Kamera, Test, Top-Story: 27.02.2009

Test HXR-MC1: Die Makro-Action-Kamera

Ein ultrakompaktes HD-Aufnahmesystem, das ist heute eine Fingerkamera mit einem Speicherkarten-Recorder. Das sieht man bei Sony offenbar auch so, denn mit der HXR-MC1 bietet der Hersteller genau das an. film-tv-video.de hat das Gerät ausprobiert.

Um es gleich klar und deutlich vorauszuschicken: Sonys HXR-MC1 kommt von der Bildqualität nicht einmal in die Nähe einer Cunima, Iconix oder SI-2K — beim Preis aber eben auch nicht. 2.310 Euro Listen-Nettopreis deuten an, in welcher Größenordnung man das Gerät einordnen muss. Die HXR-MC1 ist eine Mischung aus Fotoapparat und Camcorder auf gehobenem Consumer-Niveau.

Der spritzwassergeschützte Kamerakopf ist so lang wie ein Finger und so dick wie ein Sektkorken, er kann auch etwas härtere Umweltbedingungen wegstecken. Über ein rund drei Meter langes Kabel ist er mit dem Recorder verbunden, der etwa halb so groß ist wie ein NP-1-Akku. Am Kamerakopf selbst finden sich keinerlei Bedienelemente, die Steuerung erfolgt über ein paar wenige Tasten am Recorder und über dessen eingebauten Touchscreen. Aufgenommen wird im Format AVCHD auf eine Speicherkarte, die in einem Slot des Recorders steckt.

Hoher Spaßfaktor

Es macht Spaß, sich Anwendungen für die Minikamera auszudenken und sie auszuprobieren. Mit Klettbändern lässt sich die Kamera am Ski- und Fahrradhelm ebenso befestigen, wie am Schlitten und am Fahrrad. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt: Kamera montieren, Recorder in die Jackentasche, los geht’s.

Auch im Musik- und Bühnenbereich lässt sich eine Fingerkamera auf vielfältige Weise einsetzen: Am Gitarrenhals und auch am Schlagzeug kann die leichte, unauffällige Kamera montiert werden, ohne den Lauf der Dinge all zu sehr zu stören.

Neben dem kleinen Formfaktor bietet die Kamera ein zweites Feature, das ein breites Spektrum von Anwendungen erschließt: Die Kamera kann als elektronische Lupe eingesetzt werden. Sie erlaubt sehr beeindruckende Makroaufnahmen und kann dabei Objekte scharfstellen, die fast schon die Frontlinse berühren: Für die weitwinkligste Position gibt Sony 1 cm Mindestabstand an, aber bei ausreichender Beleuchtung ist die Schärfentiefe so groß, dass man diesen Wert auch unterschreiten kann. Damit kann man selbst seiner nächsten Umgebung höchst ungewöhnliche Bildeindrücke abgewinnen: Eine Zahnlücke bildfüllend auf dem heimischen Plasmaschirm ist zwar sicher nicht jedermanns Sache, kann dem Milchzahnträger aber beweisen, dass man den neuen, nachwachsenden Zahn schon sehen kann.

Limits eingebaut

Ein paar Grenzen sind der Experimentierfreude beim Einsatz der Kamera aber schon gesetzt: Der Recorder verträgt im Unterschied zur Kamera kein Wasser, sondern muss immer trocken aufbewahrt werden. Das Kabel zwischen Kamera und Recorder ist 2,8 m lang und an beiden Enden fest montiert. Das bedeutet, dass man in manchen Aufnahmesituationen recht viel »übriges« Kabel verstauen muss und dabei manchmal etwas unflexibel ist — auch wenn Sony dafür ein Klettband für das Kabel und einen Gürtelhaken beilegt. Manchmal würde man sich einfach wünschen, das Kabel zum Verlegen wenigstens an einem Ende abstöpseln zu können.

Was beim praktischen Einsatz ebenfalls rasch auffällt: Der Brennweitenbereich ist nicht optimal gewählt. Im HD-Modus entspricht der Zoombereich umgerechnet auf 35-mm-Fotoverhältnisse einem Brennweitenbereich von 43 bis 507 mm. Gerade bei einer Fingerkamera wäre eine weitwinkligere Optik eigentlich besser geeignet. Um etwa in beengten Cockpits von Rennwagen zu drehen oder einen wirklich guten Eindruck von einer rasanten Mountainbikefahrt zu bekommen, braucht man eben kein Super-Tele, sondern ein Weitwinkelobjektiv. Immerhin lassen sich am Kamerakopf Objektivvorsätze montieren (Filterdurchmesser 30 mm). Ein Weitwinkelvorsatz kann also eingesetzt werden, vergrößert aber die Maße und das Gewicht des Kamerakopfes, außerdem führt ein Vorsatz immer zu einer — wenn im günstigsten Fall auch geringen — Verschlechterung der optischen Eigenschaften des Objektivsystems.

