Unternehmen: 04.04.2005

Autodesk/Discreet präsentiert Toxik

Was länge währt, wird endlich wahr: Unter dem neuen Firmennamen Autodesk Media and Entertainment präsentiert Discreet die neue Postproduction-Software Toxik. Die Grundlagen dieses Systems zeigte Discreet als Zukunftsvision erstmals vor drei Jahren, hinter verschlossenen Türen und unter anderen Code-Namen. Seither war es ausgewählten Kunden in verschiedenen Stadien in »Whisper-Suites« gezeigt worden.

Als Discreet (nun umbenannt in Autodesk Media and Entertainment) vor drei Jahren unter den Codenamen Mezzo und Strata die Vorläufer von Toxik zeigte, stand dabei in erster Linie der Plattformwechsel von SGI hin zur Windows-Plattform im Mittelpunkt der Diskussionen. Man erwartete, dass Discreet seine High-End-Systeme auf die günstigere Wintel-Plattform portieren und somit auch preisgünstigere Systeme anbieten würde.

Schon damals zeichnete sich allerdings ab, dass dieser Wechsel für den Hersteller ein schwieriges Unterfangen werden würde – schließlich beruht das Discreet-Renommee auf den High-End-Systemen und die tragen nach wie vor wesentlich zum Umsatz bei.

So verwundert es kaum, dass die Informationen spärlich flossen: Was sich so ganz genau hinter Mezzo und Strata verbarg, blieb bei der ersten Vorstellung daher ziemlich unklar. Discreet beschrieb Strata als nonlineare 3D-Produktionsumgebung, die 2D- und 3D zusammenbringen sollte und Mezzo als leistungsfähige neue Server-Architektur. Es folgten Jahre intensiver Diskussionen und Entwicklungen, die in Toxik mündeten, ein System von dessen baldiger Markteinführung schon rund 18 Monate gemunkelt wird. Nun stellte Discreet unter seinem neuen Firmennamen Autodesk Media and Entertainment die »kollaborative Compositing-Software zur Erzeugung digitaler visueller Effekte« offiziell vor. Was bedeutet diese Umschreibung?

Im Fokus: Kollaborativer Workflow
Um es plakativ zu formulieren: Toxik ist für Firmen konzipiert, die visuelle Effekte produzieren, dabei mit großen Teams an umfangreichen Projekten arbeiten und bei der Verwaltung des Materials komplexe Abläufe berwältigen müssen, die effektiv und sinnvoll gesteuert werden sollen. »Toxik definiert die Art und Weise, in der visuelle Effekte erzeugt, verwaltet und ausgetauscht werden, völlig neu«, lässt der Hersteller wissen. Das Managen digitaler Daten werde bei den meisten aktuellen Projekten immer wichtiger, dieser Aspekt eines Projekts entscheide letztlich darüber, wie schnell und effektiv ein Unternehmen arbeiten könne. Genau hierfür sei Toxik optimiert, teilt Autodesk mit.

Beim Digital Data Management sieht sich Autodesk Media and Entertainment gegenüber anderen Firmen im Vorteil, weil man dank der Mutterfirma Autodesk auf Technologien zurückgreifen könne, die sich in anderen Industriezweigen bewährt hätten und dort längst etabliert seien. So sei es etwa beim Einsatz von Autodesks AutoCad keine Seltenheit, dass mehrere Hundert Architekten und Planer parallel an den Entwürfen eines Gebäudes arbeiteten. Die Autodesk-Software AutoCad biete daher schon jetzt entsprechende Tools, die diese Zusammenarbeit, diese »kollaborativen« Abläufe überhaupt erst möglich machten.

Nach Einschätzung von Autodesk fehlte bis dato ein Produkt, dass diese kollaborativen Abläufe auch in der Medienindustrie erlaubte. Das soll mit Toxik anders werden: Es soll die komplexen Abläufe bei größeren Visual-Effects-Projekten steuern, zeitintensive Datenverwaltungsaufgaben automatisieren und so die VFX-Arbeit an großen Projekten erleichtern.

