Editorial, Kommentar, Top-Story: 01.02.2012

Neue Märkte: auf dem Tablet serviert

Im Februar soll angeblich ein neues iPad auf den Markt kommen, das den Erfolg dieses überaus erfolgreichen Tablet-PCs von Apple fortschreiben soll: Derzeit hat Apple laut Marktforschung einen Anteil von 58 % in dieser Geräteklasse. Klar, dass die Konkurrenten das ändern wollen und mit Amazon schickt sich nun der wohl bekannteste Versandhändler der Welt an, in diesem Markt ebenfalls ein Wort mitzureden.

Amazon brachte im vergangenen Jahr ein Tablet mit dem Namen Kindle Fire in Stellung, ein Gerät mit Android-Betriebssystem, das zunächst nur in den USA angeboten wird. Genaue Verkaufszahlen gibt es dazu nicht, Amazon gab aber bekannt, dass man im Dezember pro Woche eine Million Kindles verkauft habe und der Spitzenreiter sei dabei das Modell Kindle Fire gewesen.

Analysten wollen errechnet haben, dass Amazon mit jedem verkauften Kindle Fire ein paar Dollar Verlust macht — das geschieht aber wohlkalkuliert: Der Konzern sieht in dem Tablet letztlich nur ein Medium, mit dem die Nutzer bequem und allerorten auf den umfangreichen Medienkatalog des Unternehmens zugreifen und dort Musik, Bücher, Videos, Spiele- und andere Apps erwerben können — die sich dann wiederum auch in den Cloud-Services des Unternehmens speichern lassen.

Das scheint zu funktionieren, darauf deuten zumindest die Zahlen des Marktforschungsunternehmen Flurry Analytics hin: Deren Statistiker haben demnach gemessen, dass Kindle-Fire-Anwender 2,53 mal so oft auf kostenpflichtige Apps zugreifen, wie die Nutzer eines Samsung-Galaxy-Tabs. Das angewendete Zählverfahren soll rund 90 % der Android-Geräte im Markt erfassen.

Liegt hier also das Modell der Zukunft für den Medienbereich? Hardware billig anbieten und dann mit dem Content, den man darauf nutzen kann, Geld verdienen? Wie bei Druckern oder Nassrasierern, wo man die Grund-Hardware billig bekommt und dann beim Verbrauchsmaterial in die Tasche greifen muss? Drehen sich nun die Geschäftsmodelle wieder um, die ja in der ersten Dekade des aktuellen Jahrtausends eher in Richtung kostenlosem Content gingen?

Das wäre zu kurz gegriffen: Schließlich gibt es mit Facebook ein Beispiel dafür, dass auch ganz aktuell andere Geschäftsmodelle recht gut funktionieren, bei denen der Kunde nicht mit Geld, sondern mit Informationen zu seiner Person und mit seiner Funktion als vermarktbare Zielgruppe bezahlt.

Vielleicht steht Apple in erster Linie deshalb wirtschaftlich so gut da wie nie zuvor, weil es dieser Konzern geschafft hat, auf allen Seiten abzugreifen: Die Endkunden zahlen ohne zurückzuzucken für das neueste iPhone 400 Euro und viele ordern zusätzlich noch ein iPad. Sie kaufen bei Apple den Content in Form von Apps, Musik und Videos. Und gleichzeitig entrichten auch die Verlage dafür, dass sie ihre Apps über die Apple-Plattformen verkaufen dürfen, einen stattlichen Anteil an den dabei erwirtschafteten Erlösen an den Apple-Konzern.

Wer bei all diesen Entwicklungen am stärksten gefährdet ist, unter die Räder zu kommen, das sind diejenigen, die den Content erstellen: Ein ums andere mal scheitern praktikable Copyright-Vereinbarungen und das auf dieser Seite fehlende Geld wird auf der Produktionsseite eingespart. So leiden letztlich etwa Kameraleute, Cutter, Autoren, Journalisten und viele andere, aber auch Verleiher und Hersteller von professionellem Equipment unter diesen Entwicklungen — natürlich nicht alle und auch nicht alle im gleichen Maß. Wege, das zu ändern, müssen aber ebenso gesucht werden, wie sich neue technische Möglichkeiten entwickeln — sonst bleiben zuerst die Kreativität und Qualität auf der Strecke und irgendwann ein großer Teil des Contents, der jenseits des Mainstreams liegt und der über das bloße Bloggen hinausgeht. 

Sie werden sehen.