Auch beim Live-Einsatz der Kamera gibt es einen Umstand, der die Einsatzmöglichkeiten beschränkt: Schon die HXR-MC1 in sich weist im Live-Betrieb eine deutlich wahrnehmbare Laufzeit von etlichen Bildern auf — obwohl ja hier eigentlich gar keine komplexe Kodierung nötig ist. Kommt es also auf Synchronität der Live-Bilder zum realen Ereignis an — wenn etwa die Bilder der Kamera bei einem Konzert auf einer Leinwand im Hintergrund zu sehen sind — dann ist das mit der HXR-MC1 nur mit Einschränkungen und Kompromissen möglich.

Mikro integriert

In den Kamerakopf ist ein Mikrofon eingebaut, dessen Richtcharakteristik sich elektronisch variieren lässt: Wenn man die Funktion »Int. Zoom-Mikro« im Einstellmenü aktiviert, folgt die Richtcharakteristik des Mikros der Zoomposition. Es kann beim HXR-MC1 kein anderer Ton als der des integrierten Mikros aufgezeichnet werden.

Bedienung

Die Bedienung des Kamerasystems erfolgt am Recorder. Hier gibt es einige wenige Schalter und hier befindet sich auch das Touchpanel, über das die meisten Einstellungen und Bedienvorgänge erfolgen. Abgesehen von der Zoomwippe fehlen klassische Kamerabedienelemente gänzlich, es gibt nur einen Regler, auf den man per Einstellmenü jeweils eine Funktion legen kann, etwa manuelle Schärfe oder Belichtung. Auch für Funktionen, die im professionellen Umfeld essenziell sind und häufig benötigt werden, wie etwa den Weißabgleich, muss man den Touchscreen nutzen.

Sony unterscheidet dabei das klassische Einstellmenü, in dem eher grundlegende Einstellungen vorgenommen werden und das Optionen-Menü, das einen etwas schnelleren Zugang zu häufiger benötigten Funktionen erlaubt. Im Optionen-Menü kann etwa die Scharfstellmethode des Autofokus ausgewählt, die Belichtungsautomatik angepasst oder eine Programmautomatik wie »Schnee«, »Porträt« oder »Kerzenschein« abgerufen werden.

Das 16:9-Display mit 6,7 cm Diagonale zeigt ein Bild mit 960 x 220 Bildpunkten. Das reicht, um den Bildausschnitt zu kontrollieren und man hat auch eine grobe Ahnung, wo die Schärfe liegt — mehr aber nicht. Hier ist Vertrauen auf die Automatikfunktionen angesagt. Immerhin: Zebra für die Belichtungskontrolle kann aktiviert werden.

Bildqualität

Die Bildqualität der MC1 bewegt sich auf Consumer-Niveau. Dort wo sich AVCHD- und HDV-Camcorder mit nur einem Bildsensor tummeln, fügt sich auch die Sony-Kombi ein. Interessanterweise kommt die Kamera im Praxisbetrieb mit Makroaufnahmen besser klar als mit normalen Aufnahmen. Vielleicht liegt der Ursprung des Systems im medizinischen Bereich oder in der Materialprüfung und die Signalverarbeitung ist daher eher auf das Handling solcher Bilder abgestimmt?

Wenn das Umgebungslicht abnimmt, schwächelt auch die MC1: Die Bilder beginnen dann — CMOS-typisch — deutlich zu rauschen. Unter etwas dunkleren Beleuchtungsverhältnissen, die von üblichen Consumer-Camcordern aber noch spielend gemeistert wurden, erreichte das Bildrauschen der MC1 in manchen Situationen schon die Grenze des Akzeptablen.

Aufzeichnung

Die Aufzeichnung erfolgt auf eine Speicherkarte. Leider setzt Sony dabei nicht auf einen der weiter verbreiteten Standards wie SD– oder CF-Karten sondern auf seinen eigenen, im Markt eher schwach vertretenen Memory-Stick in der Variante »Pro Duo«.

Die Daten werden im SD-Modus als MPEG-2-Dateien gesichert, im HD-Modus setzt Sony beim HXR-MC1 auf AVCHD. In der höchsten Bildqualitätsstufe (AVCHD FH), mit einer Datenrate von 16 Mbps, reicht eine 1-GB-Karte für sechs Minuten Aufnahmedauer, die maximal verwendbare Kartengröße gibt Sony mit 16 GB an, was in dieser Qualitätsstufe dann für 110 Minuten reicht. AVCHD FH verwendet im Unterschied zu den niedrigeren Qualitätsstufen HQ, SP und LP das volle Raster von 1.920 x 1.080 Bildpunkten. Die niedrigeren Qualitätsstufen nutzen 1.440 x 1.080 Bildpunkte und eine höhere Kompression.