Toxik: Eckdaten
Autodesk Media and Entertainment will Toxik zwischen Combustion am einen und den High-End-Systemen am anderen Ende ansiedeln – gewissermaßen als »Enterprise-Lösung«, die modular konzipiert ist und sich daher sehr flexibel einsetzen lässt.

Die Software ist in der ersten Stufe auf die Windows-XP-Plattform zugeschnitten und soll später auch für Linux verfügbar sein. Auf lange Sicht plant Discreet/Autodesk nach eigenen Angaben, Toxik in Form verschiedener Module an zu bieten, die sich auf Wunsch auch nur für bestimmte Zeiträume lizensieren lassen.

Die wichtigsten Funktionen und Merkmale der Toxik-Software im Überblick:
– Compositing-Tools: Toxik bietet eine Vielzahl an Compositing-Tools, unter anderem für Tracking, Keying, HDRI und Standardfarbkorrektur, sowie Rotoscoping.
– 3D-Compositing: Das Modul »Reaction« soll leistungsfähiges 3D-Compositing ermöglichen und sich besonders für Jobs mit vergleichsweise einfachen Modellen, aber anspruchsvollen Texturen eignen.
– Verbesserte Abläufe: Mehrere Nutzer sollen gleichzeitigen Zugriff auf zentralisierte Medien- und Metadaten erhalten. Ein leistungsfähiges »Versioning« soll die Kommunikation zwischen einzelnen Abteilungen erleichtern und helfen, dass dem jeweiligen Artist tatsächlich immer die aktuellste Version seines Clips vorliegt und er automatisch darüber informiert wird, wenn ein Anderer an einer noch neueren Version arbeitet oder die aktuelle ändert.
– Ultra-hochauflösende Interaktion: Selbst Bilder hoher Auflösungen (4K, 8K, selbst 21K+) sollen sich mit Toxik schnell und flüssig handhaben lassen.
– Leistungsstarker Software-Renderer: »Suave« ist laut Autodesk ein hochwertiger HDRI-fähiger 32-Bit-Float-Software-Renderer, der innerhalb der Reaction-Umgebung zur Verfügung steht und sich für komplexere Jobs eignet. Ein Hardware-Renderer steht ebenfalls zur Verfügung.
– Touch UI: Dahinter verbirgt sich eine optimierte Benutzeroberfläche, die es dem Artist ermöglichen soll, sich auf seine kreativen Aufgaben zu konzentrieren. So soll auch bei der Arbeit mit komplexen Compositing- und 3D-Softwares vermieden werden, dass der Artist zu viel Zeit damit verbringt, Fenster zu öffnen, zu verschieben und später wieder zu schließen, die er gerade braucht. Die neu gestaltete Oberfläche soll dieses Problem lösen.
– HDRI: Toxik basiert auf einem HDRI-Kern (Ultra-High Resolution Interaction und High Dynamic Range Imagery). Die HDRI-Funktionalität von Toxik ermöglicht es demnach, den Dynamikumfang von High Dynamic Range Images (HDRI) über den kompletten Bearbeitungsprozess zu erhalten. Dafür sorgt die stark optimierte 32-Bit-Float- und 16-Bit-Half-Float HDR-Bearbeitungs-Pipeline von Toxik. Discreet/Autodesk geht davon aus, dass 2D-und 3D-Departments dank dieser Funktionalität besser zusammen arbeiten können, weil man sich bei der Aufzeichnung nicht mehr unbedingt auf die Blende konzentrieren müsse und sich Bilder in puncto Look nachträglich in jede gewünschte Richtung trimmen ließen.
– Prozedurales Compositing: Das auf Knoten basierende prozedurale Compositing-System bietet erweiterte Animationsmöglichkeiten.
– Software-Architektur: Die modulare Software-Architektur bietet laut Hersteller umfassende API- und volle Python-Skript-Fähigkeiten. Das bedeutet, dass sich im Prinzip alle Funktionen, die Toxik bietet, via Skripting auch automatisieren lassen. Das Schreiben von Skripten und Anpassen der Software an spezielle Arbeitsabläufe soll künftig die Professional-Services-Unit bei Autodesk anbieten. Über Skripte innerhlb von Toxik sollen sich auch Produkte anderer Hersteller einbinden lassen.

