Top-Story: 06.08.2002

HD: Die große Chance

Martin Kreitl leitet bei TaurusMediaTechnik die High-Definition- Postproduktion. In den vergangenen zwei Jahren hat er diesen Bereich mit aufgebaut und im Rahmen zahlreicher HD-Pilotprojekte und -Produktionen Neuland erschlossen und umfangreiches Praxis-Knowhow erworben. Im Gespräch mit www.film-tv-video.de analysiert er die aktuelle Marktsituation und erläutert die Möglichkeiten der HD-Produktion, die aus seiner Sicht noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Gerade im Bereich der High-Definition-Produktion sieht Martin Kreitl ein großes Potenzial, nicht nur für TaurusMediaTechnik, sondern für den gesamten Markt: »In schlechten Zeiten wie diesen wird häufig argumentiert, dass Produktionen billiger werden müssten und damit eben qualitative Kompromisse unumgänglich seien. Dieser Zusammenhang ist aber meiner Meinung nach heute gar nicht mehr zwingend: Es geht durchaus, kostengünstig und trotzdem qualitativ hochwertig zu produzieren.«
Um diese Möglichkeiten zu illustrieren, findet Kreitl ein einfaches Beispiel: »Wen man heute einen TV-Movie plant, wird in Deutschland derzeit in aller Regel auf Film gedreht, also in Super-16. Die Nachbearbeitung wird dann normalerweise komplett in Standard Definition abgewickelt. Allerdings ist es so, dass die Sender zwar immer noch einen Negativschnitt verlangen, dessen Ergebnis aber meist gar nicht exakt mit der gesendeten Version übereinstimmt. In den meisten Filmen kommen heute eben Blenden vor und fast immer auch Special Effects oder Fehlerkorrekturen, die der Zuschauer gar nicht als solche wahrnimmt. Das Negativmaterial wird also pro forma geschnitten, um die Anforderungen der Sender zu erfüllen, aber ein echter Negativschnitt im ursprünglichen Sinn ist das gar nicht. Eröffnet sich dann die Möglichkeit zur Kinoauswertung, hat man im Prinzip so gut wie nichts in Händen, denn A/B-geschnittenes Negativ-Material ist letztlich nur die Basis für umfangreiche weitere Bearbeitungsschritte.«
Ganz anders sieht das aus Kreitls Sicht aus, wenn man hierbei auf HD setzt: »Immer wenn prinzipiell auch eine Kinoauswertung in Frage kommt, bietet es sich an, gleich in HDCAM zu drehen. Damit hält man alle Verwertungswege offen. Selbst wenn man zunächst nur in SD nachbearbeitet, ist es heute sehr leicht und preisgünstig möglich, auf dieser Basis innerhalb ganz kurzer Zeit eine HD-Version zu generieren. Noch größer sind die Vorteile, wenn man gleich in HD nachbearbeitet, denn aus dem HD-Master lässt sich sehr leicht eine Kopie in optimaler Qualität für PAL und NTSC in sämtlichen Höhen- zu Breitenverhältnissen herstellen. Selbst wenn es bei der konventionellen Arbeitsweise ein geschnittenes Negativ gibt, hat die HD-Produktion im Vergleich dazu noch Vorteile: Für die Kinoauswertung muss vom Super-16 ein Blow-Up auf 35 mm hergestellt werden. Die Qualität eines solchen Blow-Ups ist im Vergleich zu einer 1080-Kopie fürs Kino in der Regel einfach schlechter, so viel kann man sicher sagen.«
»Es lohnt sich auf jeden Fall, bei der Entscheidung für ein Aufzeichnungs- beziehungsweise Nachbearbeitungsverfahren genau zu überlegen, wie die mögliche Weiterverwertung aussieht.« Martin Kreitl erklärt weiter: »Natürlich ist die Postproduktion in HD im Schnitt etwa 20 bis 30 % teurer als die Postproduktion in SD. Aber man muss eben auch sehen, dass man bei HD ein ganz anderes Endprodukt in Händen hält: Das HD-Master lässt sich direkt weltweit vermarkten, weil sich daraus per Down-Konvertierung alle möglichen anderen Formate in optimaler Qualität generieren lassen – zu einem Bruchteil der Kosten, die eine Filmabtastung bedeutet. Mit einem SD-Master geht das überhaupt nicht. Aus meiner Sicht wiegt der immense Zusatznutzen der HD-Postproduktion die Mehrkosten locker auf. Aber derzeit ist es in Deutschland eben noch sehr schwer, dieses Denken zu vermitteln«.
