Messe: 10.04.2013

NAB2013: What happened to post?

Die Postproduktion ist in der Krise. Sätze wie diesen konnte man in jüngster Zeit oft hören und lesen und natürlich gibt es auch einige handfeste Belege dafür: Einige große und auch bekannte internationale Postproduktionshäuser gingen in den vergangenen Monaten in die Insolvenz.

Auch in Deutschland gab es in den vergangenen Jahren Insolvenzen und Turbulenzen. Als nun auch etliche Größen aus Hollywood ihre Segel streichen mussten, wurde das Thema in breiterem Rahmen diskutiert: Bekanntester Vertreter in jüngster Zeit war das Postproduktionshaus Rhythm and Hues, das den oscar-prämierten Film»Life of Pi« bearbeitete. Wie kann es sein, dass ein großes Postproduktionshaus, das an einer nicht minder großen und prestigeträchtigen Produktion beteiligt ist, in die Insolvenz gehen muss? Offenbar sind es ja nicht regionale Probleme, die hier virulent sind, sondern es muss Hintergründe geben, die weltweit Probleme verursachen.

Vielleicht muss etwas weiter in die Vergangenheit blicken, um Antworten zu finden. Zum einen hat sich der Markt dramatisch verändert, denn Ende der 90er Jahre begann ein einzigartiger Preisverfall: Plötzlich wurden neue Hard- und Software-Systeme zu einem Bruchteil ihrer früheren Preise verfügbar. Die Ausläufer dieser Entwicklung sind bis heute zu spüren: Heute ist es möglich, mit einer 1.000-Euro-Software Dinge zu tun, die früher nur erfahrene Operator mit teuren VFX-Systemen umsetzen konnten. Mit der günstigen Software geht das vielleicht nicht so gut und auch nicht so schnell wie mit dem teureren System, aber immerhin: es geht.

Das wiederum führte dazu, dass plötzlich sehr viele Leute prinzipiell solche anspruchsvollen Jobs umsetzen können. Gleichzeitig hat sich die Branche so entwickelt, dass man heutzutage in aller Welt VFX-Dienstleistungen zu Spottpreisen einkaufen kann, besonders dort wo die Personalkosten niedrig sind: Wenn man einfach die Jobs in kleinere Einheiten runterbricht, können etwa in China oder Indien mehrere Operators mit Standard-Hard- und Software einen Postproduction- oder Animationsjob billiger erledigen als ein Operator in Los Angeles, London oder Berlin. Aber auch im jeweils eigenen Land wächst die Konkurrenz, wer etwa im elterlichen Souterrain in Ampermoching arbeitet, kann seine Leistungen billiger anbieten, als eine Agentur in einer Toplage in Hamburg — ohne dass man das dem Endprodukt unbedingt ansehen muss. Somit gibt es nun weltweit betrachtet viel mehr VFX-Spezialisten, die Standard-Jobs immer günstiger anbieten können: Wer weder hohe Fixkosten noch hohe Investitionen finanzieren muss und nur moderate Personalkosten hat, tut sich nun mal leichter mit niedrigen Preisen als ein etabliertes Postproduktionshaus; auch wenn das vielleicht mehr Erfahrung hat, Lösungen umsetzen kann, die über das »Standard-Business« hinausgehen und seinen Kunden eventuell insgesamt mehr bieten kann — inklusive dem etwa in der Werbebranche üblichen Chichi.

Ein weiterer Effekt, der das Gefüge im Postproduktionsmarkt ziemlich durcheinanderbringt: Manche Regionen profitieren von steuerlichen Vergünstigen, mit denen die Politik die VFX-Branche oder die Medienproduktion allgemein subventioniert. Auf diese Weise holte etwa Vancouver viele interessante Jobs, die normalerweise eher in Hollywood umgesetzt worden wären, nach Kanada — und auch aus Deutschland gibt es Beispiele, wie das in Hollywood berühmte »Stupid German Money«, mit dem etwa die Produktion von Spielfilmen in Berlin stimuliert wird.

Doch zurück zur Postproduktion: Auch für VFX-Experten bliebt die aktuelle Entwicklung nicht ohne Folgen: Gerade im High-End-Bereich hat sich mittlerweile so etwas wie ein VFX-Nomadenstamm oder eine Gruppe von hochspezialisierten Wanderarbeitern entwickelt, die von Projekt zu Projekt reisen, jeweils ein enormes Arbeitspensum ableistet und immer damit rechnen muss, durch andere abgelöst zu werden, die bereit sind, zu noch günstigeren Konditionen noch mehr Leistung zu bringen.

Vielleicht kann man die aktuellen Entwicklungen so zusammenfassen: Die Industrialisierung und Globalisierung macht auch vor dem Postproduktions-Bereich nicht halt — und die Konsolidierung dürfte noch nicht zu Ende sein.

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