Editorial, Kommentar, Top-Story: 19.04.2007

NAB2007: Messe und Branche am Scheideweg?

Die NAB hat sich immer schon gewandelt und an veränderte Marktgegebenheiten angepasst, aber diese Entwicklung hat sich immer weiter beschleunigt. Da stellt sich schon die Frage, wohin sich diese Messe nun entwickeln kann und soll.

Als gebe es nicht genügend eigene Messen für Filmtechnik und für Kinobetreiber, spielt das Thema Digital Cinema auch während der NAB2007 eine wachsende Rolle. Nicht dass das etwa störend oder uninteressant wäre, ganz im Gegenteil: Es ist eigentlich ganz gut so. Und natürlich sind in diesem Jahr auch die Themen IP-TV und Mobile TV präsent, zu denen es ebenfalls schon ganz eigene Veranstaltungen gibt: Diese und weitere Themen behandeln auch während der NAB eigene Vortragsreihen, besondere Ausstellungsbereiche und Info-Zonen.

Wie ein riesiger Staubsauger verleibt sich die NAB immer mehr Themen ein. Sie entfernt sich damit immer weiter von ihren Wurzeln, denn schließlich ist dies die Messe der amerikanischen National Association of Broadcasters. Noch vor wenigen Jahren galten hier sogar Kabel-TV-Anbieter noch als Exoten, denn die Messe wurde von den Traditionalisten im US-Broadcast-Geschäft dominiert.

Aber mit der Entwicklung der NAB in den vergangenen Jahren spiegelt sich — wenn man mal die hochgejazzten Hype-Themen abzieht — die Entwicklung der gesamten Branche. Vor Jahren war »Konvergenz« mal das meistgenannte Stichwort während der Messe. Was damals prognostiziert wurde ist ebensowenig eingetreten, wie das, was im »Streaming«-Wahn die Powerpoint-Präsentationen durchseuchte. Aber wenn man genauer hinschaut, ist doch etwas davon übrig geblieben und trägt nun Jahre später unter etwas veränderten Vorzeichen Früchte: Wenn klassische Broadcaster heute in »tri-mediale« Newsrooms investieren, die es ihnen erlauben TV, Radio und Internet aus einer gemeinsamen Infrastruktur zu bedienen, dann kann man hier zweifellos von Konvergenz sprechen — wenn auch in anderem Sinn als dieses Schlagwort vor Jahren durch die Messehallen waberte. Und tatsächlich sollen Postproduction-Systeme heute den gleichen Inhalt, das gleiche Programm in verschiedenen Variationen ausgeben können: Multiformat-Mastering und ähnlich heißt das heute und ist doch auch eine Konvergenz-Erscheinung. Was früher vollkommen getrennt betrachtet und hergestellt wurde, teilweise nach ganz unterschiedlichen Arbeitsabläufen und mit völlig anderen Geräten, das wird heute immer öfter einfach nur als Verteilung von »Content« auf verschiedene Distributionskanäle betrachtet.

Eine wichtige Rolle spielte hierbei zweifellos der PC und die dahinter stehende IT-Technologie: auf der Produktions- wie auf der Endkundenseite. Und mit dem PC ist natürlich auch verbunden, was aus »Streaming« geworden ist — vielleicht etwas verkürzt und technisch inkorrekt, aber ziemlich griffig könnte man sagen: Streaming heißt heute IP-TV und Podcasting.

Wenn also auf der Produktions- und auf der Endkundenseite früher getrennte Themen immer enger zusammenrücken, dann muss das seine Entsprechung auf einer Messe wie der NAB finden. Aber das hat eben auch Nachteile: das Messemonster in Las Vegas wächst und wächst, das Themenspektrum wird immer breiter, das Ganze hat keinen scharfen Fokus mehr.

Was tun? Vielleicht braucht es eine neue Einteilung, denn auch in einer in Teilen konvergierenden Medienwelt macht nicht jeder alles, sondern es wird in der Regel immer noch arbeitsteilig produziert — schließlich ist dies ein essenzieller Erfolgsfaktor in der Wirtschaft. Wenn jeder das macht, was er am besten kann, flutscht es doch am besten. Entscheiden, bestimmen und festlegen, wie die richtige Messe für diese Branche aussieht, wird und kann allerdings keiner: der Markt muss das selbst regeln.

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Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller
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