Immerhin gibt es jedoch zunehmend Anwender, die erfolgreiche HD-Projekte realisieren und die eigenen Erfahrungswerte weitertragen. Die breite Basis dieser Anwendungen vermisst Martin Kreitl allerdings nach wie vor: »Im Grunde sind wir in Deutschland immer noch nicht übers Experimentierstadium hinaus. Der Grund dafür liegt aber nicht in der Technik selbst, sondern an der Einstellung gegenüber dieser Technik. Da wird Pilot um Pilot und Test um Test durchgeführt, während man anderswo bereits höchst anspruchsvolle Projekte wie selbstverständlich in HD abwickelt. Ich bin immer wieder erstaunt, wie schwierig es ist, die Vorteile dieser Arbeitsweise zu vermitteln. Selbst bei Projekten, bei denen der klassische Produktionsweg über Film wirklich nur Nachteile hat, wollen einige Kunden »bloß kein Risiko« eingehen. Dabei ist die digitale HD-Technologie mittlerweile schon längst übers Teststadium hinausgewachsen.«
Aus Kreitls Sicht sprechen die technischen Eckdaten des Formats eine eigene Sprache und mit der Einführung der neuen HD-Kameras gibt es nun auch in der Akquisition Alternativen für die Anwender. Dass dies an allen wichtigen Produktionsstandorten auf internationaler Ebene ganz ähnlich gesehen wird, beobachtet Kreitl nun schon seit einiger Zeit: In Los Angeles etwa hätten etliche der großen Postproduktionshäuser ihre Abläufe auf die Nachbearbeitung in HD abgestimmt, und auch im europäischen Ausland gehe der Trend eindeutig in diese Richtung: »Schade ist nur, dass wir in Deutschland immer noch über Grundsatzfragen diskutieren müssen, während die Kollegen in England oder Italien einfach in HD produzieren, statt nur darüber zu reden.«
Mittlerweile gibt es auch etliche Vergleichsrechnungen und Kostenkalkulationen, die etwas mehr Aufschluss geben. So ermittelte der britische Sender BBC, dass er bei seiner Serienproduktion rund 20 % Kosten einsparen könnte, wenn statt in Super-16 mit HDCAM aufgezeichnet würde. Beim Vergleich von 35-mm-Film zu HDCAM fiel das Einsparpotenzial mit rund 78 % noch dramatischer aus. Dazu Martin Kreitl: »Natürlich sind Kostenvergleiche von vielen Faktoren abhängig, und man kann letztlich auf beiden Seiten sehr viel schönrechnen. Aber die Tendenz dieser Kalkulationen stimmt auf jeden Fall. Doch selbst wenn man diese durchaus schlagkräftigen finanziellen Gründe außer Acht lässt, gibt es aus meiner Sicht noch genügend Gründe, sich zumindest mit der HD-Technologie zu beschäftigen. Wer sich weigert, Innovationen anzunehmen und sich selber Knowhow anzueignen, wird irgendwann Schwierigkeiten bekommen, am Markt zu überleben. Davon bin ich absolut überzeugt.«
Ein ganz anderes Beispiel für den konkreten Einsatz von HD hat Martin Kreitl, der schon im Jahr 2000 mit »Gone Underground« auch den ersten HD-Kurzfilm fürs Kino produzierte, in jüngster Zeit vorzuweisen: TaurusMediaTechnik restaurierte den 1955 von Max Ophüls gedrehten Spielfilm »Lola Montez«. »Dieses Projekt war nur mit HD zu realisieren, alles andere hätte nicht zum gewünschten Ergebnis geführt oder wäre einfach unbezahlbar gewesen,« erläutert Kreitl.

www.film-tv-video.de berichtete schon einmal über dieses Projekt, nun steht zusätzlich ein ausführlicher Bericht zur Rekonstruktion und Restaurierung von »Lola Montez« zum Download bereit. Bitte klicken sie hier, dann gelangen Sie direkt zum entsprechenden Beitrag.

Downloads zum Artikel:

T_0802_HD_MKreitl.pdf