Editorial, Kommentar, Top-Story: 09.03.2005

»Get the Spirit of Tomorrow«

Die CeBit beschwört mit ihrem diesjährigen Motto den Geist von morgen. Von dem fühlen sich die Computer-Fachleute aus aller Welt ohnehin schon beseelt, wenn sie nach Hannover pilgern, was sie in diesem Jahr voraussichtlich wieder in größerer Zahl als im Vorjahr tun werden. Die Aussteller hoffen auf gutes Geschäft und sehen sich dafür mit etlichen neuen Technologien und einer besseren Stimmung als in den Vorjahren gut gerüstet.

Zur Erinnerung: Der Spirit of Tomorrow besteht in der Computer- und Software-Branche meist darin, dass Geräte und Funktionen angekündigt werden, die erst viele Monate später tatsächlich verfügbar werden und etwas später dann in den meisten Fällen sogar funktionieren. Und darin, dass versprochen wird, im jeweils nächsten Release seien alle momentanen Probleme und Bugs gelöst. Spirit of Tomorrow heißt also in die Realität übersetzt ganz oft: Vertrösten auf morgen.

Handy-Hersteller erhoffen sich von der weltweit größten Computermesse in diesem Jahr große Erfolge fürs multifunktionale »Bild-Handy«, für das die Telefonie schon längst zur Nebensache geworden ist. Die neue Handy-Generation soll nicht nur dem Digitalfotoapparat und dem Computer, sondern auch dem Fernsehgerät Konkurrenz machen: Findige TV-Produktionen sind auf diesen Zug schon aufgesprungen: In England wird schon die erste Handy-Serie namens »CJAQ« produziert. Sie besteht im Wesentlichen aus 2-Minuten-Clips mit großen Einstellungen und einer simplen Handlung, in der fünf Personen versuchen, aus einem Nachtclub zu entkommen. Das Ganze lässt sich als Windows-Media-File aus dem Web herunter laden oder direkt auf ein Windows-Mobile-Gerät streamen und damit ansehen – vorausgesetzt man ist beim britischen I-Mate-Club registriert.

Die berechtigte Frage lautet: »Wer will sowas auf einem Vier-Zentimeter-Display sehen?« Eine TV-Mini-Serie im Briefmarkenformat zu betrachten, das spricht sicher nicht jeden an. Die Macher sind sich aber sicher, dass ihr Angebot bei Teenagern und noch jüngerem Publikum sehr gut ankommen werde. Geld soll über kostenpflichtige Downloads, langfristig aber auch über Product Placement in den Miniserien herein kommen.

Von solchen Anwendungen träumen auch die Entwickler von DVB-H, die meinen, dass digitales Fernsehen für mobile Endgeräte der nächste wichtige Schritt des Digitalfernsehens sein könnte. Darüber lässt sich allerdings trefflich streiten: schlecht aufgelöste Bilder auf kleinen Displays sind eben nicht jedermanns Geschmack.

Tatsächlich hängt es sicher vom Inhalt und der jeweiligen Situation ab, ob solche Angebote ankommen: Fußball-Fans, deren Lieblingsclub ein wichtiges Spiel absolviert, während Sie unterwegs sein müssen, würden vielleicht auch Geld dafür bezahlen, ein paar entscheidende Spielszenen mit halber TV-Auflösung zu sehen. Die Frage ist aber ganz sicher, was der ganze Spaß kosten wird.

Sie werden sehen.

P.S.: Bei Tchibo läuft derzeit das günstige Angebot eines ganz einfachen Handys ohne Schnickschnack nach Firmenangaben ausgesprochen gut ….