Editorial, Kommentar, Top-Story: 12.10.2010

Im Osten geht die Sonne auf, im Westen geht sie nieder

Derzeit steht China stark in der Kritik anderer Wirtschaftsmächte: Die chinesische Währung, der Yuan, gilt als unterbewertet, was für die chinesische Exportwirtschaft günstig ist, da es chinesische Produkte im Rest der Welt verbilligt, während die Profite in China auf gleichem Niveau bleiben. Der Vorwurf lautet, China befeuere seinen Wirtschaftsaufschwung damit zu großen Teilen auf Kosten anderer Volkswirtschaften.

Den meisten Verbrauchern ist das aber alles gleichgültig: Sie wollen einfach nur billige Produkte haben und greifen auch dann zu, wenn deren Preisgestaltung keinen Zweifel daran lässt, dass sie ohne Rücksicht auf Menschen, Umwelt und Gemeinwesen irgendeiner Art produziert worden sind. Auch wenn die Kunden es absolut nicht nötig hätten, den Billig-Junk zu kaufen, kann sie selbst die oft minderwertige Qualität nicht am vermeintlichen Schnäppchenkauf hindern.

Leider gilt das aber nicht nur beim klassischen Billig-Junk im Kassenbereich der Baumärkte, sondern zunehmend auch in anderen Wirtschaftsbereichen, etwa in der Filmtechnik. Dieser, bei globaler Betrachtungsweise eigentlich recht kleine Markt, mit seinen hoch spezialisierten Anforderungen, wird in weiten Teilen von kleinen und mittelständischen Unternehmen bedient, die Equipment für anspruchsvolle Kunden herstellen. Diesen Unternehmen wird aber die Grundlage letztlich nicht dadurch entzogen, dass ihre Entwicklungen kopiert und in China billig nachgebaut werden, sondern dadurch, dass es Käufer für diese Imitate gibt.

Gerade in einer kleinen Branche, in der die Zusammenhänge noch einigermaßen übersichtlich sind, sollte sich jeder einzelne ganz genau überlegen, ob er mittelfristig das Kaputtgehen einer innovativen und technisch kreativen Branche mit verantworten und in Kauf nehmen will, indem er Imitate kauft — nur weil die kurzfristig ein paar hundert Euro sparen.

Dass aber das Geschäftsmodell der chinesischen Hersteller ganz offenbar aufgeht, das zeigte auch die IBC: Hier konnte man an zahlreichen Ständen die Imitate sehen, die mittlerweile über simple LED-Aufsteckleuchten und Einfachstative weit hinausgehen und bis in die Region eines chinesischen Steadicam-Nachbaus reichen. Nun kommt neben dem ganz billigen, minderwertigen Junk eine zweite Stufe an anspruchsvolleren Produkten aus China in den Markt. Diese »zweite Welle« für den vergleichsweise kleinen Film- und TV-Markt würde es nicht geben, wäre die fernöstliche Konkurrenz nicht durch Verkaufserfolge bei Billigakkus, Lampennachbauten und Imitatstativen angefüttert und stimuliert worden.

Ob es also auch übermorgen noch eine Industrie geben wird, die Ihnen all die spezialisierten Werkzeuge an die Hand geben kann, die Sie sich wünschen, das bestimmen Sie schon heute durch Ihr Kaufverhalten entscheidend mit.

Sie werden sehen.