Branche, Top-Story: 09.11.1999

Die Format-Entwicklung geht weiter

Dass die Entwicklung der Videoformate immer weitergeht, ist ein offenes Geheimnis. Aber in welche Richtung zielen die Hersteller? Welche generelle Marschrichtung gibt es jenseits von DVCPRO, D9 und Betacam SX? Wohin geht die Reise mit DVCPRO50, MPEG-2 mit 50 Mbps, 24P, und den HD-Varianten der Digitalformate? Sony lüftete für einen kurzen Moment den Vorhang.

Nun ist es raus. Es stimmt, was Insider schon länger vermuten: Im Gespräch mit film-tv-video.de bestätigte Jürgen Burghardt, Marketingleiter Broadcast & Production bei Sony Deutschland, dass es bei Sony schon relativ konkrete Überlegungen gibt, MPEG-Recorder mit einer Datenrate von 100 oder 200 Mbps zu bauen. Auch diese Geräte sollen auf 1/2"-Band mit Kassetten in Betacam-Abmessungen basieren.

Meist sind die Hersteller mit Ausblicken in die fernere Zukunft der Technik im allgemeinen und der eigenen Produktlinien im besonderen, sehr zurückhaltend und vorsichtig. Zum einen kann man sich mit Zukunftsprognosen immer sehr leicht blamieren, zum anderen will man die aktuellen Verkäufe nicht durch Visionen und Geisterbilder dessen behindern, was irgend wann mal kommen könnte.

Da Sony aber derzeit sehr stark das Thema Migration von Betacam SP zu MPEG-2 mit 50 Mbps betont, ist es nur logisch, diese Linie weiterzuziehen. Zumal Panasonic und JVC sehr früh mit 50-Mbps-Formaten und dann mit 100-Mbps-Varianten ihrer Formate vorpreschten.

Zum Teil rudern Sony und JVC dabei in die gleiche Richtung: Zwar erlaube das schmalere Band von DVCPRO die kleineren Geräte, aber das Halbzoll-Band und die damit in Zusammenhang stehenden Formatparameter böten einfach mehr Reserven, um das Format in Zukunft weiter zu entwickeln. Speziell der langsamer laufende Bandtransport, die niedrigere Kopfdrehzahl und die größer dimensionierte Kopftrommel der Halbzoll-Formate werden als Argumente genannt.

Panasonic hält mit dem Verweis dagegen, dass sich ja auch DVCPRO und die Technik generell weiterentwickle und dass DVCPRO eben wesentlich mehr sei, als nur ein Bandformat, nämlich auch ein File-Format. Darin liege ein mindestens gleich großes Potential für zukünftige Entwicklungen.

Beim heutigen Stand der Technik ist es aber in der Tat einfacher, auf Basis eines Halbzoll-Formats einen bandbasierten Recorder mit einer Video-Datenrate von 100, 200 oder gar 300 Mbps zu bauen und dabei ein robustes System mit vernünftigen Spielzeiten zu erreichen. Das Viertelzoll-Band stößt dabei derzeit an Grenzen, besonders was die Spielzeiten betrifft.

Ob aber ein Video-Bandsystem mit so hohen Datenraten in Zukunft überhaupt gebraucht wird und sich am Markt durchsetzen kann, ist natürlich eine offene Frage. Schließlich entwickelt sich auch die Kompressions-Technologie weiter: Vielleicht sind schon bald gar keine höheren Datenraten mehr nötig, um eine deutlich bessere Bildqualität zu erreichen. Es könnte durchaus passieren, dass Bandsysteme zukünftig nicht mehr als Videorecorder eingesetzt werden, sondern als Daten-Streamer. Dann muss die Bandmaschinen gar nicht mehr in der Lage dazu sein, ein bestimmtes Bild zu einem bestimmten Zeitpunkt wiedergeben zu können. Diese Aufgabe könnten dann andere Systeme übernehmen.

Damit sind wir beim Disk-Recorder, der nicht nur ohne Spulzeiten auskommt und den direkten Zugriff auf jedes Einzelbild erlaubt, sondern der zudem einen weiteren wesentlichen Vorteil gegenüber der Bandmaschine hat: Mit einem Disk-Recorder lassen sich wesentlich einfacher und wirtschaftlicher verschiedene Datenraten verarbeiten, als mit einem Videorecorder. Wenn also zukünftige Video-Infrastrukturen je nach Anforderung mit ganz unterschiedlichen, variablen Datenraten arbeiten sollen, dann schlägt ohnehin die Stunde des Plattenspeichers.

Gibt es aber einen Bedarf dafür und realisiert Sony einen MPEG-Recorder mit höherer Video-Datenrate als 50 Mbps, mit 100, 200 oder gar 300 Mbps, dann dürfte das auch letztlich das Aus für Digital Betacam und HDCAM bedeuten: Wenn eine Multi-Format-MPEG-Maschine die gleichen Datenraten erreicht wie Digital Betacam und HDCAM, gibt es eigentlich keine Berechtigung mehr für diese Formate. Es wäre im Gegenteil sogar sinnvoll, wenn all die für verschiedene Zwecke verwendeten Formate mit dem gleichen Kompressions-Algorithmus arbeiten — so hört man zumindest derzeit von Sony, wenn es darum geht, Pro-MPEG zu argumentieren.

Kommt der MPEG-Recorder mit höherer Datenrate, dann könnte Sony damit seine Formatpalette wieder etwas zusammenfassen und ohne große Verrenkungen auch gleich noch 24P in diesem Rahmen unterbringen. Diese Vorstellung ist sicherlich für viele Anwender und auch für den Hersteller sehr verlockend.

Aber noch ist das alles reine Zukunftsmusik, denn den ersten MPEG-Camcorder mit 50-Mbps-Video-Datenrate will Sony Anfang 2001 ausliefern. Bis dahin kann aber zweifellos noch sehr viel passieren.

Empfehlungen der Redaktion:

09.11.1999 – Der MPEG-2-Fahrplan von Sony