Branche, Top-Story: 14.02.2007

Digital Cinema: Wann geht’s endlich los?

Seit Jahren gehört Digital Cinema zu den Standard-Themen jeder Messe. Technisch betrachtet ist die digitale Projektion längst einsatzbereit, doch seit Jahren fehlt es an einem attraktiven Geschäftsmodell, das den Kinobetreibern den Umstieg zur digitalen Kinotechnik erleichtern könnte. Sony sieht sich als Hersteller des einzigen verfügbaren digitalen 4K-Projektors in einer besonderen Position und will in diesem Markt eine Rolle spielen. Wie schätzt der Hersteller den Status und die weitere Entwicklung bei Digital Cinema ein? www.film-tv-video.de sprach mit Jürgen Burghardt von Sony über dieses Thema.

Digital Cinema ist ein viel diskutiertes Thema. Wie schätzt Sony den Markt ein? Welche weitere Entwicklung von Digital Cinema erwarten Sie?

Burghardt: Vor einem Jahr hatte es den Anschein, als hätten sich schon etliche Kinoketten für eine bestimmte Digital-Cinema-Technik entschieden. Doch jetzt ist der Markt stärker verunsichert als je zuvor: Zum einen steht die Technik noch nicht, zum anderen ist das DCI-Compliance-Prozedere eigentlich immer noch unklar. Kinoketten werden jedoch nicht investieren, solange diese Punkte ungeklärt sind.

Bei der Technik wird erst nach und nach deutlich, welche Projektoren die DCI-Anforderungen erfüllen werden, und es wird wohl noch eine Weile dauern, bis hier wirklich Klarheit herrscht. Außerdem fragen die Kinoketten natürlich »Warum sollen wir die hohen Investitionskosten tragen, wo doch eigentlich die Distributoren der Filme durch die neue Technik Kosten einsparen?«

Das ist ein entscheidender Punkt, und aus unserer Sicht gibt es nach wie vor weder in Deutschland noch in Europa ein funktionierendes Business-Modell, das für eine gerechte Verteilung von Kosten in der gesamten Wertschöpfungskette sorgen würde. In den USA wurde die Idee des Virtual Print Fee geboren: dabei erhält der Kinobetreiber pro Film, der ausgespielt wird, vom Distributor eine Prämie. Das wird in Europa zwar auch diskutiert, aber es gibt noch keine Entscheidung darüber.

Das würde aber letztlich auch voraussetzen, dass man den DCI-Standard akzeptiert, den die großen Hollywood-Studios festgelegt haben — auch in Europa und Deutschland.

Burghardt: Das ist richtig, aber es gibt letztlich auch gar keine andere Wahl — wenn wir über die Blockbuster-Filme aus Hollywood reden. Hier werden die Rechteinhaber die DCI-Compliance im Endeffekt einfach zur Bedingung machen, wenn man digitale Kopien zeigen will.

Daneben gibt es einen anderen Markt der unabhängigen Filme, aber auch die müssen sich auf digitale Projektion einstellen, was jedoch in diesem Bereich eher als Chance gesehen wird. Sobald die digitale Projektionstechnik in den Kinos installiert ist, wird die Einspielung von digitalem Content, der außerhalb von Hollywood produziert wurde, einfacher. Hier sehen wir letztlich auch eine Markterweiterung, denn es kann HD-Equipment eingesetzt werden, um damit relativ preiswert qualitativ hochwertige Produktionen in die Kinos zu bringen, die von Hollywood unabhängig sind. Gerade unabhängige Produktionen können die hohen Kosten nicht aufbringen, um mit vielen Filmkopien gleichzeitig ins Kino zu kommen. Auf digitalem Weg ist das viel preisgünstiger möglich. Aber auch hierfür muss es erst einmal in den Kinos die entsprechende Infrastruktur geben.

Sieht sich Sony in diesem Markt als reiner Technologie-Lieferant oder wird Sony auch komplette Digital-Cinema-Lösungen anbieten, die über die reine Projektionstechnik hinausgehen?

