Sonstiges: 07.07.2004

MPEG-Testmaterial für Entwickler und Conformance-Tests

Die Münchner Firma Videatis stößt mit einem interessanten Konzept in eine Marktlücke: Sie bietet dokumentiertes MPEG-Testmaterial in verschiedenen Auflösungsstufen inklusive Nutzungsrechten an und löst damit ein Problem vieler Entwickler, Soft- und Hardware-Anbieter.

Hard- und Software-Ingenieure der bildverarbeitenden Industrie stoßen im Lauf ihrer Arbeit häufig auf ein oft unterschätztes Problem: Sie benötigen für Conformance-Tests geeignetes Testmaterial unterschiedlicher Qualität, mit dem sich die Leistungsgrenzen ihrer Produkte und ihrer Softwares aufspüren und testen lassen. Zunehmend gefordert: HD-Material. Gleichzeitig muss auch die rechtliche Situation geklärt sein: Darf man das Material weitergeben und öffentlich vorführen, etwa auf Messen, bei Demos und Vorträgen?

Oft zeigt sich, dass die unsichere Rechtslage und die Frage, wer überhaupt Rechteinhaber des Materials ist, sich schwieriger gestaltet, als die Beschaffung des Materials.

Videatis will dieses Problem lösen und hat dafür ein interessantes Konzept entwickelt: Das neu gegründete Unternehmen produzierte selbst technisch anspruchsvolles Material in unterschiedlichsten Auflösungen und Formaten und bietet es nun Entwicklern und Laboren an. Die Kunden erhalten von Videatis das Bildmaterial auf einer Festplatte und erwerben gleichzeitig eine Lizenz für die Nutzung. Videatis ist Rechteinhaber der Bilder, garantiert den Lizenznehmern also volle Rechtssicherheit, wenn sie das Material verwenden.

Hinter dem MPEG-Testmaterial von Videatis steht ein erfahrenes Team aus Spezialisten, das die Idee vom ansprechenden und nach dem Erwerb frei nutzbaren MPEG-Testmaterial realisierte. Ziel war es, praxisnahes, interessantes und auch technisch anspruchsvolles Material anzubieten, das die Codecs auch fordert. Um das zu erreichen, arbeitete Videatis eng mit Professor Dr. Klaus Diepold, dem Leiter des Lehrstuhls für Datenverarbeitung der technischen Universität München und dessen wissenschaftlichem Mitarbeiter Tobias Oelbaum zusammen. Sie entwickelten auf der Basis eines Arbeitspapiers der ISO/MPEG-Gruppe die technischen Rahmenbedingungen für das Projekt.

Für den Dreh des Testmaterials im Auftrag von Videatis war der Produzent Ben Wiedenmann zuständig. Wiedenmann hat als Produzent unter anderem am HD-Projekt »Gone Underground« mitgewirkt und realisierte auch schon etliche Workflow-Tests neuer HD-Kameras. Auch als einer der Initiatoren der Open-House-Veranstaltungen in Unterföhring (siehe Beitrag darüber) war Wiedenmann aktiv.

Die Klärung rechtlicher Fragen oblag Dr. Tim Reinhard von der Luther Menold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Peter Schuster ist als Geschäftsführer der Videatis GmbH für Vertrieb und Vermarktung verantwortlich.

MATERIAL
Videatis produzierte 48 Testsequenzen und fasste sie nun zu einer ersten Ausgabe von Testsequenzen unter dem Titel »Production Reality Set« zusammen. Das Material liegt in SD, 720P, 1080i und 1080P-Auflösung vor. Aufgenommen wurde in DV, Digital Betacam, HD (Panasonic Varicam und Sony HDW-F900) und auf 35-mm-Film. Bei jeder Sequenz ist dokumentiert, wie sie aufgenommen wurde und wie sie auf der Festplatte vorliegt.

Inhaltlich kommen Sportsequenzen vor (Fußball, Ski-Langlauf/Alpin), Teile eines in DV produzierten Kurzfilms mit Titeln und Blenden, Teile eines 35-mm-Films über das Oktoberfest, sowie weitere, speziell für Codec-Tests gestaltete Aufnahmen.

Videatis erläutert: »Die jeweiligen Aufnahmebedingungen sind speziell gestaltet und die Sequenzen sind so ausgewählt, dass sie den Encoding-Prozess zu Testzwecken bezüglich Kamera- und Objektbewegungen, Farbsättigung, Kontrast und Strukturen an den Rand der Leistungsfähigkeit treiben. (…) Das Ergebnis sind „unbehandelte Testsequenzen“ wie sie in der täglichen TV-Produktionsrealität gefertigt würden.«

POSTPRODUKTION / DISTRIBUTION
Das Testmaterial sollte frei von zusätzlichen Bearbeitungsstufen, möglichst im »Rohzustand« belassen werden (bis auf die Titel und Blenden in den Kurzfilmausschnitten). Das Material wurde daher mit einem Avid Nitris HD eingelesen und dann ohne Farbkorrektur oder Effekte, als Serie von Tiff-Dateien auf Festplatte ausgegeben. Das 35-mm-Filmmaterial digitalisierten die Macher im Savelight-Telecine-Prozess. Auf diese Weise kamen die insgesamt 23.000 einzelnen Dateien so originalgetreu wie möglich auf die Platte, ohne unnötig verändert, korrigiert oder transcodiert zu werden.

Videatis liefert das komplette Material auf einer IDE-Festplatte mit 140 GB Speicherkapazität aus. Dabei sind die Tiff-Dateien sequenzweise nach Auflösung strukturiert. Videatis merkt an, dass jede der Sequenzen ausführlich dokumentiert und die Beschreibung ebenfalls auf der Festplatte abgelegt ist.

LIZENZMODELL
Videatis hat sich beim Vertrieb des Testmaterials für ein Lizenzmodell entschieden:
– Lizenznehmer können das Material für interne Zwecke frei und praktisch unbeschränkt im eigenen Haus nutzen.
– Lizenznehmer dürfen das Material unter Hinweis auf die Lizenzbedingungen auch weitergeben und mit einem Copyright-Hinweis auch öffentlich vorführen.
– Lizenznehmer können das Nutzungsrecht verkaufen, wenn der neue Käufer die Lizenzbedingungen akzeptiert.
Der Nettopreis für ein Set inklusive Festplatte liegt bei 2.249 Euro.

ZUKUNFTSPLÄNE
Videatis will künftig nicht nur das Testmaterial, sondern auch Testdienstleistungen anbieten. Eine Erweiterung des Testsets ist ebenfalls denkbar, etwa durch Material, das mit anderen HD-Kameras produziert wurde, oder durch zum Ausgangsmaterial mitgelieferte Conformance-Streams.

Prof. Dr. Klaus Diepold sieht hier noch viele Einsatzmöglichkeiten: »Wir stellen bei den MPEG-Treffen immer wieder einen großen Bedarf fest und denken, dass sich hier noch weitere Möglichkeiten ergeben«. Videatis-Geschäftsführer Peter Schuster ergänzt: »Das „Production Reality Set“ ist ein erster Schritt zum Aufbau einer Bibliothek von standardisiertem Testmaterial. Das wollen wir weiter ausbauen, künftig aber auch spezielle Testdienstleistungen anbieten«.