Branche, Top-Story: 08.01.2009

Hand in Hand produzieren — IT-basiert

Grundy Ufa gehört zu den großen Serien-Produzenten und ist in diesem Jahr auf eine vollständig IT-basierende Produktionsweise umgestiegen. Ernst Feiler, Head of Technology bei Grundy Ufa, zieht vorläufige Bilanz und erläutert den Schritt hin zur IT-Produktion in der Serienproduktion.

Wer im Vorabendprogramm eine der bekannten Soaps oder Serien einschaltet, wird dabei sehr häufig bei einer Produktion von Grundy Ufa landen, denn auf allen großen Sendern in Deutschland sind Produkte aus diesem Hause zu sehen: Gleichgültig, ob es sich dabei um »Gute Zeiten, schlechte Zeiten«, »Verliebt in Berlin«, »Verbotene Liebe« oder »Unter uns« handelt. Jährlich rund 750 Stunden fiktionale Serien produziert Grundy Ufa für das deutsche Fernsehen.

Möglich wurde dieser enorme Ausstoß überhaupt nur, weil sich Grundy Ufa schon früh auf die Fahnen geschrieben hat, die TV-Produktion mit industriellen Produktionsmethoden zu revolutionieren, die extrem arbeitsteilig sind: Weg von der Manufaktur, hin zur Fernsehfabrik. Sparsamer und effizienter zu produzieren, heiße aber bei Grundy Ufa auf keinen Fall, mit unterbezahlten Studenten am Rande des Kollaps zu operieren, erläutert Ernst Feiler, Head of Technology bei Grundy UFA. Stattdessen müsse mehr Intelligenz in die Produktion an sich gesteckt werden und moderne Technik zum Einsatz kommen: »Im Unterschied zu den ersten 100 Jahren Filmproduktion wird jetzt das »Wie« immer wichtiger und es steht nicht mehr ausschließlich das »Was« im Vordergrund«, erläutert Erst Feiler. »Der Value eines Produzenten besteht darin, für das gleiche Geld bessere Ergebnisse zu produzieren. Mehr Production Value für’s Geld ist das Thema. Wir begreifen uns auch als technologischer Developer: Wir revolutionieren das »Wie« der Produktion. Wir haben schon viel erreicht, aber wir brauchen noch viel mehr Transparenz in der Produktionskette«, fordert Feiler.

»Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit sind wichtige Faktoren in der industriellen TV-Produktion. Das müssen wir sicherstellen«, erklärt Ernst Feiler.

In der Automobilindustrie sieht Feiler verwirklicht, was auch für ein Produktionshaus wie Grundy Ufa erstrebenswert sei: Eine vernetzte Produktion, in der alle Stationen über die gesamte Verwertungskette hinweg miteinander kommunizieren und Informationen austauschen. Vor allem sollte man sich von Anfang an um die Technik kümmern, weil sonst Drehbücher entstünden, die niemand umsetzen könne. Außerdem müssten momentan viele gleiche oder ähnliche Arbeitsschritte in der TV-Produktion unnötig mehrfach ausgeführt werden, was man eigentlich leicht vermeiden könne, wenn man sich die aktuellen Technologien zu eigen mache. Nur so könne man effektiv produzieren, meint Feiler.

»Ich will keine MAZen mehr sehen«, fasst Feiler plakativ zusammen, dass sich die Branche aus seiner Sicht einem schnellen Wandel von Broadcast- zu IT-Systemen unterziehen muss. »MAZen waren gestern, PCs und Macs sind heute. Wenn etwa bei der Produktion einer Internet-Serie eine MAZ im Businessplan vorkammt, ist das vollkommen lächerlich.«

