Editorial, Kommentar, Top-Story: 29.04.2010

Zielgruppen

Interessieren Sie sich für sportliche Mokassin-Ballerinas mit Keilabsatz in aktuellen Modefarben? Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nicht, denn dieser Newsletter geht zu mehr als 90 % an männliche Empfänger.

Obwohl also Schuhmode genauso wenig zu den Themen von film-tv-video.de und dieses Newsletters gehört, wie das Geschlecht unserer Nutzer, sind relativ zuverlässige Aussagen zu diesen Aspekten möglich. Damit sind wir auch schon mitten im Thema: Zielgruppen zu identifizieren und anzusprechen, ist eine elementare Grundlage der Wirtschaft.

Dabei hat sich das Instrumentarium der Marketingabteilungen im Lauf der Jahre immer weiter verfeinert: Vom Flächenbombardement zum chirurgischen Eingriff — zumindest in der Theorie: »Wir wollen unsere Maßnahmen ganz spitz gestalten und nur ganz gezielt die Leute ansprechen, die für uns das höchste Potenzial darstellen.«

Was das in der Praxis bedeutet, können Sie in jeder Tageszeitung sehen: Das Flächenbombardement mit großformatigen Zeitungsanzeigen hat stark abgenommen — zum Leidwesen der Zeitungsverleger. Außerdem hat sich das Bild verschoben: Neben die klassischen Medienmodelle sind neue Werbeformen getreten. Google-Anzeigen etwa, oder auch das gezielte Platzieren von Anzeigen in Facebook. Dort kann der Werbetreibende detailliert festlegen, wer seine Anzeigen überhaupt sehen soll. So lässt sich beispielsweise einstellen, dass bestimmte Anzeigenmotive nur auf den Seiten von Frauen aus der Schweiz angezeigt werden, die über 18 und Single sind, deutsch sprechen, einen Hochschulabschluss haben und bei Volkswagen arbeiten (diese Zielgruppe schätzt Facebook in seinem Anzeigenmodul auf 20 Personen).

Ganz abgesehen davon, dass hier etwas letztlich Irreales vorgespiegelt wird: Potenzielle Kunden sollen einzeln auf dem Silbertablett serviert werden. Hier hat sich eine Asymmetrie eingeschlichen, die äußerst ungesund ist und Themen wie Vertraulichkeit, Anonymität und Datenschutz berührt. Wer diese Form der Transparenz fordert, der sollte sie auch bei sich selbst praktizieren: Alles andere ist schizophren.

Auch für film-tv-video.de ist die Zielgruppe ein wichtiges Thema, denn film-tv-video.de ist vollständig werbefinanziert: Letzteres hat für Sie als Leser nicht nur den Vorteil, dass Sie nichts bezahlen müssen, sondern dass Sie auch wissen, wo das Geld herkommt. Wir konzentrieren uns aber darauf, die Zielgruppe durch die Inhalte zu definieren, die wir anbieten — und nicht durch Ausforschen der Nutzer.

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