Branche: 16.09.2003

IBC2003: Allgemeine Trends im Camcorder-Bereich werden deutlich

Die Top-Camcorder-Neuheiten auf Optical-Disc- und Speicherchip-Basis von Sony und Panasonic geben nur einen Teil der Marktrealität und der zukünftigen Entwicklungen bei Camcordern und Kameras wieder. Die IBC2003 bestätigt die aktuellen Trends.

Wenn es im Profibereich überhaupt einen Generaltrend, eine allgemeine Entwicklungslinie bei den Camcordern und Kameras gibt, dann ist es wohl die in Richtung immer weiterer Marktfragmentierung: Es ist schon jetzt absehbar, dass es noch mehr verschiedene Gerätetypen und Formate geben wird, als derzeit schon im Markt sind. Dabei wird das Speichermedium selbst immer unwichtiger, es geht um Datenformate. Metadaten, also »Daten über die Daten« spielen ein wachsende Rolle, noch stärker als bisher fließen IT-Technologien ein.

Ein erster Schritt, der klar in diese Richtung zeigt: Bei der nächsten Generation von Camcordern setzt Panasonic auf Speicherchips (P2-Produktlinie), Sony auf seine mit Blu-Ray verwandte, aber damit inkompatible »Professional Disc« (XDCAM-Produktlinie), JVC und Ikegami bevorzugen Festplatten.

Die Aufsplitterung zeigt sich aber nicht nur hier, sondern auch, wenn man den professionellen Markt in seiner ganzen Breite betrachtet: Am technologisch und von der Bildqualität her betrachtet unteren Ende der Profipalette, dort, wo es um tagesaktuelles Bildmaterial in PAL-Auflösung geht, kannibalisiert der Consumer-Markt immer stärker den Profibereich. Die immer höhere Bildqualität von kleinen 3-CCD-DV-Camcordern reicht hier in vielen Fällen völlig aus. So hat etwa der britische Vorzeige-Broadcaster BBC mehr als 150 DCR-VX2000 von Sony im Gebrauch und noch mehr Einheiten von dessen Profi-Variante DSR-PD150 (einen Test dieser Geräte finden Sie hier).

Die Konkurrenz vom unteren Marktende bringt generell die Preise nach unten. Dieses Marktsegment ist für die Profiabteilungen der Hersteller ein aus vielen Perspektiven zweischneidiges Schwert: Einerseits sind die Margen relativ niedrig, andererseits locken höhere Produktionsvolumen. Eigentlich lohnt es sich nicht wirklich, für diesen Markt spezielle Geräte zu entwickeln, andererseits wäre es dumm, den Bedarf nach einigen professionellen Features verpuffen zu lassen, der bei den Anwendern auch in diesem Marktbereich vorhanden ist. Wenn die preisgünstigen, kompakten Camcorder aber zu gut werden, stören sie den Verkauf teurerer Geräte. In diesem Spannungsfeld ist der AG-DVX100 von Panasonic entstanden (einen Test dieses Camcorders finden Sie hier) und auch die abgespeckte Version AG-DVX80. Auch Sony legt ganz aktuell zur IBC2003 mit einer überarbeiteten Version des DSR-PD150 nach, dem DSR-PD170.

Schon jetzt ist bei den Schulter-Camcordern in diesem Marktsegment der Fall eingetreten, dass die Preise für den Camcorder selbst in einem Missverhältnis zum Preis des Objektivs stehen. Auch das illustriert ein grundlegendes Problem dieses Marktbereichs, auf das die Profiabteilungen der Hersteller noch eine passende Antwort finden müssen. Die nächste Generation von Camcordern für diesen Markt dürfte von der Bildwandlerseite her im wesentlichen wohl dem entsprechen, was man bisher schon kennt, nur wird eben statt einer Kassette eine Scheibe oder ein Speicherchip eingelegt. Das bringt noch einmal Handling-Vorteile und erlaubt schnelleres Arbeiten.

Im Broadcaster-Bereich, dort, wo in Deutschland IMX und DVCPRO50 zum Einsatz kommen, hat der nächste Schritt spätestens mir der IBC2003 begonnen: XDCAM von Sony ist fertig und lieferbar, P2 von Panasonic soll zur NAB2003 folgen. Der logische Schritt zu neuen Speichermedien wird nun vollzogen.