Die HXR-MC1 kann wie ein Camcorder mit Start/Stopp der Aufnahme per Tastendruck genutzt werden, bietet aber auch — dank einem integrierten Pufferspeicher — erweiterte Aufnahmemöglichkeiten: So gibt es etwa eine Zeitlupenfunktion. Drei Sekunden lang werden in diesem Modus 100 fps aufgezeichnet, die 3-Sekunden-Sequenz dauert also in der Wiedergabe 12 Sekunden. Allerdings reduziert die Kamera hierfür die Bildqualität deutlich. Im Zeitlupenmodus steht auch eine Retro Loop-Funktion zur Verfügung: Das Gerät kann also auch so eingestellt werden, dass beim Druck auf die Aufnahmetaste die Bilder der direkt davor liegenden drei Sekunden gespeichert werden.

Eine zweite Möglichkeit, den Pufferspeicher zu nutzen ist es, Fotos mit höherer Auflösung während einer laufenden Videoaufnahme zu schießen. Nimmt die Kamera ein HD-Video auf, dann wird mit dieser Funktion ein digitales Foto mit 2,3 Millionen Bildpunkten aufgenommen.

Es ist auch möglich, direkt im Gerät Einzelbilder aus Videosequenzen zu grabben und als Standbilder zu speichern.

Wird das Gerät im Fotomodus betrieben, kann es digitale Bilder mit maximal vier Millionen Bildpunkten (2.304 x 1.728) aufnehmen. Die Fotofunktionen hat film-tv-video.de nicht genauer untersucht.

Wiedergabefunktionen

HD-Aufnahmen können von der HXR-MC1 auch down-konvertiert und als SD-Videosignale ausgegeben werden.

Die HXR-MC1 kann Clips auf verschiedene Weise indexieren und sortieren. Eine Besonderheit ist dabei der Gesichtsindex: Dabei versucht das System in den Videoaufnahmen Gesichter zu erkennen. Damit können dann alle Szenen, in denen die gewünschte Person vorkommt, aus der Gesamtheit der Aufnahmen herausgefiltert werden. Diese Funktion haben die Tester aber aus Zeitgründen nicht ausprobiert, sie soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Ausgänge

Eine kombinierte AV/Remote-Spezialbuchse dient zum Anschluss einer optional verfügbaren Fernsteuerung oder einer der beiden mitgelieferten Kabelpeitschen. Über die eine Kabelpeitsche können analoge Komponentensignale, über die andere ein FBAS-Signal ausgegeben werden — jeweils mit Stereo-Audio. Höhere, digitale Bild- und Tonqualität ermöglicht der HDMI-Ausgang. Außerdem steht ein USB-Anschluss zur Kontaktaufnahme mit PCs und Druckern bereit.

Andere Signalbuchsen gibt es nicht, man kann also kein externes Mikrofon anschließen oder Bildsignale anderer Quellen einspeisen.

Weitere technische Daten

Der Single-Sensor-Kamerakopf arbeitet mit einem CMOS-Bildwandler, der eine Diagonale von 1/5 Zoll aufweist (3,6 mm). Im 16:9-Videomodus werden knapp 1,5 Millionen Bildpunkte für die Bilderzeugung genutzt. Das Objektiv erreicht eine maximale Öffnung von F1.8 in der weitwinkligsten Position, die im Telebereich bis auf F3.2 absinkt (laut technischem Datenblatt: F2.3). Der Kamerakopf misst rund 4 x 4 x 9 cm. Der Recorder misst betriebsbereit (mit Akku) rund 8 x 12 x 5 cm und wiegt knapp 600 g (Herstellerangaben, ohne Kabel).

Für den Recorder liefert Sony einen Gürtelclip mit, für das Kabel einen Gürtelhaken. Kamera und Recorder weisen jeweils eine kleine Stativgewindebohrung auf und können alternativ auch auf einen Blitzschuh gesteckt werden.

Fazit

Mit der Kamera/Recorder-Kombi HXR-MC1 hat Sony eine Bereicherung seiner Produktpalette geschaffen. Ein Reiz liegt sicher darin, dass sich das System sehr einfach und fast idiotensicher bedienen lässt. So kann man sich auf das Ausdenken und Ausprobieren von immer neuen Einsatzmöglichkeiten konzentrieren, was viel mehr Spaß macht, als irgendwelche technischen Probleme zu lösen. Die können den Anwender allerdings nach der Aufnahme einholen: MemoryStick und AVCHD sind derzeit keine weit verbreiteten Techniken, was bei AVCHD sicher im Lauf der Zeit noch besser werden wird. Momentan kann man aber auf Hürden stoßen: AVCHD verlangt in der Nachbearbeitung einen leistungsfähigen Rechner, Geräte mit einem Slot für den Memory-Stick findet man außerhalb der Sony-Produktpalette wesentlich seltener, als etwa SD-Karten-Slots. Beim Handling bietet das All-in-One-Design Vorteile, bringt aber eben auch Einschränkungen mit sich.

Alles in allem ist die HXR-MC1 aber ein wirklich schönes Spielzeug. Auch wenn die Bildqualität nicht für hohe und höchste Ansprüche ausreicht, bietet die MC1 doch eine Möglichkeit, Aufnahmen zu realisieren, die anderweitig nicht oder nur mit sehr viel mehr Aufwand und Kosten realisierbar wären.

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