Making-of, Objektiv: 08.11.2023

Netflix-Produktion »Leo« gedreht mit V-Raptor XL und Cooke-Objektiven

Der indische Action-Thriller »Leo« wurde mit der Red-Kamera V-Raptor XL und Cooke Anamorphic/i FF Objektiven gedreht.

Leo, Plakat
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»Leo« ist ein indischer, tamilischsprachiger Action-Thriller, der im Oktober 2023 veröffentlicht wurde. Regie führte Lokesh Kanagaraj, produziert wurde der Film von Seven Screen Studio im Auftrag von Netflix.

»Leo« ist der dritte Teil des »Lokesh Cinematic Universe« dieses Regisseurs. Inspiriert ist der Film von »A History of Violence« (2005), der wiederum eine Adaption der gleichnamigen Graphic Novel ist. Der Film folgt der Hauptfigur Parthi, einem Cafébesitzer und Tierschützer, der in der mittelgroßen Stadt Theog lebt. Parthi wird von den Gangstern Antony und Harold Das verfolgt, weil sie ihn verdächtigen, in Wahrheit selbst ein Gangster und Antonys untergetauchter Sohn Leo zu sein.

DoP des Films ist Manoj Paramahamsa, der den Film ganz bewusst mit Cooke-Optiken realisieren wollte. Er nahm sich die Zeit, über die Dreharbeiten mit dem Objektivhersteller zu sprechen, während der gerade an der Feinarbeit für die Dolby-Vision-Version für die Netflix-Veröffentlichung des Films arbeitete.

Hauptdarsteller Joseph »Thalapathy« Vijay, Autor/Regisseur Lokesh Kanagaraj und DoP Manoj Paramahamsa mit einem weiteren Teammitglied.

Paramhamsa hatte früher schon einmal mit Joseph »Thalapathy« Vijay, dem Hauptdarsteller des Films zusammengearbeitet — zunächst ab 2006 als Kameraassistent und später als Kameramann. Und es war der Hauptdarsteller, der dem Regisseur Lokesh Kanagaraj vorschlug, Manoj Paramahamsa als DoP für »Leo« zu buchen, denn er kannte und schätzte die Arbeit Paramahamsas im Umgang mit komplexen Aufnahmen und visuellen Effekten. Trotz des action-lastigen Charakters des Films fühlte sich Manoj Paramahamsa aber in erster Linie von der Entwicklung und filmischen Reise des Protagonisten im Film angezogen.

»Ich dachte sofort, dass das Drehbuch stark auf die schauspielerische Leistung des Hauptdarstellers ausgerichtet ist, denn der Protagonist konzentriert sich stark darauf, seine Identität zu schützen«, sagte der DoP. »Das ist für mich das Thema. Deshalb fand ich, dass es am wichtigsten ist, die Basics der schauspielerischen Darstellung zu betonen, sich hier auf das Wesentliche zu konzentrieren — und dass das viel wichtiger ist als die Hintergründe, die Drehorte oder die Beleuchtung.«


Offizieller Trailer für »Leo«.

Schon in den ersten Gesprächen zwischen dem Regisseur Lokesh Kanagaraj und dem DoP Manoj Paramahamsa drehte es sich schnell um die Frage der Optiken und des Formats.

Objektiv, Cooke Anamorphic i FF 50 mm
Es wurde ein komplettes Set von Objektiven aus der Familie Cooke Anamorphic i FF verwendet.

»Das Produktionsteam und Netflix wollten in Full Frame und 1:1,85 drehen, aber Lokesh ist ein Mensch, der sehr strikt gegen 1:1,85 ist — er wollte Cinemascope in 1:2,39. Obwohl er nicht die Möglichkeit hatte, auf Film zu drehen, wollte er zumindest das Seitenverhältnis so beibehalten. Warum also nicht anamorphotisch drehen — und so entschied ich mich schließlich für dieses Format. Ich habe dann auch einige andere anamorphotische Objektive getestet, aber die Cooke-Objektive stachen für mich eindeutig heraus.« Die Wahl fiel schließlich auf Cooke Anamorphic/i FF Objektive.

Leo,, BTS, Manoj Paramahamsa
DoP Manoj Paramahamsa bei den Dreharbeiten zu »Leo«.