Der größere Einschnitt erfolgt aber danach: Eine große Zukunft für professionelle Entwicklungen gibt es im SD-Markt nämlich nicht mehr in Kernbereichen, wie etwa bei den Bildwandlern, sondern eigentlich nur noch in Randzonen. So könnten etwa News-Camcorder künftig mit Wireless-LAN-ähnlichem Zubehör oder mit integrierter UMTS-Funktionalität ausgestattet sein, wodurch sich die gedrehten Bilder und Töne bei relativ niedrigem Mehraufwand schneller in die Sendezentrale und von dort On-Air bringen lassen.

Die wahre Zukunft der professionellen Camcorderentwicklung liegt aber klar im HD-Bereich. Das hochauflösende Fernsehen wird früher oder später auch in Europa Realität. Dann braucht man Camcorder mit höherer Auflösung und mit besseren Objektiven. In diesem Bereich wird sich dann die Entwicklung spiegeln, die in den vergangenen zehn Jahren im Profibereich stattfand, nur eben mit höheren Auflösungen, höheren Datenraten und eher IT-orientiert. Natürlich werden auch hier Festspeicher- und Disc-Technologien eine Rolle spielen, das Band hat in der Akquisition, also bei den Camcordern, auch im HD-Bereich keine große Zukunft mehr vor sich.

Neben der Aufsplitterung lässt sich also auch eine zunehmende Polarisierung feststellen, die schon längst begonnen hat. Das Interesse richtet sich auf die beiden Enden der Profipalette: Das ist DV und hier besonders das untere Ende der Profipalette, wo sich Canons XL-1, Sonys DCR-VX2000 und DSR-PD150 sowie Panasonics AG-DVX1000 tummeln. Zweiter Interessensfokus ist der HD-Bereich. Alles was dazwischen liegt, also fast der gesamte klassische SD-Camcorderbereich, den die Hersteller wegen der ordentlichen Stückzahlen und guten Margen jahrelang hätschelten, läuft europaweit betrachtet lang nicht mehr so gut wie früher. In Deutschland sieht das Bild (noch) etwas anders aus, weil hier die TV-Sender weiterhin auf höherwertige Camcorder im IMX– und DVCPRO50-Format setzen.

Eine neue Einflußgröße kommt mit dem HDV-Format in den Markt (mehr Infos zu HDV finden Sie hier): Die Fusion von HD und DV-Technologie ermöglicht relativ preisgünstige HD-Camcorder, verbindet also in gewisser Weise den Trend zu DV mit dem zu HD. Das hat JVC erkannt und prescht schon jetzt mit einem entsprechenden Camcorder vor, noch bevor das HDV-Format offiziell verabschiedet ist. Europäische Broadcaster werden wohl zumindest vorerst nicht auf dieses Format zugreifen, aber für »Independent Filmmakers« könnte es durchaus interessant sein.

Jenseits des HD-Marktes geht es ebenfalls weiter: Im Spielfilmbereich und in der Werbung ist 35-mm-Film immer noch das Maß der Dinge. In kleinem, wachsendem Umfang wird dort zwar auch HD-Equipment eingesetzt, das wird aber meist als Kompromiss betrachtet, man verlangt hier nämlich meistens noch höhere Bildqualität, als HD sie überhaupt bieten kann.

Erste Entwicklungen für diesen kleinen aber zahlungskräftigen Markt gibt es schon: Thomson und der bisher in diesem Markt unbekannte Chiphersteller Dalsa haben Kameras im Programm, die mit höherer Auflösung und mit anderen Datenformaten als im Videobereich arbeiten, nämlich mit denen, die in der digitalen Postproduktion von Spielfilmen und Werbung üblich sind. Nun kommt mit Arri ein renommierter Filmkamerahersteller dazu, der mit einer passenden Kamera im Rahmen seines D20-Projekts seine Digital-Film-Kette schließen will, die auch einen Scanner und einen Laser-Filmbelichter mit CMOS-Bildwandler umfasst.

4K lautet das Schlagwort: Ab einer Auflösung von 4.000 Pixeln in horizontaler Richtung sind digitale Bilder dem ebenbürtig, was man üblicherweise an Bildqualität aus dem Kino kennt. Üblich sind dabei 4.000 x 2.200 also 8,8 Millionen Bildpunkte und das 24 mal in der Sekunde.

Wie wird in diesem High-End-Bereich gespeichert? Derzeit wird mit Festplatten und mit RAM-Recordern gearbeitet, mit Sicherheit darf man davon ausgehen, dass Speicherchips hier in Zukunft eine große Rolle spielen werden.