Konfiguration, Preise und Verfügbarkeit
Toxik wurde für die Windows-XP-Plattform entwickelt und ist für den Einsatz mit Grafikkarten der Nvidia-Quadro-FX-Serie optimiert. Eine Version für Linux ist ebenfalls in Planung. Der Nettopreis von Toxik soll in Europa unterhalb von 10.000 Euro pro Arbeitsplatz liegen. Vermarktet wird das Produkt via Internet.

Stimmen von Beta-Testern
Bei der Entwicklung von Toxik holte Autodesk das Feedback von 28 Beta-Testern ein, darunter Weta Digital (Neuseeland), Condor (Amsterdam), Moving Picture Company (England), Lumiq Studios (Italien), Éclair Laboratoires (Frankreich), Imagica (Japan) und Asylum (USA).

Phil Brennam, leitender Compositing-Artist bei Asylum, sagt: »Toxik ist das innovativste neue Compositing-Produkt innerhalb vieler Jahre auf dem Markt. Durch die Projektstruktur von Toxik kann der Artist sich ohne Unterbrechungen auf den kreativen Aspekt konzentrieren, während die Datenbank jede einzelne Veränderung verfolgt.«. Tommy Hooper, Director of Technology bei Asylum, führt weiter aus: »Vor Toxik hat keine Compositing-Software Versioning-Probleme in Angriff genommen. Das war früher ein wirklich zeitintensiver und fehleranfälliger Prozess, aber jetzt kümmert sich die leistungsstarke, in Toxik eingebettete Datenbank darum, sodass Projekte nun viel schneller fertig sind. Mit seiner umfassenden Skripterstellung auf Python-Basis können wir Toxik leicht in unsere Pipeline einbeziehen.«

Matteo Eleni, Inferno-Artist bei Lumiq Studios, urteilt über Toxik: »Mit Toxik hat Autodesk wieder einmal das Nützliche mit dem Kreativen verbunden. Das Ergebnis lautet Zusammenarbeit. Zusammenarbeit ist das Herzstück der Kreativität.«

Abgrenzung zu den Systems-Produkten
Wie wird Autodesk Media and Entertainment Toxik gegenüber den Systems-Produkten wie etwa Flame, Flint und Inferno abgrenzen?

Aus Sicht von Autodesks Maurice Patel ist klar, dass Toxik lediglich eine Ergänzung zu den Systems-Produkten sein kann, Toxik aber letztlich ganz neue Märkte für Autodesk erschließen werde. Wer heute mit einem Flame-System arbeite, benötige dessen garantierte Bandbreite und die umfangreichen Software-Funktionen des Systems. Toxik richte sich hingegen eher an Nutzer, die nicht zwangsläufig die ausgefeiltesten Effekte gestalten müssten, sondern innerhalb einer Production-Pipeline große Projekte umsetzen müssten.

Chris Vienneau von Autodesk sieht das ganz ähnlich. Er stellt fest, dass es bei vielen Produktionen Shots gebe, die zwar nicht die Leistungsfähigkeit eines Inferno-Systems benötigten, die aber deshalb schwierig zu managen seien, weil es sehr viele davon gebe. Hierfür eigne sich Toxik mit seinen zahlreichen Möglichkeiten, die Zusammenarbeit unterschiedlichster Abteilungen und Arbeitsgruppen zu steuern, besonders gut.