Interview, Sponsored-Content: 11.12.2025

Zwischen Tatort und Squid Game

Analyse, Fantasie und Zielgruppen-Fokus: Wie deutsche TV-Anbieter der Herausforderung durch Streaming inhaltlich begegnen können. Interview mit Andrea Zuska, Strategie-Expertin für Zielgruppen und Content.



Wie hat der Eintritt der internationalen Streamer den deutschen Markt in dieser Hinsicht konkret verändert?

Andrea Zuska: Wenn ich den Top-Effekt von Streaming auf die deutschen Content-Nutzenden nominieren würde, wäre es Horizonterweiterung und, als Begleit- und Nachfolgeeffekt, die Fragmentierung der Content-Interessen. Aus diesen hat sich nachfolgend auch die »Mehrgleisigkeit« des Content-Konsums über verschiedene Kanäle und Plattformen hinweg ergeben. Der heute insbesondere von vielen jungen und jüngeren Zielgruppen als normal empfundene Konsum von Inhalten in der OmU Fassung, das sich Einlassen auf neue Genres oder Erzählformen, auf wenig bekannte Casts, die durch dieses Einlassen erst zu Stars werden, der Konsum polnischer, südkoreanischer, französischer Filme und Serien…das alles ist für viele Nutzende eine neue Normalität. Und dieses »normal werden« beutetet, dass diese Faktoren in der Erwartung der Nutzer auch normativ werden. Ein Zurück zum Content und zur Content-Nutzung von gestern gibt es dann nicht mehr.

Interessant ist: Diese Nutzenden hätten die genannten neuen Inhalte, Genres, Erzähl- oder Nutzungsformen vor dem Markteintritt der Streamer vermutlich nicht als fehlend benannt. Wir haben es hier also mit einer Bedürfnisgenerierung durch ein neues Angebot zu tun.

©No Ju-han/Netflix © 2024
Squid Game S2 Lee Jung-jae as Seong Gi-hun in Squid Game S2 Cr. No Ju-han/Netflix © 2024

Auf diese neuen Bedürfnisse waren viele lineare Anbieter nicht vorbereitet, sie wurden davon überrascht. Hätten Sie deutschen Fernsehmachenden im Jahr 2011 gesagt, dass einer der meistgenutzten Inhalte des Jahres 2021 in Deutschland eine fiktionale, knallbunt-blutige südkoreanische Serie über eine tödliche Spielshow sein wird, hätten die meisten Sie vermutlich ausgelacht. Dieser Mangel an Fantasie ist ein Problem.

Ist Fantasie der richtige Begriff?

Andrea Zuska: Im Ausgangspunkt ja. Es geht darum, sich unterschiedliche Versionen einer möglichen Zukunft vorstellen zu können, kritisch darauf zu schauen, was sie für die eigene Position im Markt bedeuten können und wohin sich das eigene Angebot entwickeln muss, um in diesen Szenarien zu bestehen. Zentral ist in diesem Rahmen eine analytische Beschäftigung damit, wie sich der Content-Geschmack, die Sehgewohnheiten und die Bedürfnisse entwickeln und entwickeln könnten. Im deutschen Markt wurde meiner Wahrnehmung nach zu lange in alten Gewissheiten verharrt, die durch den oben beschriebenen Effekt zunehmend unhaltbar wurden.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Andrea Zuska: Ein eher übergreifendes, dafür aber grundlegendes. Bis in die späten 2010er Jahre wurden lokale Inhalte, spezifische Stärken in bestimmten Genres, Sportrechte und die Kenntnis des lokalen Marktes vielfach als unangreifbare TV-USP verstanden.

©Amazone Prime Screenshot
Auch Live-Sport findet bei Prime und anderen Streamern mittlerweile statt.

Es fehlte die Fantasie sich vorzustellen, dass globale Streamer lokal produzieren, sich in weiteren Genres aufstellen, Sportrechte erwerben und sich lokale Markt-Kompetenz aneignen könnten. Alles Dinge, die in den letzten zehn Jahren eingetreten sind.

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