Die Objektive wurden mit einer Reihe von Red-Kameras verwendet, allen voran mit einer V-Raptor XL (Info) mit 8K-Auflösung, die als Hero-Kamera verwendet wurde — und Paramahamsa sinniert: »Anamorphotische Objektive geben ein etwas dreidimensionaleres Gefühl, bei dem das Motiv stärker vom Hintergrund isoliert ist — sie sorgen so für eine intensivere Präsenz. Das Gute an der speziellen Kombination aus 1,8x anamorph und Vollformat mit der Raptor war, dass ich mit Anamorphoten mehr POV bekomme als mit S35, und das ist ein großer Vorteil.«

Die Vorbereitungen waren sehr umfangreich, und Manoj Paramahamsas Fachwissen im Bereich der Pre-Visualisierung ermöglichte es ihm, den gesamten Prozess zu steuern und zu kontrollieren. Als einer der Mitbegründer von Stage Unreal hatte Paramahamsa zusammen mit dem geschätzten VFX-Supervisor Srinivas Mohan dem Team Zugang zu einem hochmodernen Toolset verschafft. Große Teile des Films wurden im 3D-Raum mit Unreal Engine vorproduziert, was das Experimentieren in Echtzeit ermöglichte. Der Stunt-Choreograf und der Regisseur gaben Anweisungen, anhand derer Paramahamsa seine Aufnahmen mit der entsprechenden Sensorgröße und Brennweite simulieren konnte, die ihm während des Drehs zur Verfügung standen.

bevor der ganze Film »in die Lava hinabsteigt« und so in seinem letzten Akt einen viel stärkeren Orangeton erhält.
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Mit einem Drehplan von etwa 125 Tagen drehte »Leo« an einer Vielzahl von Drehorten, unter anderem in Kaschmir — bei starkem Schnee im Winter. Der DoP dankt sowohl seinem Team am Set als auch seiner Pre-Lighting-Crew dafür, dass dieser Zeitplan überhaupt funktionieren konnte. Beim Zeitbedarf für die Grundausleuchtung konnte durch die gute und umfangreiche Pre-Visualisierung eingespart werden und so blieb mehr Zeit, die Prioritäten herauszuarbeiten und zu optimieren, etwa auch bei der Abstimmung von Außen- und Innenaufnahmen.

»Die Sets für die Innenaufnahmen wurden im Studio gebaut«, erklärt Manoj Paramahamsa. »Das Nachtcafé zum Beispiel wurde komplett im Studio gebaut. Wir hatten tatsächlich einen Außendrehort erkundet, aber das entdeckte Café in Kaschmir war sehr klein. Das Äußere war aber so schön, dass wir uns entschieden, das einfach zu überbrücken: alle Außenaufnahmen waren echte Drehorte, alle Innenaufnahmen wurden als Studiosets gebaut. Auch das Wohnhaus wurde so behandelt. Wir hatten ein wunderschönes Haus in Kaschmir gefunden, dort haben wir die Mauern des Geländes verlängert und noch mehr Gras und andere Dinge eingebaut, um mehr Platz für eine Verfolgung zu schaffen. Aber statt einen Greenscreen im Hintergrund zu verwenden, habe ich entschieden, lieber viel Dunst und Nebel zu verwenden und die Tiefe möglichst zu erhalten. Greenscreen haben wir für die Fenster verwendet, die meisten Innenaufnahmen sind mit Kulissen realisiert.«

Paramahamsa ist im Umgang mit Cooke-Objektiven sehr erfahren: Er war der erste indische Kameramann, der die S4-Objektive einsetzte. Er drehte damals mit 3-Perf auf 35 mm mit einer Arri 235. Danach nutzte er die 5/i-Objektive, bevor er zu anamorphen 35-mm-Filmen und später zu sphärischen digitalen Full-Frame-Aufnahmen wechselte. Mit »Leo« kehrt er zu Cooke zurück und kombinierte die Vollformat-Red mit Anamorphoten. »Ich bin damit sehr glücklich — und der nächste Film, den ich gerade drehe, wird das gleiche Setup nutzen.«

DoP Manoj Paramahamsa (mit Sonnenbrille) und seinem Kamerateam. Neben der tief montierten Hero-Cam sieht man noch weitere Red-Kameras, eine auf einem Slider und einem Ronin-Stabilizer, eine auf einem Trinity-System.
Kamera, Red, V-Raptor XL
Die Red V-Raptor XL fungierte, wann immer möglich, als Hero-Kamera.

