Produktions-Report: EM im eigenen Land
Die Produktion der Fußball-Europameisterschaft bei ARD und ZDF.

Remote-Anbindung ZDF-EM-Studio
Das Studio in Berlin wurde komplett von Mainz aus gesteuert. »Von der Kamerakontrolle bis zur Mediensteuerung der LED-Wände saßen nahezu alle Operatoren in Mainz. »Wir haben von Anfang an das Remotekonzept für die Studioanbindung verfolgt, da die zentrale Nutzung unseres NBCs – eine bei Sportgroßveranstaltungen erfolgreich bewährte Produktionsressource – auch im Hinblick auf die direkt im Anschluss stattfindende Olympia-Produktion gesetzt war«, erklärt Johannes Kahl. Beim ZDF habe man bereits viel Erfahrung mit Remote-Produktionen, »das ist bei uns gelebte Praxis«, so Kahl.

Die gesamte Studiotechnik wurde per Netinsight Nimbra über das ZDF-eigene INL 2.0 Leitungsnetz an Mainz angebunden. Hierfür wurden zwei georedundante 10 Gbit/s Ethernet-Verbindungen genutzt, so dass bei Ausfall eines Weges unterbrechungsfrei weitergesendet werden konnte.

»Wir haben uns bei der Studiotechnik für den Centralized – Remote – Ansatz entschieden, um das gesamte Signalprocessing in Mainz zu bündeln und in Berlin unseren Footprint zu minimieren«, sagt Kahl. Die gesamte Technik zur Anbindung des Studios wurde in lediglich 4 Racks verbaut.

Eine weitere Frage war, wie die LED-Wände in diesem Konzept angesteuert werden sollten. »Wir haben dafür verschiedene Setups getestet. Die Variante ‚Medienserver in Mainz‘ hätte auf Grund der hohen Auflösung der LED-Wände eine sehr hohe Netzwerk-Bandbreite im Weitverkehrsnetz benötigt. Zudem wäre eine zusätzliche Synchronisation der Einzelsignale vor Ort notwendig geworden«, erklärt Kahl,

»Daher haben wir uns gemeinsam mit unserem Dienstleister Ikarus für die Remote-Controlled Variante entschieden, bei der die Medienserver in Berlin verortet sind und aus Mainz ferngesteuert werden.« Die Server wurden ebenfalls über das ZDF-eigene INL 2.0 mit 2 x 10 Gbit/s angebunden. »Diese Leitung war so dimensioniert, da die Medieninhalte vor der Sendung filebasiert von Mainz nach Berlin gelangen mussten. Während der Sendung war der Traffic für die Steuerung dann natürlich gering«, so Kahl.
Herausforderung Latenzen
»Eine generelle Herausforderung bei Remote-Produktionen sind Latenzen«, erklärt Johannes Kahl. »Wir hatten Latenzen der LED-Wände, der Kameras, der Nimbra-Leitung.« Die Echtzeit in Mainz und die Remotezeit in Berlin unter einen Hut zu bringen erforderte schließlich auch viel Erfahrung.

Erste Erfahrungen mit Remote-Konzepten sammelte das ZDF bereits 2014 bei der WM in Brasilien, damals noch mit Augmented-Reality-Elementen (siehe Bericht). Bei späteren Europa- und Weltmeisterschaften folgten Erfahrungen mit LED-Wänden. »Wir arbeiten mit einem Multidelay-Konzept.

Darunter verstehen wir, dass alle Quellen auf dem Bildmischer verzögert werden, und zwar jeweils um den Wert, den wir an den Testtagen als Gesamtlaufzeit zwischen Regie und Remote-Set ermittelt haben. Im Gegensatz dazu sind alle Signale auf der LED-Wand unverzögert. Mit diesem Setup konnte am Bildmischer in gewohnter Arbeitsweise intuitiv zwischen den Quellen geschaltet werden, ohne dass es zu Latenzproblemen kam. So ist es möglich, Schaltgespräche auf der LED-Wand anzufangen, dann in den Live-Bereich zu schalten und dann wieder zurück auf die LED-Wand zu übergeben«, so Rathgeber.

Die LED-Wand war bei diesem Konzept also letztlich die Referenz für alle anderen Gewerke.
Das ZDF im Stadion
Das ZDF schickte bei jedem Spiel einen eine/n Kommentator_in ins Stadion. Diese Position wurde über MADI zum NBC geschaltet und dort mit anderen Signalen gemischt. Zusätzlich waren Reporterteams mit LiveU-Systemen in den Stadien. »Beim Eröffnungsspiel und beim Achtelfinale haben wir auch einen eigenen Ü-Wagen ins Stadion geschickt, um insbesondere die Interviews mit dem Bundestrainer und die Moderationsposition mit den beiden Experten bestmöglich zu produzieren. Die Anbindung erfolgte von dort per Uni VandA via Venue-to-Pop Delivery über den Content Hub ins NBC«, so Rathgeber.
ARD und ZDF in Herzogenaurach
Die Präsenz in Herzogenaurach am Quartier der deutschen Nationalmannschaft teilten sich ARD und ZDF. In einem Containerkomplex standen dort Schnittbeobachtungskabinen zur Verfügung. Für das ZDF waren die Schnittplätze mit dem NBC verbunden, von wo aus die Redakteurinnen und Redakteure den Cuttern und Cutterinnen im NBC quasi über die Schulter schauen konnten. Ähnlich war die Lösung für die ARD, wo es eine Anbindung an den WDR gab. Sprich, in Köln wurde geschnitten, in Herzogenaurach zugesehen. Für das ARD Radio wurden täglich von morgens bis abends im 6-Minuten Takt Gespräche mit den Hörfunkwellen angeboten und eine Vielzahl Beiträge, Collagen, Storys und Interviews rund um die Deutsche Mannschaft produziert.

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