Branche, Top-Story: 04.09.2001

Warum fünf ARD-Sender auf IMX setzen

Hochrangige Vertreter aus der Technik von BR, NDR, SFB und WDR erklärten bei einem von Sony veranstalteten Roundtable-Gespräch, weshalb sie sich für das IMX-Format als zukünftiges Standard-Videoformat in ihren Häusern entschieden haben.

Der größere Teil der ARD-Sendeanstalten hat sich entschieden, in Zukunft auf das MPEG-IMX-Format von Sony zu setzen. Nachdem der WDR schon zur IBC1999 dem jüngsten Sony-Videoformat sein Ja-Wort gegeben hatte, folgten zur NAB2000 der BR und zur IBC2000 der SFB. Anfang 2001 kam dann noch der NDR hinzu, im April folgte der ORB.

Im folgenden sind Auszüge aus den Beiträgen der Gesprächsteilnehmer wiedergegeben. Die ausführlichen Aussagen sind in einem ausführlichen PDF-File zu lesen, das zum Download bereitsteht. Dazu müssen Sie lediglich auf den rechts stehenden PDF-Button klicken.

JÜRGEN BURGHARDT, SONY:

Neben grundlegenden Informationen zum IMX-Format gab Jürgen Burghardt einen Überblick der bis Juli 2001 in Europa vorliegenden IMX-Lieferungen und Bestellungen: 1.600 Einheiten wurden demnach bis zu diesem Zeitpunkt weltweit ausgeliefert, davon 1.000 Stück in Europa und 400 im deutschsprachigen Raum (zur Erinnerung: auch tpc, die Produktionstochter der SF-DRS und der ORF haben sich ebenfalls für IMX entschieden). Zum Fortschritt der Standardisierung führte Burghardt an, dass IMX nun unter der Bezeichnung D10 standardisiert sei. Außerdem gab der Broadcast-Stratege von Sony in Deutschland noch einen Ausblick auf das Thema Metadaten und File-Transfer.

DITTMAR STRETZ, NDR:

In der direkt an Burghardts Vortrag anschließenden Fragerunde ging es dann um konkrete Produkte, wie etwa den kompakten Office-Recorder J3. Der sollte ursprünglich alle Betacam-Kassetten abspielen können, aber in jüngster Zeit gab es Gerüchte, dass dies wohl doch nicht möglich sein werde. Jürgen Burghardt widersprach den Gerüchten und bestätigte, dass der Player alle Betacam-Kassetten abspielen könne. Dittmar Stretz vom NDR ergänzte, dass auch der NDR großes Interesse an der vollen Funktionalität hat: »Wir würden vom Vertrag zurücktreten, wenn beim Multi-Format-Player Abstriche bei der Funktionalität gemacht würden.« Er hob außerdem hervor, dass es aus Sicht des NDR einen mobilen Schnittplatz auf Basis dieses Geräte geben müsse.

REINHARD BIALKE, WDR:

Generell strebt der WDR laut Bialke an, auf ein file-orientiertes Format zu wechseln und am Ende möglichst ganz auf Bandaufzeichnungen verzichten zu können. So entschied man sich beim WDR im Jahr 1999, nicht weiter in Digital Betacam zu investieren und stattdessen einen stufenweisen Umstieg auf ein neues Format zu realisieren. Das sollte folgende Anforderungen erfüllen: Qualität mit Digital Betacam vergleichbar, Abwärtskompatibilität zu den Archivbeständen, Einstieg in die IT-Welt, Kopiervorgänge schneller als in Echtzeit, verlustfreies Kopieren. Dem entsprach aus der Sicht des WDR das IMX-Format am besten.
Ziel des WDR ist es laut Reinhard Bialke, schon in der Akquisition nonlineare Speichermedien einzusetzen. In diesem Zusammenhang stellte der WDR-Hauptabteilungsleiter auch heraus, dass Sony und der WDR in einem Kooperationsvertrag festgelegt haben, dass der WDR an Produktentwicklungen mitwirken kann, wobei derzeit vorrangig am Optical-Disk-Camcorder gearbeitet wird. Dieser bandlose Camcorder soll ab dem Jahr 2003 verfügbar sein.
Der WDR will also keine bandbasierten Geräte im IMX-Format erwerben, sondern mit den vorhandenen analogen und digitalen Camcordern solange weiterzuarbeiten, bis der IMX-Disk-Camcorder im Jahr 2003 verfügbar ist. Erst dann sollen 140 dieser Geräte angeschafft werden.

