Editorial, Kommentar, Top-Story: 23.06.2015

Viele Preise, eine Schlagzeile

Am vergangenen Wochenende feierte die Filmbranche gleich mehrfach sich selbst und ihre Produktionen: In Köln wurden Kameraleute und Editoren für ihre Leistungen in Bildgestaltung und Schnitt beim Deutschen Kamerapreis geehrt, in Berlin wurde der Deutsche Filmpreis verliehen. Das sind zwei ziemlich unterschiedliche Veranstaltungen, aber es eint sie die Sehnsucht nach einer oscar-ähnlichen Preisverleihung, bei der die Leistungen kreativer Filmschaffender in Deutschland geehrt und prämiert werden.

Vom Deutschen Kamerapreis hat der Großteil der Republik aber wieder einmal gar nichts mitbekommen und das wird sich für die breite Öffentlichkeit auch nach der gut versteckten Ausstrahlung eines Zusammenschnitts auf Einsfestival und in einigen dritten Programmen nicht wesentlich ändern. Den Deutschen Filmpreis hingegen, der zeitversetzt und gekürzt am Freitag im ZDF übertragen wurde, haben laut Quotenmessung immerhin schon 1,22 Millionen Menschen im TV gesehen.

Worauf bezogen sich aber die größten Schlagzeilen zu diesem ganzen Themenkomplex nach dem Preiswochenende? Darauf, dass Til Schweiger den Schauspieler Elyas M’Barek beim Feiern seines zuvor erhaltenen Filmpreises, zu später Stunde in einem Berliner Restaurant geohrfeigt habe.

PR-Stunt oder reales Ereignis? So oder so, es kann beides eigentlich nur traurig stimmen: Til Schweiger generiert — ob gewollt oder nicht — mit einer angeblich von ihm selbst als »leichte Backpfeife« bezeichneten Tätlichkeit, mehr Publicity, als mit dem Preis für seinen Film »Honig im Kopf« — und als der ganze Filmpreis zusammen. Das sagt viel über die deutsche Medienlandschaft aus.

Ach ja, falls es jemanden interessiert: Der große Abräumer beim diesjährigen Deutschen Filmpreis war »Victoria«, ein Kinospielfilm, der ohne Schnitt auskommt und am Stück realisiert wurde — als Plansequenz, wie der Insider sagt. »Victoria« erhielt sechs Lolas in verschiedenen Kategorien. Der Kameramann Sturla Brandt Grøvlen drehte den kompletten, rund 140 Minuten langen Spielfilm mit einer Canon C300 und einer Zeiss-Festbrennweite — in einer einzigen langen Einstellung, aber an wechselnden Sets. Eine wirklich außergewöhnliche Leistung. Aber wenn natürlich der Schweiger den M’Barek …

Sie werden sehen.

Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller

Bildrechte
Clemens Bilan/Getty Images für Deutsche Filmakademie e.V.

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