Editorial, Kommentar, Top-Story: 12.04.2010

The next big thing?

Jede Messe hat ihre »Buzzwords« und manche kommen so gut an, dass sie gleich mehrere Jahre hintereinander antreten müssen — und jedesmal für höchste Erregung sorgen (sollen). Stereo-3D gehört zu dieser Kategorie: Nicht erst seit diesem Jahr ist die Stereo-3D-Technologie ein gern genommener Aufhänger für unterschiedlichste Produkte und wird in ganz unterschiedlichen Formen in Pressekonferenzen, Workshops und Demos präsentiert.

Vom Kino ausgehend, hat sich das eigentlich gar nicht mehr so junge Thema nun zum Fernsehen durchgearbeitet.

Dabei erwecken die meisten Hersteller den Eindruck, als seien sie selbst und praktisch alle ihre Produkte »3D-Ready«. Gleichgültig ob in der Pressekonferenz von Quantel, Autodesk, Sony, Panasonic, Avid, Grass Valley oder Snell: Alle sind angeblich bestens gerüstet für den enormen Ansturm auf Stereo-3D, der nun unmittelbar bevorstehe. Die großen Hersteller weisen dabei gern darauf hin, dass sie ja die ganze Palette von Stereo-3D-fähigen Produkten bieten könnten: »Lens to Livingroom« oder »Camera to Couch«, wird das dann griffig formuliert.

Großen Anteil daran hat letztlich die Consumer-Industrie und indirekt resultiert der Stereo-3D-Hype aus dem Siegeszug der Flachbildschirme: Nicht nur in den USA haben Flatpanels längst Einzug in die Wohnzimmer gehalten. Dabei spielte aber keineswegs immer die Qualität die erste Geige, sondern eher das elegantere Design und die Möglichkeit, einen noch größeren Schirm zu besitzen, ohne das ganze Wohnzimmer zu verschandeln. So ernüchternd das für Technik-Freaks auch sein mag, solche Kriterien dürften letztlich sogar in der Mehrheit der Fälle den Ausschlag gegeben haben. Mittlerweile ist es allerdings so, dass die Verkaufszahlen bei Flachbildschirmen nicht mehr die Wachstumsraten aufweisen, wie zu Beginn dieser Entwicklung. Für die großen Consumer-Elektronik-Hersteller geht es nun also darum, mit dem nächsten Technologieschritt die Verkaufszahlen wieder nach oben zu treiben.

Den Erfolg dieser Anstrengungen kann man in den USA schon besichtigen: Hier stehen die ersten 3D-Displays in den Läden und 3D-Movies in den Kinos sind längst keine Randerscheinung mehr — 2010 sollen 20 weitere Stereo-3D-Filme in den US-Kinos anlaufen. Dieser Trend soll auf der Consumer-Seite intensiviert werden. Glaubt man den Marktforschern von Insight Media, wird die Industrie damit Erfolg haben und schon bis zum Jahr 2015 die Verkaufszahlen von Stereo-3D-fähigen Displays mehr als verzehnfachen: von aktuell 3,4 Millionen auf rund 49 Millionen Stück weltweit.

Bemüht man die Analogie zur Einführung von HD, gibt es allerdings einen Faktor, der auch bei Stereo-3D spielentscheidend werden dürfte: Sind die Endkunden dazu bereit, für die 3D-Erfahrungen mehr zu bezahlen und sich zuhause mit einer 3D-Brille, wie sie die meisten Systeme erfordern, vor den Fernseher zu setzen? Und sind die Programm-Anbieter wiederum bereit, ihren Dienstleistern für 3D-Produktionen mehr zu bezahlen? Fürs Kino kann man diese Frage derzeit noch positiv beantworten. Nicht zuletzt dank des Erfolgs des Kassenschlagers »Avatar« stehen Stereo-3D-Filme bei vielen Kinobesuchern hoch im Kurs -und somit auch bei den Kinoproduzenten.

Wenn es um die Produktion von Sportveranstaltungen geht, fällt die Antwort nicht mehr ganz so überzeugend aus. Zwar feierte Sky kürzlich mit der weltweit ersten 3D-Übertragung eines Fußballspiels einen großen PR-Erfolg, doch wenn es um die Frage geht, wer den deutlich höheren Produktionsaufwand für Stereo-3D zahlen soll, herrscht Zurückhaltung. Man hofft wohl auf den Effekt, den die Produktionsseite schon von HD her kennt: der Auftraggeber findet die bessere Qualität zwar gut, aber mehr bezahlen möchte er dann doch nicht. Ü-Wagen-Dienstleister können davon ein Lied singen – zumindest im deutschsprachigen Markt.

Dennoch: Die Zeichen für Stereo-3D stehen besser, als einst bei HD, denn offenbar springt der Funke bei dieser Technologie schneller auf die Endkunden über. Vielleicht wird mit der Fußball-WM in diesem Jahr wieder einmal ein großes Sportereignis dazu dienen, einem breiteren Publikum eine neue Technik schmackhaft zu machen. Im Fernsehbereich könnten Live-Sportproduktionen der Hebel für Stereo-3D sein. Hierauf setzt Sony und widmete einen Großteil seiner Pressekonferenz diesem Thema.

In Großbritannien startet Sky einen 3D-Sportkanal, dessen Programm zunächst in rund 1.500 britischen Pubs zu sehen sein wird. HBS, der technischer Dienstleister der Fifa, hat angekündigt, 25 Spiele der WM in Stereo-3D zu produzieren — darunter auch die Spiele der deutschen Elf gegen Australien und gegen Ghana. Weil aber derzeit auch in Deutschland so gut wie keine Zuschauer zuhause über die passende Vorführtechnik verfügen, müssten diese Fußballspiele per Public-Viewing, am besten in Kinos, live in 3D gezeigt werden. Lange ist es nicht mehr hin, es müssten rasch Entscheidungen fallen, um dies möglich zu machen und die Fans zu mobilisieren.

Sie werden sehen.