Editorial, Kommentar: 17.03.2017

Beste Kontakte

Kontakte sind so wichtig, dass sie sich in der Wirtschaft mit zunehmender Weiterentwicklung, Verfeinerung und Spezialisierung von Geschäftsprozessen, zu einer eigenen Währung entwickelt haben: Kundenkontakte, Social-Media-Kontakte, Business-Kontakte. Ein Editorial zum Thema Statistik.

Auch beim Lieblingssport der Deutschen, geht es ja um Kontakte — Ballkontakte eben. Und spätestens seit dem vergangenen Wochenende weiß Fußballdeutschland auch, dass selbst hier ganz genau mitgezählt wird: Beim Spiel des FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt knackte Philip Lahm eine historische Marke und nahm zum 30.000 Mal in einem Bundesligaspiel Ballkontakt auf. Viele Beiträge in den Medien wiesen in der Nachberichterstattung ganz explizit auf dieses Ereignis hin, und in einigen Fällen konnte man die entsprechende Szene auch in Zeitlupe bewundern.

Nun kann man über den konkreten Nutzen solcher statistischer Informationen für den einzelnen Zuschauer sicher geteilter Meinung sein. Lässt man die Frage nach dem tieferen Sinn aber mal beiseite, dann offenbart ein Blick hinter die Kulissen eine beeindruckende Maschinerie —und es scheinen auch noch etliche zusätzliche Aspekte auf.

Statistik
Zahlenspiele: moderner Fußball lebt von Statistik.

Im Markt für die Erfassung solcher Daten tummeln sich mittlerweile etliche Unternehmen, wobei DeltaTre und Opta in Europa zu den Großen gehören. Sie ermitteln mit aufwändigen Verfahren statistische Daten im Sportbereich in einer enormen Breite und Tiefe. Dabei werden in aller Regel automatisiert gewonnene Daten mit solchen abgeglichen und ergänzt, die von menschlichen Spielbeobachtern erfasst werden. Jeder Ballkontakt, jedes Foul, Zweikämpfe, gelaufene Distanzen, Sprints, Pässe, gelbe und rote Karten: Das alles und noch viel mehr, wird in Zahlenwerten und Grafiken festgehalten und so eine wahre Datenflut erzeugt — sozusagen die Metadaten eines Fußballspiels.

Die Sportberichterstattung greift in erheblichem Maß darauf zurück: So können etwa Live-Kommentatoren und Redaktionen mit Zugriff auf eine entsprechende Datenbank, massig zusätzliches Fachwissen einfließen lassen und Online-Pattformen können mit Heatmaps aufwarten, die Spielwege und Spielverläufe grafisch verdeutlichen.

Aber auch ganz andere Bereiche bauen auf solche Statistikdaten: Die Wettindustrie etwa hat ein System geschaffen, in dem die Kunden nicht nur auf Ergebnisse und Torschützen, sondern auch auf eigentlich absurde Ereignisse und Vorkommnisse innerhalb eines Spiels wetten können: Wie viele Eckbälle wird es zwischen der 60. und der 75. Minute geben?

Auch die Spieleindustrie bedient sich aus diesem Fundus: »Fifa« gehört zu den bekanntesten Spielen für Playstation oder XBox — und beide arbeiten ebenfalls mit solchen Daten, wenn sie den meist jugendlichen Konsolenspielern Informationen über ihre virtuellen Karrieren und Journeys anbieten und diese dann Turnier spielen, Spieler kaufen, Mannschaften zusammenstellen oder Spielsysteme auswählen.

Die Lahm’schen 30.000 Ballkontakte stehen also tatsächlich für deutlich mehr, als die nackte, im Grunde nebensächliche Zahl verdeutlicht.

Höchste Zeit, das auch in andere Bereiche auszudehnen, oder? Noch sind es rund vier Wochen bis zur NAB, der nächsten großen Branchenmesse: Also, ihr App-Programmierer da draußen, wie wäre es mit einer Smartphone-App, die per Fitnessarmband zuverlässig erfasst, wie viele Hände man im Verlauf eines Messetages schüttelt? Wir brauchen einfach mehr statistische Daten …
 
Sie werden sehen.
 
P.S.: Die angesprochenen Themen haben bei film-tv-video.de auch schon früher ihren Niederschlag gefunden: Der Fluch des Numbercrunchers und Der gläserne Messebesucher .

Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller

Bildrechte
red

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