Branche: 18.12.2006

Kino in Deutschland trotzt Fußball-WM und Wetter

Die Kinobesucherzahlen werden bis zum Jahresende 2006 voraussichtlich in der Größenordnung zwischen fünf bis zehn Prozent steigen. Dessen ist sich der Geschäftsführer des Verbands der Filmverleiher Johannes Klingsporn sicher. Damit habe die Branche den »leeren Kinos« im Sommer während der Fußball-WM und dem frühlingshaften Dezemberwetter trotzen können.

Schon zwei Wochen vor Jahresende verzeichneten die Kinos um neun Prozent gestiegene Besucherzahlern und um zehn Prozent höhere Umsätze als um die gleiche Zeit im Vorjahr. Klingsporn errechnet das anhand der von seinem Verband erhobenen Wochenend-Daten. Bis zur Kalenderwoche 49 hatten danach rund 85 Millionen Zuschauer über 540 Millionen Euro zu den Kinokassen getragen. »Den Deutschen geht es wieder besser«, folgert Thomas Negele, Vorstandsvorsitzender des HDF Kino, aus den Zahlen, »das spiegelt sich im Kino wider«.

Deutsche Produktionen im Hoch

Mit »Ice Age 3« (9 Millionen Besucher), »Fluch der Karibik 2« (7 Millionen) und »The Da Vinci Code« (6 Millionen) eroberten zwar übers Jahr wieder Hollywood-Produktionen die Spitzenplätze. Jedoch haben deutsche Produktionen bereits im ersten Halbjahr mit 19,9 Prozent so stark am gestiegenen Besucherzustrom partizipiert, wie seit 1997 nicht mehr. Dies lasse zum Jahresende einen Marktanteil von über 20 Prozent erwarten, so Klingsporn. Mit »Das Parfum«, »Deutschland. Ein Sommermärchen« und »Sieben Zwerge – Der Wald ist nicht genug«, überschritten drei deutsche Filme die 3-Millionen-Besucherschallmauer. Besonders erfreulich nannte er den Erfolg von Sönke Wortmanns Fußball-Doku: »Noch nie gab es einen Dokumentarfilm, der so viele Besucher erreichen konnte.« Auch deutsche Arthouse-Titel wie »Das Leben der anderen«, »Wer früher stirbt ist länger tot« oder »Sommer vorm Balkon« hätten sich an den Kinokassen bewährt.

Für Jan Oesterlin, Geschäftsführer der Zukunft Kino Marketing GmbH, einer Tochter HDF, VDF und des Verbandes der Multiplexe Cineropa e. V., ist klar, dass die Kampagne »Kino. Dafür werden Filme gemacht« am Erfolg Anteil hat. Die habe 80 Prozent der Kinogänger erreicht und damit einen »unglaublichen Erfolg« eingeheimst. In die Vermittlung des Gedankens, dass man »im Kino Filme so erlebt, wie die Kreativen sich das gedacht haben«, hat man im letzten halben Jahr immerhin 6 Millionen Euro investiert, die auch für die Werbung im Fernsehen und Print-Medien ausgegeben wurden.

Perspektiven 2007: Hervorragende Aussichten?

Thomas Negeles Blick nach vorn konzentriert sich auf die Einführung der digitalen Projektionstechnik. Die Standardisierung laufe und ein Anforderungsprofil zur Gerätebeschaffung soll Ende Februar vorliegen. Gemeinsam mit der Förderbehörde FFA wurde vom HDF das Wirtschaftsberatungsunternehmen Price Waterhouse Coopers mit einem Gutachten für ein Finanzierungskonzept beauftragt. Zugleich verwies Negele auf neue Digital-Techniken wie 3D-Kino und das 5K-Projektionsprojekt des Fraunhofer Instituts, das ein »Arena-Feeling« vermittle. So bekämen die Filmtheater »in den nächsten Jahren« attraktive »technische Anreize«. Nicht zuletzt soll aber der Service in den Theatern ausgebaut werden. Hierzu laufe in drei Häusern ein Projekt zur Kundenbindung mit einem Bonussystem, auf dessen weitere Verbreitung Negele setzt.

Gleichzeitig setzen die Verbandsleute in gewohnter Manier darauf, den Erfolg fortzuschreiben. Sie verweisen auf Filme wie »Fluch der Karibik 3«, »Spiderman 3«, »Shrek 3« und »Harry Potter 5«, die das ebenso herbeizaubern sollen, wie Dani Levys Hitlerfilm »Mein Führer« mit Helge Schneider, die Bestselleradaption »Der Vollidiot« mit dem Kinodebutanten Oliver Pocher oder die Komödie »Schwere Jungs«. Schließlich finden sich Hans Weingartners »Free Rainer«, Bullys 3D-Animation »Lissi und der wilde Kaiser«, »Die wilden Kerle 4« und »Die wilden Hühner und die Liebe» ebenso auf der Startliste für 2007 wie Neues von Clint Eastwood oder Robert Altman. Nicht zuletzt sollen »Ocean’s 13«, »Rocky Balboa«, »The Bourne Ultimatum« und »The Simpson Movie« dazu beitragen, »dass das nächste Jahr hervorragend aussieht« (Klingsporn). Bleibt zu hoffen, dass Kreative und Produzenten rechtzeitig erkennen, wann der gegenwärtige Boom der Sequels und Remakes dem Ende entgegen geht.