Burghardt: Aus Sicht der Professional Solutions von Sony beschränkt sich unser Engagement zunächst auf die Playout-Technologie und –Steuerung. Was wir liefern, ist die Projektionstechnik, die Server-Technik plus die Steuerungstechnik, also Cinema-Management-Systeme. Deshalb sind wir auf Partner angewiesen, die unsere Systeme installieren und an die bestehenden Infrastrukturen anbinden.

Aber natürlich gibt es auch innerhalb von Sony Geschäftsbereiche, die daran interessiert sind, digitalen Content zu liefern. Deshalb reden wir beispielsweise mit Sony Pictures und versuchen, sie zu überzeugen, Filme auch in digitaler Form zu liefern, so dass unsere Systeme später im Kino auch zum Einsatz kommen. Nur wenn digitaler Content zur Verfügung steht, können sich DC-Systeme überhaupt rechnen. Unser Job ist es dabei, diese Überzeugungsarbeit zu leisten und auch Einfluss zu nehmen auf die Entscheidungen unserer Schwester-Companies. Außer Sony Pictures sind natürlich auch noch andere in diesem Bereich aktiv und haben zugesagt, mindestens 2K– und teilweise auch 4K-Content zu liefern.

Außerdem versuchen wir natürlich, jenen Kinos, die sich für ein Sony-DC-System entscheiden, wiederum bei ihren Zulieferern zu helfen und etwa bei den Verleihern aktiv nach digitalem Content nachzufragen. Mit solchen marktunterstützenden Schritten versuchen wir, die Anzahl der verfügbaren digitalen Filme zu erhöhen.

Würde es sich für Sony nicht anbieten, mit einem etablierten Anbieter mit Kinokontakten wie etwa Kinoton zusammenzuarbeiten? Damit wäre der Markteinstieg doch wesentlich leichter.

Burghardt: Wir reden mit allen, haben aber noch keine konkreten Kooperationen geschlossen. Klar ist jedoch, dass wir solche Partner brauchen, insbesondere für die Integration der Einzelkomponenten in die Kino-Infrastruktur. Sie haben Kinoton erwähnt, aber dieser Hersteller ist im Bereich Projektoren natürlich auch ein direkter Mitbewerber. Wir konzentrieren uns eher auf Partner, die mit Blick auf unsere Produktpalette mehr Synergien bieten und sind daher eher mit denen in Gesprächen, die dafür sorgen, dass der digitale Content auch in unsere Systeme kommt – etwa mit T-Systems.

Wir reden aber auch mit jenen, die digitale Werbung machen. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn was alle vermeiden wollen ist die Situation, dass man einen Filmprojektor hat, den der Kinobetreiber weiter betreiben möchten, dann einen digitalen Kinoprojektor und möglicherweise noch einen weiteren Projektor für die digitale Werbung, die es heute schon gibt. Das wäre das Worst-Case-Szenario: Dass drei Projektionssysteme nebeneinander stehen.

Der erste Schritt muss aus unserer Sicht deshalb so aussehen, dass die Kinobetreiber mit unserem Digital-Cinema-System auch ihre digitale Werbung projizieren können. Deshalb reden wir in diesem Bereich mit den drei großen Kinowerbetreibenden in Deutschland. Dass es jedoch noch für viele Jahre einen Filmprojektor und einen digitalen Projektor nebeneinander geben wird, das ist eine Tatsache, die wohl niemand bestreiten wird. Das macht allerdings auch viele Installationen sehr schwierig, denn viele Projektionsräume sind so klein, dass sie nicht die Installation von zwei Projektoren nebeneinander zulassen.

Wie ist Sonys Haltung zur 2K-/4K-Diskussion?

Burghardt: Für uns ist es erst einmal wichtig, die Verfügbarkeit von digitalem, DCI-kompatiblem Content voranzutreiben. Ob 2K oder 4K ist dabei zweitrangig. Wir bevorzugen natürlich 4K, um die Qualität unseres Projektors auch wirklich ausnutzen zu können, aber wir glauben, dass unser Projektor auch der beste 2K-Projektor ist. Deshalb ist aus unserer Sicht auch schon 2K ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Digital Cinema.