Für die fesselnden und rasanten Kamerabewegungen, die im gesamten Film realisiert wurden, setzte Manoj Paramahamsa eine Reihe von speziellen Rigs ein, auch FPV-Drohnen und das Trinity-System (Infos) von Arri wurden verwendet. Die Red V-Raptor XL fungierte, wann immer möglich, als Hero-Kamera. Die wichtigsten Objektive waren das Cooke 32 mm, 50 mm, 85 mm Macro, 135 mm und 180 mm 1.8x Squeeze Full Frame Anamorphic/i mit der »Special Flair« -Vergütung — das verwendete Set ist der persönliche Objektivsatz des DoPs. Insbesondere das 85-mm-Makro erwies sich als unschätzbar wertvoll für gewagte Nahaufnahmen, in denen es um intensive Aufnahmen der Hauptfigur Parthi ging.

Objektiv, Cooke Anamorphic i FF 85 mm
»Das 85 mm Makro war dabei unser absolutes Lieblingsobjektiv.«

»Wir wollten das Motiv näher heranholen«, sagt Paramahamsa. »Das 85 mm Makro war dabei unser absolutes Lieblingsobjektiv. Immer wenn Lokesh etwas Dramatisches will, nehmen wir das 85 mm. Auch das 32 mm ist wunderschön, weil alle Linien gekrümmt sind. Es war wirklich interessant, diese filmische Verzerrung mit dem 32 mm zu haben. Das sind meine beiden Favoriten.«

Objektiv, Cooke Anamorphic i FF 32 mm
»Auch das 32 mm ist wunderschön, weil alle Linien gekrümmt sind.«

Bei seinen früheren Filmen mit sphärischen Cooke-Objektiven hatte Manoj Paramahamsa Tiffen-Glimmerglass mit geringer Lichtstärke eingesetzt, aber abgesehen von internen NDs verwendete er bei Leo keinerlei Filterung. »Das Cooke-Objektiv selbst ist so cremig und butterweich, dass ich keine Filterung verwenden wollte. Die Augen sind scharf und die Haut ist weich. Das ist etwas, das wir wirklich sehr gerne haben. Und das Objektiv kann diesen Look sehr einfach herstellen.«

Paramahamsa strebte eine Blende zwischen T4 und T5,6 an und stellte fest, dass das Bokeh und die Schärfentiefe in diesem Bereich nach unserem Geschmack waren. Die meisten Dialogszenen wurden mit drei Kameras gedreht, da Lokesh Kanagaraj und die Stars es vorzogen, sie mit weniger Takes abzuschließen. Dies wurde durch das Beleuchtungskonzept des DoPs unterstützt, bei dem hauptsächlich LED-Leuchten zum Einsatz kamen.

DoP Manoj Paramahamsa und Autor/Regisseur Lokesh Kanagaraj im Gespräch über eine Einstellung für »Leo«.

»Die Schauspiel-Performance ist bei diesem Film sehr wichtig, deshalb wurden alle dramatischen Szenen und alle Dialogszenen mit drei Kameras gedreht, damit wir im gesamten Film eine visuelle Konsistenz beibehalten. Als Hauptlicht verwendete ich die neuesten Gemini-Panels: Dieses harte Licht und die neue Farb-Engine sorgen für ein scharfes RGBWW, und das Licht ist wunderschön und sehr effizient. Ich habe viel Pre-Light durchgeführt, alles wurde geriggt und über die App gesteuert. Da es sich insgesamt nicht um einen weichen, glänzenden Look handeln sollte, konnten wir mit diesem speziellen Licht mehrere Kameras verwenden. Ich habe nicht viel HMI- oder PAR-Licht verwendet, da diese Härte bei mehreren Blickwinkeln definitiv störend wäre. Das harte Gemini-Licht bot für mich die perfekte Balance.«

Ein weiterer Vorteil der härteren LED-Lichter war die Möglichkeit, bei der regelmäßigen Verwendung von variablen Bildwechselfrequenzen immer dann, wenn es nötig war, für zusätzlichen Punch zu sorgen. In erster Linie wurde diese Arbeit mit Red-Kameras mit bis zu 120 fps durchgeführt, aber für bestimmte Sequenzen wurde auch eine Phantom-Highspeed-Kamera (Infos) für noch höhere Geschwindigkeiten eingesetzt.

Leo, Plakat
In diesem Plakat kann man auch die Farbentwicklung im Film erahnen.
Leo, Plakat
Bevor der ganze Film »in die Lava hinabsteigt«, erhält er einen viel stärkeren Orangeton, wie auch auf diesem Plakat gezeigt.