JENS-PETER IMOHR, BR:

Jens-Peter Imohr vom BR zeigte auf, dass der BR zum Zeitpunkt der Formatentscheidung einen Bestand von rund 250 Recordern und 50 Camcordern im Betacam-SP-Format im Betrieb hatte, zusätzlich noch Digital-Betacam-Geräte in der gleichen Größenordnung. Der Nachfolger für das in die Jahre gekommene Betacam SP sollte beim BR gleichzeitig ein vollwertiger Nachfolger für Digital Betacam sein. Seit 1999 beschäftigt sich der BR auch intensiv mit der Planung eines neuen Produktions- und Sendezentrums, das durchgehend bandlos, IT-basiert, mit vernetzten Servern arbeiten soll und das mit einem digitalen Archiv am Ein- und Ausgang bestückt ist. Imohr: »Wir wollten ein Daten- und nicht nur ein Videoformat, wir wollten schon gar nicht ein neues, zusätzliches Bandformat.« Jens-Peter Imohr geht sogar noch weiter und stellt klar: »Wir wollen uns keine IMX-Kassetten ins Regal stellen.« Das betrifft auch das Archiv, in dem der BR künftig neben Servern Daten-Tapes und nur noch in Ausnahmefällen Filmrollen und Videokassetten archivieren will.

WERNER EIBEN, SFB:

Werner Eiben vom SFB schloss sich im wesentlichen der Argumentation seiner Senderkollegen vom WDR und BR an und gab ebenfalls einen ähnlichen Stufenplan zur IMX-Einführung bekannt, der sich allerdings in einem Punkt unterscheidet: Der SFB will auch in der Akquisition IMX-Tape-Camcorder einsetzen. »Vorübergehend haben wir von Sony Digi-Beta-Camcorder geliefert bekommen, die später gegen IMX-Camcorder ausgetauscht werden.« Bei der zeitlichen Umsetzung sieht Eiben ein zügiges Voranschreiten im Bereich Aktualität vor: »Es wird noch in diesem Jahr dazu kommen, dass wir von der Aufnahme über die Bearbeitung bis zur Sendung im IMX-Standard bleiben.« Bis zum Jahr 2003 sollen dann alle Bereiche des SFB, das dritte Programm B1 sowie die Bereiche Feature und Dokumentation auf IMX umgestellt sein.
»Wir haben uns ja Anfang der 90er Jahre mit D3 auf einen digitalen Irrweg begeben« ergänzt Werner Eiben und führt weiter aus: »Uns wurde die Entscheidung für IMX auch dadurch etwas erleichtert, dass WDR, BR und ORF sich vor uns für IMX entschieden haben.«

GERD GRUNWALD, NDR:

Die nach den Ausführung Jens-Peter Imohrs aufgeworfene Frage nach der Rolle des zu wesentlichen Teilen von der ARD finanzierten Instituts für Rundfunktechnik (IRT) bei Formatentscheidungen, beantwortete Gerd Grunwald vom NDR so: »Das IRT ist wichtig, kann aber nur technische Bewertungen abgeben. Die politischen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Gesichtspunkte spielen aber fürs IRT keine Rolle, wohl aber für die Entscheidung der Sender.«
Gerd Grunwald vom NDR wies in seinem Vortrag darauf hin, dass ein großer Teil der Camcorder, die der NDR in seinem Sendegebiet einsetzt, wie beim WDR und beim BR auch, zwischen 10 und 12 Jahren alt sind. Grunwald »Wir haben sehr lange gewartet, die Camcorder zu ersetzen.« Und weiter: »Der IMX-Camcorder, für den wir uns im NDR entschieden haben, wird aus unserer Sicht der letzte bandbasierte Camcorder sein.« Der NDR kann und wird aus Grunwalds Sicht noch länger mit der Bandtechnologie leben, auch in der Nachbearbeitung. »Der Bruch zur Inkompatibilität kommt für uns erst in der nächsten Generation von Camcordern. Vor diesem Hintergrund wollten wir uns also nicht ein neues Bandformat ins Haus holen, das nicht kompatibel zu den vorhergehenden ist.«

JÖRG PANKOW, MCI:

Hier hakte Jörg Pankow von MCI nochmal ein und stellte in einem abschließenden Vortrag seine Sicht der Dinge klar: »Die IT-Technik kommt, das ist sicher.« Pankow zog die Parallele zum Hörfunkbereich, wo es heute keine Radiostation mehr gebe, die nicht von Servern laufe.
Wie die zukünftige Struktur der Broadcaster aussehen werde, davon hat Jörg Pankow eine konkrete Vorstellung: »Die zukünftige IT-Struktur umfasst einen SAN-Kern, ein darauf laufendes schnelles Netzwerk und ein auf dem Netzwerk basierendes Content-Management-System. Der Eingangs-Server, die Bearbeitung auf dem Server und der Ausspiel-Server, das alles kommt. Es ist bloß die Frage wann.« Und zur Einführung von MPEG-IMX, den die anwesenden Sender-Vertreter mehr oder weniger stark als Einstieg in die Server-Welt sehen. »Es gab in der nahen Vergangenheit einen De-Facto-Standard für die Speicherung von Fernsehbildern auf Band, das war Beta SP. …. Ich erwarte, dass sich das Format-Wirrwarr in der Broadcast-Welt wie ein gordischer Knoten lösen wird und sich künftig nur noch IMX- und DV-basierte Formate als Austauschmedium durchsetzen.«

Downloads zum Artikel:

T_0901_Sender_IMX.pdf