Die DCI sagt in ihrer Spezifikation, dass das anstrebenswerte Signal 4K ist. Die Diskussion um 2K kommt daher, weil man glaubt, dass 2K ein technischer Kompromiss ist, der eher machbar ist und in dem auch mehr Geräte zur Verfügung stehen. Dieser Aspekt ist richtig, denn außer dem Sony-Gerät gibt es keinen anderen 4K-Projektor. Der Preis unseres Projektors ist jedoch nicht um so viel teurer, dass sich die Entscheidung dafür aufgrund der Investitionshöhe verbieten würde. Aus meiner Sicht wird die 2K/4K-Diskussion jedoch nicht entscheidend sein. Viel entscheidender ist die Frage, ob digitaler Content in angemessener Stückzahl zur Verfügung stehen wird.

Ein weiterer Randaspekt, den ich erwähnen möchte: DCI lässt per Definition keine geometrisch verzerrten Bilder zu, es werden also keine anamorphotisch vorverzerrten Files geliefert, sondern ausschließlich quadratische Pixel zugeliefert. Bei Cinemascope-Filmen reduziert man deshalb die Anzahl der zur Verfügung stehenden Zeilen in der Höhe. Wenn man nun 2K-Projektoren nimmt und Cinemascope mit nicht vorverzerrten Bildern darstellt, dann ist die Anzahl der Zeilen in der Vertikalen geringer als bei HD und beträgt etwa 700 Zeilen. 4K ist für solche Fälle die bessere Lösung, weil hier die doppelte Zeilenzahl im Cinemascope und damit die bessere Auflösung zur Verfügung steht. Das ist ein technischer Aspekt, den die Industrie noch nicht zu Ende gedacht und letztlich auch noch nicht diskutiert hat. Das könnte für uns ein technischer Vorteil werden, aber ich glaube, das wird erst dann zum Thema, wenn es Filme gibt, an denen man das auch in der Praxis zeigen und sehen kann.

Einige technische Aspekte haben Sie angesprochen. Wichtig wird es für die Projektionstechnologie jedoch auch sein, die unterschiedlichen Formate mit ihren unterschiedlichen Seitenverhältnissen korrekt wiedergeben zu können. Wie löst Sony diese Anforderung?

Burghardt: Der hierfür wichtige, hochwertige Scaler ist schon jetzt integriert, und es gibt auch diverse Interface-Karten, die es ermöglichen, dass man alle Video- und Computerquellen mit unseren Projektoren darstellen kann. Das ist ein wichtiger Aspekt. Gerade für kleinere Events im kulturellen Bereich ist es nützlich, wenn man an den Projektor bei Bedarf auch mal einen DVD-Player anschließen kann.

Wenn man die reine Projektionstechnik beurteilt, wo sehen Sie dann den wichigsten Vorteil der Sony-Lösung?

Burghardt: In der Auflösung. Wenn Sie das gesamte Digital-Cinema-Playout-System sehen, also den Projektor in einem geschlossenen, mechanisch sicheren und integrierten Management-System, dann ist das auch die einzige technische Lösung, wie sie von der DCI tatsächlich empfohlen wird: nämlich ein piraterie- und manipulationssicheres Gehäuse. Alle anderen Systeme müssen mit Komponenten unterschiedlicher Hersteller integriert werden, so dass zusätzliche Maßnahmen zur sicheren Verknüpfung der Signale eingebaut werden müsse – etwa Encryption-Systeme. Deshalb kommt unser System bezüglich Sicherheit und Auflösung den Grundanforderungen von DCI am nächsten.

