Live, Top-Story, Ü-Wagen: 22.08.2016

Bayreuther Festspiele: Alles ganz speziell

Einmal im Jahr findet in Bayreuth das Hochamt der Wagner-Fans statt: Im 1873 speziell zu diesem Zweck errichteten Festpielhaus kann man dann eine jährlich wechselnde Auswahl aus den Hauptwerken Richard Wagners erleben. Seit 2008 ist TV Skyline zusammen mit TMT Broadcast für die TV-Übertragung und Aufzeichnung der Opern zuständig.

Unsichtbar im Festpielhaus

Richard Wagner hatte die Vorstellung, ein Festspielhaus zu errichten, in dem er als Komponist, Textdichter, Dramaturg und Intendant seine Vorstellungen von einem Gesamtkunstwerk umsetzen konnte: Kunstgenuss aus einem Guss.

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Richard Wagner wollte mit dem Festspielhaus letztlich nur eines erreichen: Kunstgenuss aus einem Guss.

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Der Orchestergraben ist für das Publikum nicht einsehbar.

Deshalb ist im Bayreuther Festspielhaus, das Wagner mit dem Architekten Brückwald plante und realisierte, alles auf das Bühnengeschehen ausgerichtet: Der Orchestergraben etwa ist für das Publikum nicht einsehbar, um jede Ablenkung zu vermeiden.

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Von zwölf Kameras waren nur zwei überhaupt sichtbar: seitlich neben der Bühne.

Genauso unsichtbar, wie die Musiker und der Dirigent, muss konsequenterweise auch die Fernsehtechnik bleiben. Deshalb werden die Kameras möglichst so installiert, dass sie das Publikum nicht ablenken. Von zwölf Kameras sind nur zwei überhaupt sichtbar: seitlich neben der Bühne.

Eine der weiteren Kameras ist im Souffleusenkasten versteckt, die meisten anderen am oberen Rand des Orchestergrabens, so dass sie auf die Bühne blicken können, aber selbst nicht zu sehen sind.

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Im ganzen Festspielhaus ist kein Kameramann tätig, weil nichts und niemand die Besucher vom Bühnengeschehen ablenken soll, außerdem ist der Platz im Festspielhaus knapp.

Im ganzen Festspielhaus ist zudem kein Kameramann tätig, alle Kameras werden fernbedient. Dafür gibt es neben der möglichst geringen Ablenkung auch noch einen weiteren Grund: Der Platz im Festspielhaus ist knapp. Wenn der Dirigent und die bis zu 120 Musiker im Orchestergraben Platz genommen haben, geht es dort so eng zu, dass gar kein Platz mehr für Kamerapersonal bliebe.

Es ist auch nicht möglich, Mikrofone abzuhängen oder anderweitig an den Stellen zu positionieren, wo es für den Klang optimal wäre: Es würde stören und es gibt keinen Platz für Stative und Kabel.

Für Bild- und Tontechnik bringt es natürlich auch zahlreiche Herausforderungen mit sich, dass die uralte, denkmalgeschützte Bausubstanz es verbietet, mal schnell ein paar Löcher zu bohren oder ein paar Schrauben einzudrehen.

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Das ganze Haus fungiert bei den Bayreuther Festspielen als Klangkörper: Erst an den Zuschauerplätzen mischt sich der Gesang von der Bühne mit der Musik aus dem Orchestergraben zu einem einzigarten, haustypischen Klangbild.

Das ganze Haus fungiert zu alledem als Klangkörper: Erst an den Zuschauerplätzen mischt sich der Gesang von der Bühne mit der Musik aus dem Orchestergraben zu einem einzigarten, haustypischen Klangbild, das ein ganz besonderes, ungewöhnliches Hörerlebnis eröffnet — so versichern es zumindest die Experten. Veränderungen an Einrichtung, Ausstattung und Baumaterialien könnten das stören, deshalb wird darauf konsequent verzichtet.

Die klanglichen Besonderheiten im Bayreuther Festspielhaus haben — soviel zur Komplexität der Verhältnisse — auch schon große Dirigenten scheitern lassen: So gilt es etwa, besondere Herausforderungen beim Timing zu meistern, damit Gesang und Instrumente bei den Zuhörern optimal zusammenklingen.

Kameras im Festspielhaus

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Die meisten Kameras befanden sich an der Oberkante des Orchestergrabens.

Die meisten Kameras befinden sich an der Oberkante des Orchestergrabens. Dort sind sie hinter dem muschelförmigen Paravent verborgen, der auch den Zuschauerblick in den Orchestergraben verdeckt. TV Skyline hat Spezialhalterungen für die Kameras entwickelt, die einerseits die Musiker nicht beeinträchtigen und so gut wie keinen Platz im Orchestergraben wegnehmen, die aber andererseits dennoch die Last der Kameras aufnehmen und sicher verteilen können.

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TV Skyline hatte Spezialhalterungen für die Kameras entwickelt.

Bis auf eine Kamera, saßen alle Kameras auf Remote-Systemen, die von TV Skyline entwickelt und gebaut wurden. Dabei handelte es sich etwa bei der Dirigentenkamera um eine QubeCam II, Studiokameras von Ikegami und Grass Valley waren auf GentleMote-Systemen montiert.

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Die Kameras unterhalb der Muschelkante befanden sich nah am Bühnengeschehen, sie waren dementsprechend mit weitwinkligen Objektiven bestückt.

Die Kameras unterhalb der Muschelkante, im Souffleusenkasten, die Dirigentenkamera und die seitlichen Portalkameras, befinden sich nah am Bühnengeschehen, sie waren dementsprechend mit weitwinkligen Objektiven bestückt, in der Mehrzahl aus dem Hause Fujinon. Teilweise wurden die Objektive zwischen einzelnen Aufführungen ausgetauscht, denn das Bühnenbild und das Bühnengeschehen verschiedener Opern verlangten hier teilweise eine andere Basis für die Bildgestaltung.

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Aus einer der Logen wurde das Bühnengeschehen ebenfalls aufgenommen.

Aus einer der Logen wurde das Bühnengeschehen ebenfalls aufgenommen: Zwei Kameras standen hier, eine für eine Totale der gesamten Bühne und eine mit einem 86fach-Zoomobjektiv, die es erlaubte, Nahaufnahmen der Sänger zu zeigen.

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Alle Kamerasignale lagen im Ü-Wagen an.

All diese Kamerasignale lagen natürlich im Ü-Wagen an — und zudem ein weiteres: Viele der Inszenierungen arbeiten heute mit Videoprojektionen und das dafür genutzte, hauseigene Videosignal des Festspielhauses, lag ebenfalls im Ü-Wagen an.

Mikrofone im Festspielhaus

Alle Mikrofone im Festspielhaus dienen ausschließlich dem Fernsehton, alles, was die Zuschauer im Saal hören, ist grundsätzlich der unbearbeitete, unverstärkte Originalton.

Um in der TV-Übertragung möglichst nah an das Klangerlebnis vor Ort heranzukommen, waren im Orchestergraben diverse Mikrofone platziert und alle Sänger trugen Funkmikros. Außerdem hatte das Tonmeisterteam aus Peter Hecker und Peter Rafailov Mikrofone im Festspielhaus versteckt, etwa an den seitlichen Säulen, wo sie kaum wahrnehmbar waren — um auch den Raumklang im Festspielhaus zu erfassen.

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