Unternehmen: 18.07.2007

Avid: Ära Krall geht zu Ende

Ende Juli wird Avid-CEO David Krall das Unternehmen verlassen. Bis ein neuer CEO gefunden ist, übernimmt Nancy Hawthorne, Aufsichtsratsmitglied und frühere Aufsichtsratsvorsitzende, die Position als CEO.

Konkrete Gründe, weshalb David Krall das Unternehmen verlässt, nennt Avid nicht. Mit um so größerer Spannung wird daher die Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen erwartet, die Avid für den 26. Juli 2007 ankündigt — obwohl hier wohl keine Überraschungen zu erwarten sind. Dass mit Nancy Hawthorne eine Finanz- und Investment-Fachfrau übergangsweise das Ruder bei Avid übernimmt, lässt aber den Rückschluss zu, dass der Aufsichtsrat mit den Ergebnissen des Unternehmens nicht mehr zufrieden ist. In der Pressemitteilung wird zwar angemerkt, dass Avid seinen Ertrag in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelte, aber offenbar war das nicht mehr genug.

Mit dem Weggang von David Krall geht bei Avid eine Ära zu Ende, denn Krall hat die Position des CEO länger bekleidet, als die meisten seiner Vorgänger, die das Unternehmen während seiner durchaus wechselvollen Firmengeschichte leiteten. Krall ist seit Oktober 1999 bei Avid, seit April 2000 in seiner aktuellen Position als President und CEO. Vorher war David Krall beim Audio-Unternehmen Digidesign tätig, das Avid 1995 akquirierte und zunächst als eigenständiges Unternehmen weiterführte. Unter David Krall wurde Digidesign dann als Audio Division von Avid eingegliedert.

Die Ära Krall begann zunächst mit schwierigen Aufgaben: massive Umstrukturierungen und im Jahr 2001 Verluste und Entlassungen. Krall schaffte es aber, diese schwierigen Zeiten zu überstehen, das Unternehmen zu konsolidieren, wieder in ruhigeres Fahrwasser und in die Gewinnzone zu führen. In die Zeit unter Kralls Führung fiel unter anderem der Rückkauf aller Anteile an iNews sowie die Übernahme zahlreicher Unternehmen wie etwa Motion Factory, Pluto, NXN, M-Audio und zuletzt Pinnacle.

Avid selbst beschrieb Kralls Arbeit bislang als sehr positiv: Er habe die Postproduction-Produktlinie revitalisiert, die Audio-Division durch Produktentwicklung und Übernahmen ausgebaut, die Broadcast-Abteilung erweitert und zum weltweiten Marktführer bei News-Lösungen gemacht, heißt es auf der Website von Avid. Durch diese Maßnahmen sei Avid in die Lage versetzt worden, in den vergangenen fünf Jahren neue Rekorde bei Umsatz und Erträgen zu erreichen.

Einer der Gründe für die Trennung zwischen Krall und Avid dürfte darin liegen, dass die Erwartungen und internen Prognosen seit der Übernahme von Pinnacle nicht im von Aufsichtsrat und Aktionären gewünschten Ausmaß eingetreten sind. Die Meinung etlicher Branchen-Insider lässt sich so zusammenfassen: Zwar ist mit der Übernahme von Pinnacle der Umsatz von Avid insgesamt kräftig gewachsen, aber wenn man den Umsatz auf die Firmenteile herunterbricht, erkennt man, dass sowohl der Pinnacle- wie der Avid-Teil des Unternehmens seit der Übernahme zumindest nicht ausreichend gewachsen und je nach Betrachtungsweise sogar rückläufig sind.

Kralls Wachstums- und Expansionsstrategie ist demnach nicht aufgegangen, die Prognosen wurden nicht erreicht.

Eine große Rolle spielte ganz sicher der Aktienkurs. Im Jahr 2005 hatte die Avid-Aktie ihren bisherigen Höchststand erreicht, im Jahr 2006 gab es dann einen kräftigen Knick nach unten, bis hin zur annähernden Halbierung des Kurswerts. Von diesem Abbau hat sich die Aktie seither nicht mehr richtig erholt, auch wenn der Kurs aktuell wieder bei 37 Dollar steht.

Die derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende Pamela Lenehan wird zur nun anstehenden Übernahme der Geschäfte durch die Interims-Geschäftsführerin Nancy Hawthorne in der offiziellen Avid-Pressemitteilung mit folgenden Worten zitiert: »Nancys Wissen um das tägliche Business bei Avid als auch ihr stark finanzorientierter Hintergrund und ihr umfangreiches Fachwissen im Umgang mit großen Firmen, wird während der Übergangsphase sehr von Nutzen sein.« Weiter heißt es: »Wir sind sehr froh, mit Nancy in dieser Übergangszeit eine geeignete Person gefunden zu haben, bis die Suche nach einem neuen CEO abgeschlossen ist.«

David Krall verweist auf die Erfolge seiner nunmehr siebenjährigen Tätigkeit als CEO und dankt Kunden und Mitarbeitern für die erfolgreiche Zusammenarbeit. In der Pressemitteilung heißt es außerdem, dass David Krall dem Unternehmen zunächst weiterhin beratend zur Seite stehen werde. Diese letztlich recht sinnfreie Standard-Formulierung wird üblicherweise verwendet, wenn sich das Unternehmen und der scheidende Mitarbeiter »im Guten« trennen und sich gegenseitig keine Hindernisse in den Weg legen möchten.