Feiler führt ein Beispiel an, das gut verdeutlicht, was aus seiner Sicht heute zu den großen Stolpersteinen innerhalb der Produktionskette zählt: »Wenn wir heute produzieren, wird über den gesamten Produktionsprozess hinweg etwa 35 Mal die Klappennummer erfasst und eingegeben — das fängt in der Drehbuchphase an, geht über die Akquisition, passiert in der Szenenbeschreibung, später mehrfach in der Postproduktion, dann beim Ausspielen bis hin zur Archivierung. Hin und wieder passiert bei all diesen Stationen auch mal ein Fehler und schon haben wir das Metadaten-Desaster.« Genau hier sieht Feiler enormes Steigerungspotenzial und wünscht sich von den Herstellern Produkte und Systeme, mit denen sich Metadaten praxisnah erfassen und weitergeben lassen. »Es nützt uns nichts, wenn wir im zehnten Untermenü eines Camcorders eine versteckte Möglichkeit haben, auf umständliche Art und Weise Metadaten einzugeben«, erklärt Feiler das Problem, das die meisten Produkte heutzutage noch mit der Erfassung von Metadaten haben. »Die Videotechnik kommt eben aus dem News-Bereich und nicht aus der fiktionalen Produktion. Deshalb liegt vieles im Argen, wenn man mit Videosystemen fiktional produziert. Aber wenn man es richtig angeht, Video und IT integriert und das Vorhandene weiter verbessert, ist das Potenzial riesig.«

Trotz dieser »Metadaten-Holperpiste« glaubt Feiler, dass sich die TV-Produktionswelt derzeit in einem epochalen Wandel befindet: Während sich Produzenten bisher durch ihre Autoren und die Inhalte ihrer Produkte unterschieden hätten, gehe es nun eben auch verstärkt um die Details des »Wie« einer jeweiligen Produktion — und zwar deshalb weil es in der IT-Produktionswelt plötzlich völlig neue Möglichkeiten gebe, sodass man bei einem Anbieter wie Grundy Ufa jetzt eben sehr viel mehr fürs Geld bekomme. Und dieses Mehr ist aus der Sicht von Ernst Feiler den Endprodukten durchaus anzusehen.

»Die Produktionskette beginnt nicht mit der Kamera, sondern mit der Idee. Schon in diesem Stadium muss die integrierte Produktion ansetzen«, konstatiert Feiler. »Ziel muss es sein, Metadaten von der Idee bis zum EPG durchzureichen und dadurch sehr viel unnötige Mehrfacharbeit zu eliminieren. Das Metadaten-Thema lässt sich nur lösen, wenn nicht Einzelinteressen dahinter stehen, sondern das Ganze im Blick bleibt. Uns als Produzenten muss das am stärksten interessieren, wir müssen das definieren, festlegen und von den Herstellern verlangen.« Den Produzenten komme folglich bei der Entwicklung hin zur »industriellen Medienproduktion eine Schlüsselrolle zu: »Der Produzent ist derjenige, der den Blick auf die gesamte Workflow-Kette hat und letztlich ist er auch derjenige, der alle bezahlt. Von all den Gewerken, die an einer Produktion beteiligt sind, hat er am ehesten die Möglichkeit, eine vernetzte Produktion zu etablieren und dafür die nötigen Schnittstellen einzufordern. Wenn die Produzentengemeinde das versteht, werden die anderen Gewerke zuarbeiten«, meint Feiler.

Er schränkt allerdings auch ein, dass die meisten Hersteller gar nicht wüssten, wie im fiktionalen Bereich heute gearbeitet wird, und das müsse man ihnen Stück für Stück nahe bringen. »Wenn Sie bei der Entwicklung einer Kamera immer nur die Kameraleute befragen, entwickeln Sie irgendwann ein Produkt, das vielleicht alles kann, was der Kameramann haben will, das aber letztlich vollkommen am Markt vorbeigeht und viel zu teuer ist«, meint Feiler. Er wünscht sich stattdessen mehr Produkte, die für einen bezahlbaren Preis das bieten, was dafür maximal möglich ist. Dabei sieht Feiler am Markt durchaus noch Platz für neue Produkte, die neben einer Red-Kamera Platz finden können.