Man muss aber auch sehen, dass wir ja noch am Anfang einer Produktentwicklung stehen, uns jedoch mittel- und langfristig an diesen Markt binden. Es wird also weitere Sony-Systeme für Digital Cinema geben. So wurde etwa erst unlängst eine Projektoren-Variante mit höherer Lichtleistung angekündigt. Wir haben auch personell aufgestockt und mit Oliver Pasch jemanden verpflichtet, der über umfassende Erfahrungen in der Kinobranche verfügt (siehe Meldung). Was ich bisher persönlich gemacht habe, waren ja nur Marktvorbereitungsmaßnahmen. Das alles sind Zeichen dafür, dass Sony diesen Markt sehr Ernst nimmt.

Weshalb? Die Besucherzahlen in den Kinos gehen doch eher zurück, und da ist es doch verwunderlich, dass Sony in diesen Markt noch weiter und vor allem auch mehr investiert?

Burghardt: Diesen zahlenmäßigen Rückgang muss man relativieren. Wenn Sie den langfristigen Trend sehen, stimmte das bis zum letzten Jahr. Aber schon fürs Jahr 2007 erwartet man wieder steigende Besucherzahlen, Ich habe darüber mit etlichen Marktteilnehmern gesprochen, und einhellig wurde gesagt, dass es in den Vorjahren zu wenige Blockbuster gab. Das werde sich dieses Jahr ändern, so die allgemeine Einschätzung. Die Besucherzahlen hängen halt sehr stark vom Angebot ab.

Über alles gesehen ist es allerdings schon so, dass sich der Markt konsolidiert, Sie haben also Recht, wenn sie keine riesigen und vor allem steigenden Besucherzahlen erwarten. Man geht aber auch davon aus, dass man dank der digitalen Technik auch völlig andere Angebote schnüren kann.

Ich denke etwa an die Übertragung von Events. Die Fußball-WM im vergangen Jahr war dafür ein gutes Beispiel, das zahlreiche Besucher in die Kinos gelockt hat. Ein anderes erfolgreiches Event war dar Robby-Williams-Konzert, das in mehrere Städte übertragen wurde , was sehr erfolgreich gewesen sein soll. Die Kinos, mit denen ich gesprochen habe, erwarten sich von solchen Events zusätzliche Vermarktungsmöglichkeit.

Sie haben es gerade schon angesprochen, dass die digitale Projektionstechnik für kleinere Kinos neue Chancen der Programmgestaltung bietet. Wird es von Sony für diese Kunden und Locations besondere Lösungen geben?

Burghardt: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Es gibt bei Sony mit der Qualia-Reihe aber schon jetzt einen Projektor, der für kleinere bis mittlere Kinos eine sehr gute Lösung ist. Darunter gibt es sogar noch zwei weitere, preiswerte Modelle.

Wird es von Sony einen 3D-Projektor geben?

Burghardt: Das ist ein schwieriges Thema, dann derzeit schlucken alle 3D-Projektionstechnologien noch sehr viel Lichtleistung. Das muss jedoch noch anders werden, gerade bei den großen Kinosälen — und die sind ja prädestiniert für 3D-Filme. Fakt ist, dass es derzeit noch keine richtige Lösung gibt. Es gibt zwar erste Studien und auch Tests, aber leider noch keine fertigen Systeme. Wir wissen aber, dass 3D-Filme von vielen Kinogängern als Mehrwert empfunden werden, und etliche Kinobetreiber haben uns großes Interesse an 3D-Projektion signalisiert.

Wann wird den Digital Cinema in Deutschland im größeren Rahmen eine Rolle spielen?

Burghardt: Wir haben in Deutschland fünf große Kinoketten, und ich glaube, dass mindestens zwei oder drei in diesem Jahr eine Grundsatzentscheidung für eine Technologie treffen werden. Doch zunächst muss die DCI-Spezifikation beweisen, dass sie praxisgerecht ist und dann müssen Praxistests zeigen, dass diese Geräte alltagstauglich sind. Die Entscheidungsprozesse werden dann folgen. Aber wir wissen, dass wir zunächst noch etwas Durchhaltevermögen brauchen und betrachten den Digital-Cinema-Markt daher derzeit auch eher als strategischen Markt.

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T_0107_DCsony.pdf

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