Messe: 08.10.2015

IBC2015: Streaming — vom Camcorder in die Sendezentrale

Bei vielen gängigen Handhelds ist integrierte Streaming-Funktionalität mittlerweile Standard, aber die Hersteller bieten auch andere Lösungen für Drahtlosübertragung an.

Material vom Camcorder zum Sender zu übertragen, das war lange Zeit nur indirekt möglich: Per Überspielung — von einem Schaltraum oder einem SNG-Fahrzeug aus. Vor einigen Jahren kam dann die FTP-Übertragung hinzu, die im Prinzip jeden PC mit Internet-Zugang zur Übertragungsstation macht.

Der nächste Schritt waren dann Übertragungssysteme, die das Handy-Netz nutzen, um Bild und Ton zum Sender zu übertragen. Das waren zunächst Rucksacksysteme, die für die Signalübertragung mehrere Mobilfunkkanäle bündeln (Tethering), mittlerweile wurden diese Systeme immer kompakter und flexibler, sie können direkt an den Camcorder angedockt werden und nutzen wahlweise WLAN und Mobilfunk, je nachdem, was gerade verfügbar ist. Einer der bekanntesten Anbieter solcher Systeme ist LiveU. Solche Systeme sind seither bei vielen Anwendern in der aktuellen News-Berichterstattung im Einsatz, sie können mit gewissen Einschränkungen — was Bildqualität und Latenz betrifft — sogar für Live-Übertragungen genutzt werden.

Eingebaute Streaming-Funktionalität

Seit einiger Zeit bieten aber immer mehr Camcorder auch schon von Haus aus integrierte Streaming-Funktionalität an. Aktuell etwa weisen alle gängigen Handhelds von JVC, Panasonic und Sony integrierte Streaming-Funktionalität auf — in einigen Fällen wird Live-Streaming-Funktionalität versprochen, andere sind bescheidener und sprechen lieber von einer Möglichkeit, Material direkt vom Camcorder über IT-Infrastrukturen zu übertragen.

Waren diese Übertragungsmöglichkeiten in den Anfängen in puncto Bedienung noch ziemlich umständlich und erforderten teilweise auch Spezialwissen und Zusatz-Software, wird es nun zunehmend einfacher und massenkompatibler, Material zu streamen. Manche Camcorder wurden mit einer Ethernet-Buchse ausgestattet und können darüber mit einem PC in Verbindung treten, andere setzen ausschließlich oder zusätzlich auf kabellose WLAN-Funktionalität.

Die Hersteller arbeiten dabei oft auch mit Partnern aus dem Cloud-Bereich zusammen, die dafür sorgen, dass die aufgezeichneten Daten vollständig übertragen werden und das Streaming für die Anwender im Handling einfach wird. Schließlich gilt: Wenn’s, wie im News-Bereich üblich, vor Ort schnell gehen muss, hat man keine Zeit, Konfigurationen einzugeben, Verbindungen zu optimieren — ein, zwei Knöpfe zu drücken, muss genügen. Man hat auch keine Möglichkeit, sich darum zu kümmern, ob die Übertragung mittendrin abbricht, die Datenpakete nicht vollständig übertragen werden oder die Übertragung neu gestartet werden müsste. Das müssen die Systeme intern lösen — und deshalb ist bei den aktuellen Lösungen oft ein Cloud-Dienstleister im Boot, zu dem der Camcorder nach einmaligem Setup auf Knopfdruck Kontakt aufnimmt und der sich dann um den Rest kümmert: Zwischenspeicherung und Weiterreichung des Materials an vorher definierte Einzelempfänger oder Plattformen.

Kann man damit live arbeiten? Im optimalen Fall ja — mit der Einschränkung, dass es eben nicht wirklich zu 100 % zuverlässig und stabil ist, wenn man sich in öffentlichen Netzen bewegt. Realistischer ist in vielen Fällen also die zeitversetzte Übertragung: Man nimmt vor Ort auf ein Speichermedium auf, wählt die zu übertragenden Szenen aus und schickt sie dann auf die Reise. Dann kommen sie vielleicht nicht in Echtzeit in der Zentrale an, aber immer noch schneller, als wenn man über weite Strecken oder durch das Gewimmel einer Großstadt einen physischen Träger anliefern muss.

Streaming für den News-Einsatz

An solchen Lösungen haben die Hersteller gearbeitet: JVC etwa hat die Streaming-Funktionalität im Firmware-Upgrade 2 für seine Camcorder LS300 und HM200/HM170 deutlich verbessert und arbeitet dabei mit externen Anbietern zusammen.

Sony hat im Rahmen der NAB- und IBC2015 ebenfalls diverse Systeme vorgestellt: Bei einigen Camcordern ist schon eine Übertragungslösung integriert, etwa bei X180, X200 und X500. Andere wiederum lassen sich mit dem externen Adapter CBK-WA101 streaming-fähig machen. Für finanzkräftige Kunden hat Sony zudem eine Wireless-Video-Lösung im Programm, die neue und bestehende Camcorder direkt kabellos an eine Box namens PWS-100RX1 anbindet, deren Funktion Sony als Network RX Station umschreibt. Diese Box rechnet Signalfehler bei der Übertragung heraus und schickt stabile Signale in die jeweils eigene Infrastruktur — direkt vor Ort oder auch weit entfernt. Die Sony-Lösung erlaubt etwa auch den Aufbau von Lösungen, bei denen zunächst geringer aufgelöste Proxies übertragen werden, auf deren Basis man in der Zentrale schon Material auswählen und vorschneiden kann. Dann wird sukzessive das Material in voller Auflösung nachgeliefert und auf dessen Basis automatisiert der finale Beitrag erstellt, der dann viel früher On Air gehen kann, als wenn man konventionell arbeitet.

Panasonic präsentierte ebenfalls schon zur NAB2015 das cloud-basierte Nachrichtenproduktionssystem »P2 Cast«, das die Netzwerkfähigkeit der P2HD-Camcorder mit AVC-Ultra-Aufzeichnung in vollem Umfang ausschöpft, mit ähnlichem Funktionsumfang wie Sony ihn realisiert hat.

Und was ist mit Teradek und anderen Systemen für die kabellose Videoübertragung?

Verschiedene Hersteller bieten Systeme an, mit denen sich Video- und auf Wunsch auch Audiosignale von einer Kamera oder einem Camcorder kabellos übertragen lassen. Diese sind aber in vielen Fällen eher dafür konzipiert, direkt am Set das Kamerabild auf tragbare Geräte wie Handys oder Tablets und eventuell auch auf einen Server zu übertragen, um es dort überwachen, betrachten, loggen und auswählen zu können. Sie sind also eigentlich für einen anderen Zweck optimiert, was aber nicht generell heißt, dass man damit nicht auch einen News-Workflow realisieren könnte. Die Frage ist vielmehr, ob eine einfach nutzbare Infrastruktur dahinter liegt, um die einzelnen Systeme so nutzen zu können — oder ob man die Ressourcen hat, solche Infrastrukturen selbst auf die Beine zu stellen.

Andersrum funktioniert es einfacher: Man kann die Streaming-Funktionalität eines Handhelds in vielen Fällen auch nutzen, um das Bild auf einem Handy mitverfolgen zu können — und teilweise kann man auch den Camcorder in der Gegenrichtung vom Handy aus fernsteuern.

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