Der DoP vergleicht die Entwicklung der Beleuchtung und des Farbtons im Laufe des Films mit der »Annäherung an einen Vulkan«. Der Film beginnt in einem viel kühleren Look, in den dann allmählich Elemente von offenem Feuer und wärmeren Quellen einfließen, bevor der ganze Film »in die Lava hinabsteigt« und so in seinem letzten Akt einen viel stärkeren Orangeton erhält.

Paramahamsa zog es dabei vor, Lichtreflexe in ganz bestimmten Momenten einzusetzen, anstatt sie übermäßig zu verwenden, wie man es von einem Film dieses Genres erwarten könnte — und war in dieser Hinsicht sehr präzise bei der Beleuchtung. Einige Montagesequenzen, die mit einem intensiven, energiegeladenen Soundtrack unterlegt sind, gaben Paramahamsa auch die Gelegenheit, sich auszutoben.

Objektiv, Cooke Anamorphic i FF, Special Flare
Es wurden Objektive mit der »Special Flair« -Vergütung verwendet. Dieses Beispielfoto stammt aber nicht aus »Leo«, sondern aus dem Film »La Cabeza de Joaquín Murrieta« von DoP Paulo Pérez.

Er erklärt: »Grundsätzlich wollte ich die emotionalen Momente nicht stören. Aber wenn es nur um Musik geht, weiß ich, dass die Leute die Szene verstehen werden und dass es eine bombastische Hintergrundmusik geben wird. Dann verstärke ich auch die Flares — ansonsten habe ich manchmal das Gefühl, dass wir das übertreiben — ich habe es also nur für die Musikpassagen behalten, nicht für die Dialogteile. Dadurch, dass ich die Lichter auf einer niedrigeren Ebene einsetze und nicht versuche, das Sonnenlicht mit HMI zu simulieren, konnte ich die Flares besser kontrollieren.«

bevor der ganze Film »in die Lava hinabsteigt« und so in seinem letzten Akt einen viel stärkeren Orangeton erhält.
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Paramahamsa verwendete einen LUT-Workflow, den er zusammen mit seinem Stamm-Coloristen Glen Castinho von den polnischen Alvernia Studios entwickelte. Die Fertigstellung in Dolby Vision ermöglichte die Einbeziehung von mehr Details in den Lichtern, insbesondere in den schnee- und feuerlichtlastigen Szenen. Paramahamsa strebte auch für die Kinokopien einen lebendigen HDR-ähnlichen Look an.

In Puncto VFX wurden diese durch den Pre-Visualisierungsprozess geleitet, und Manoj Paramahamsa nutzte Live-Preview-Overlays am Set für bestimmte Sequenzen, einschließlich der finalen Verfolgungsjagd und der Kampfszenen, die im Film vor einem Hintergrund aus Nebel und Schnee stattfinden. Die Cooke-Objektive unterstützten dabei die Produktion und den VFX-Anbieter MPC, um ein präzises Compositing zu ermöglichen.

Objektiv, Cooke Anamorphic i FF
Paramahamsa konnte mit den Cooke Anamorphic/i FFs seine drei früheren Bedenken gegenüber anamorphotischen Objektiven überwinden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Paramahamsa mit den Cooke Anamorphic/i FFs seine drei früheren Bedenken gegenüber anamorphotischen Objektiven überwinden konnte: Hauttöne, Sichtfeld und Nahfokus.

»Ich bin so glücklich, weil ich ohne Filterung die Weichheit erhalte, die ich brauche, und die leichte Wärme auf der Haut ist wirklich angenehm«, sagte der DoP. »Das ist es, was wir an der indischen Haut mögen, die kleine Wärme hilft immer. Deshalb waren wir mit der gesamten Cooke-Reihe so zufrieden. Die Hauptprobleme bei anamorphotischen Filmen sind aus meiner Sicht, dass es sich dann um S35 handelt, so dass das Sichtfeld nicht ausreicht, und der dritte Faktor ist der Nahfokus. Das sind die Punkte, warum wir uns meist nicht für anamorphotisch entscheiden. Das sind die drei Einschränkungen — aber die Cookes haben alle diese Punkte abgedeckt. Das 85-mm-Makro-Objektiv bietet uns den Nahfokus und deckt den gesamten Bildausschnitt ab. Dieses spezielle Set bietet alles, was ein Kameramann braucht, es deckt alles ab.«