Editorial, Kommentar, Messe, Top-Story: 11.04.2015

NAB2015: Seeing is believing?

Am Osterwochenende startete der Action-Film »Fast & Furious 7« in den Kinos, der eine sehr große Zahl spektakulärer Auto-Stunts enthält — und er spielte laut Box-Office-News schon am Startwochenende nahezu 400 Millionen US-Dollar ein. Eine eindrucksvolle Zahl — auch unter dem Aspekt, dass Paul Walker, einer der Hauptdarsteller des Films, vor Abschluss der Dreharbeiten bei einem privaten Autounfall abseits des Sets ums Leben kam.

Fertiggestellt wurde der Film unter dem Einsatz von zwei Brüdern des Verstorbenen und mit Hilfe digitaler Bildmanipulation. So blieb Walker zumindest im Film am Leben — und verabschiedete sich dort in ein bürgerliches Leben.

Nun gibt es sicher Filme, bei denen noch mehr mit Digitaltechnik produziert wird, als bei »Fast & Furious 7«, aber die besonderen Umstände bei diesem Film verdeutlichen stärker als je zuvor, wie weit Realität und Fiktion sich bei der Produktion von Filmen mittlerweile vermischen.

Die Tools in der Postproduktion werden immer ausgefeilter und das, was Kameraleute zu Beginn der Produktion aufzeichnen, hat in vielen Fällen schon seit langem nicht mehr viel mit dem zu tun, was im Kino auf der Leinwand oder zuhause auf dem Fernseher, dem Tablet oder sonstwo zu sehen ist. Dabei gehört das Color Grading noch zu den offensichtlicheren Methoden der Bildgestaltung, die der Zuschauer als solche auch noch erkennen kann. Bei digitalen Hintergründen, geklonten Menschenmassen und anderen künstlichen Motiven wird es immer schwieriger und mittlerweile teilweise auch unmöglich, Realität und Fake zu unterscheiden.

Im News-Bereich spielen diese Mittel und Methoden bislang keine Rolle, denn für eine aufwändige digitale Bearbeitung fehlt die Zeit und letztlich ist auch der Anspruch ein anderer. Doch auch das könnte sich immer mehr verändern: Nachrichten- und Magazinbeiträgen sehen etwa dank Single-Sensor-Camcordern schon heute von der Bildästhetik ganz anders aus als früher — doch das ist nur der Anfang.

Wie es weitergehen könnte, das zeigt ein eigentlich ganz praktisches neues Werkzeug, das Adobe mit der nächsten Premiere-Pro-Version anbieten wird: »Morph Cut« erlaubt es, innerhalb von Interviews nahezu unsichtbar zu schneiden. Premiere analysiert die Bilder vor und nach dem Schnitt und auf Basis von Gesichtserkennung und Morphing-Techniken werden Zwischenbilder berechnet. So kann man »Ähs«, Versprecher, andere Störungen oder lange Pausen problemlos aus Interviews entfernen, ohne belanglose Zwischenschnitte einbauen oder mit Bildsprüngen leben zu müssen. Man kann damit aber Interviews auch komplett umbauen und in einer solchen Art und Weise verfälschen, dass es auch der aufmerksamere, kritischere Zuschauer nicht mehr merkt.

Hollywood dringt nun also auch in die News vor und so gilt auch hier: Ganz genau hinschauen — und nicht alles glauben.

Sie werden sehen. (Vielleicht aber auch nicht.)

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