Aus der Sicht von Grundy Ufa ist auch die Bildqualität und der Look einer Produktion ein ganz entscheidendes Erfolgskriterium, besonders wenn es um Primetime-Serien geht. »Der Zuschauer ist sehr intelligent und anspruchsvoll, er erkennt sofort die visuelle Qualität einer Produktion und ordnet sie entsprechend ein. Er weiß ganz genau, was er will: Nämlich die Qualität, die er von amerikanischen Serien her kennt. Wenn er diesen 35-mm-Look beim Zappen wiedererkennt, bleibt er hängen und deshalb sind die anspruchsvolleren US-Serien so erfolgreich: Weil er mit dieser Bildästhetik auch hohen inhaltlichen Unterhaltungswert assoziiert«, meint Ernst Feiler. Seiner Meinung nach lässt sich diese Primetime-Qualität nicht mit der Aufzeichnung auf 16-mm-Film erreichen, wohl aber mit den neuen Kameras für digitale Filmaufzeichnung — etwa mit einer Red. Deshalb kann sich Feiler auch sehr gut vorstellen, mit Grundy Ufa auf der Basis neuer digitaler Kameras auch neue Formate und Produkte für die Primetime zu entwickeln: »Primetime heißt 35-mm-Look und bedingt somit einen großen Sensor — und umgekehrt. Technologie ist heute keine Beschränkung mehr, sondern bietet die Chance, damit kreativ umzugehen«, urteilt Feiler und ergänzt, dass intelligente Produktions-Workflows, wie sie Grundy Ufa umgesetzt hat und weiter optimiert, letztlich das Pfund seien, mit dem ein Produzent wuchern könne. »Auch wenn die Red noch einen kryptischen Workflow hat, muss man dieses Thema angehen und das Ganze optimieren: Die Technik ist da, man muss sie nur richtig nutzen. Grundy Ufa wird als Marktführer diesen Weg gehen.«

Angesprochen auf die Finanzkrise, die derzeit nicht nur Politiker und Banker beschäftigt, meint Feiler, dass sie sogar helfen könnte, den Einzug effektiver Produktionsmethoden auf breiter Basis zu beschleunigen. Denn letztlich zwinge sie die Produzenten dazu, noch effektiver und damit auch sparsamer zu arbeiten und unnötige Zwischenschritte zu eliminieren. Der Schritt hin zur file-basierten Produktion sei somit vorgezeichnet, und mit den neuen Kameras am Markt auch durchaus gangbar. »Als sparsamer, effektiver, industrieller Serienproduzent ist Grundy Ufa hierbei sicher gut positioniert.«

Neben der Produktion von Serien und Soaps ist Grundy Ufa in jüngster Zeit auch verstärkt im Bereich »Mobile Content« aktiv. Darunter versteht der Produzent letztlich alles, was jenseits der klassischen TV-Formate liegt, also Web-Auswertungen von Produktionen, aber auch andere Konzepte für interaktives Fernsehen und mobilen Content. So produzierte Grundy Ufa erst kürzlich eine Internet-Auswertung von »Verbotene Liebe«, die von Montag bis Freitag auf der Sevenload-Site aktualisiert wird.

Für Ernst Feiler ist klar: auch wenn gerade im Mobil-Bereich noch offen ist, wie sich der Markt weiterentwickeln wird, gilt es dennoch schon jetzt, geeignete neue Formate zu testen und die Produktionsabläufe schon jetzt auf ganz unterschiedliche Auswertungen einzurichten. Darin liegt für ihn auch die Leistung der Grundy Ufa – nämlich intelligent zu produzieren und die Möglichkeiten der neuen Technologien zu nutzen.

