hierzu.)

Die Media AG als Spielball von Börsenspekulanten zu sehen, ist aus Kraglers Sicht völlig falsch: »Das Beteiligungskonzept der Distefora ist ganz klar langfristig und strategisch angelegt, es handelt sich um einen industriellen Investor, nicht um einen Finanzinvestor.«

Wie wirkt sich die Umstrukturierung ganz konkret in einem Bereich aus, in dem die Media AG sich in den vergangenen Jahren stark profiliert und wo sie auch investiert hat: beim Thema HD-Produktion?

Dazu sagt Gerhard Baier, Director Production Services: »Der Produktionsmarkt unterliegt wie viele andere Geschäftsbereiche auch gewissen Zyklen. Im letzten Halbjahr war dieser Marktbereich insgesamt etwas rückläufig, aber es zeigt sich schon jetzt eine positive Tendenz. Fast völlig abgekoppelt davon verhält sich der HD-Markt: In Nordamerika investieren jetzt die Rental-Häuser verstärkt in HD-Technik, die Produktionen ziehen wieder an.«

Und wie sieht es im HD-Bereich konkret für die Media AG aus? »Wir haben in unserem EB-HD-Bereich derzeit eine Vollauslastung. Das Equipment wird eingesetzt für Werbung, Features und kleinere Produktionen mit geplanter Kinoauswertung. Außerdem liegen erste Anfragen bei uns vor, auch hier in Deutschland HD-Fernsehproduktionen zu realisieren, wie das in England und den USA schon gemacht wird. Wir haben ganz konkrete Anfragen für eine deutsche TV-Serie.«

Teilweise wurde das HD-Investment der Media AG im Markt kritisch bewertet, dafür sieht Karl-Heinz Kragler keinerlei Grund: »Gerhard Baier hat die aktuelle, positive Entwicklung in diesem Bereich vorausgesehen und sich im Haus für die Investitions-Entscheidungen in dieser Richtung stark gemacht. Nun sind wir froh, dass wir über dieses Equipment und die Erfahrungen damit verfügen.«

Zum HD-Markt in Deutschland sagt Baier: »Ich bin sicher, dass der deutsche Markt in der HD-Produktion weiter anziehen wird. Das liegt auch daran, dass nun viel mehr Produkte verfügbar sind, die am einen Ende noch mehr Qualität bieten und am anderen Ende hohe Kostenoptimierung ermöglichen. Wenn ich etwa von vornherein weiß, ich gehe in die TV-Verwertung, kann ich heute bei hierfür optimaler Qualität wesentlich kostengünstiger produzieren, als noch vor einem halben Jahr.«

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