Zum Thema HD sagt Feiler: »2009 werden die ersten HD-Produktionen das Haus Grundy Ufa verlassen — obwohl wir schon seit zwei Jahren HD-ready sind. In der Anwendung neuer Technologien sind wir hier in Deutschland einfach noch zu langsam, aber das vorhandene Knowhow ist umfangreich, das Entwickler- und Ingenieurpotenzial enorm.«

Grundy Ufa: Fakten und Technik

Grundy Ufa zählt zu den großen Produzenten von Serien und Daily Soaps. An den Standorten Berlin, Köln, Babelsberg und Budapest produziert Grundy Ufa Soaps und Serien wie etwa »Gute Zeiten – Schlechte Zeiten«, »Verliebt in Berlin« oder »Verbotene Liebe« und zahllose weitere, die im Nachmittags- und Vorabendprogramm etwa bei RTL, ZDF oder der ARD laufen.

Kein anderer TV-Produzent in Deutschland beschäftigt so viele Autoren, Kameraleute, Regisseure und andere Film- und Fernsehschaffende, es gibt wohl auch keinen anderen Produzenten, der so viele erfolgreiche Formate vorweisen kann: Die Serien von Grundy Ufa gehören seit Jahren zu den großen Erfolgen für die jeweiligen Sender. Mit bis zu 26 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe (14 – 49 Jahre) behauptet der TV-Produzent seine langjährige Stellung als Marktführer im fiktionalen Bereich immer wieder.

Einer der Gründe des Erfolges dürfte sicher auch darin liegen, dass sich Grundy Ufa die industrielle Fernsehproduktion auf die Fahnen geschrieben und Arbeitsmethoden etabliert hat, die es erlauben, jährlich rund 750 Stunden fiktionale Serien zu produzieren. Dabei legt Grundy Ufa nach eigenen Aussagen großen Wert auf Kosteneffizienz und hat eine extrem arbeitsteilige, modulare Produktions-Methode entwickelt. Damit ist der Produzent in der Lage, täglich bis zu 46 Minuten sendefertiges Material herzustellen.

In diesem Jahr entschied sich der Hersteller dazu, seine Produktion auf einen komplett file-basierenden Workflow umzustellen und beauftragte das Hamburger IT-Systemhaus MPEC mit der Umsetzung. Das Projekt war durchaus ambitioniert, wenn man bedenkt, dass der TV-Produzent die Umstellung im laufenden Betrieb vornehmen wollte. Wichtig war natürlich auch eine enorm hohe Ausfallsicherheit des neuen Systems, was bei einem täglichen Output von bis zu 46 Minuten sendefertigem Material sehr leicht nachvollziehbar ist.

MPEC-Chef Markus Wallies erläutert, dass man aus diesem Grund ein vollständig redundantes, bandloses System auf der Basis von Apple-XSan-Servern installiert habe, wobei sogar der Speicher gespiegelt werde.

Hausformat bei Grundy Ufa ist DVCPRO50. Schon beim Einspielen des Materials müssen Metadaten erfasst werden, die über das hinausgehen, was das Schnittsystem Final Cut Pro ohnehin an Metadaten erfasst, also etwa die Szenenbeurteilung in gut/schlecht und weitere Daten. Geschnitten wird das Material dann mit Final-Cut-Pro-Plätzen, die direkt auf den Server zugreifen können.

Die Gründe, aus denen sich Grundy Ufa für Final Cut Pro entschied, sind vielfältig, einer davon ist, dass Grundy Ufa mit einer Apple-Entwickler-Lizenz selbst Anpassungen durchführen konnte und sich das Schnittsystem so besser an die Bedürfnisse von Grundy Ufa anpassen ließ.

Die Nachvertonung findet nach wie vor mit ProTools von Digidesign statt, was letztlich einen Bruch in der apple-basierten Nachbarbeitung darstellt, aber aufgrund der bisherigen Arbeitsweise bei Grundy Ufa vorgegeben war. Eine weitere wichtige Bearbeitungsstation bei Grundy Ufa ist das Color Grading des Materials.

Autor
C. Gebhard, G. Voigt-Müller

Bildrechte
Grundy Ufa (Set- und TV-Fotos), Nonkonform

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