Branche, Format, Technology, Top-Story, Trend, Workflow: 19.03.2013

Pandora 2013: Grundlagen der Raw-Aufzeichnung

Immer mehr Kameras und Camcorder können mittlerweile Raw-Daten aufzeichnen. Blackmagic liefert ­seine Kamera sogar gleich mit einer Software aus, die es vergleichsweise einfach ermöglichen soll, Raw-Daten nachzubearbeiten. Was ist das besondere an der Raw-Aufzeichnung, worin liegen Unterschiede zur Log-Aufzeichnung?

Vielleicht kann man die Motivation, Raw-Daten aufzuzeichnen, am besten damit erklären, dass heute bei einer wachsenden Zahl von Produktionen der Wunsch besteht, in der Postproduktion mehr Spielraum zu haben, um intensiver mit den Bildern arbeiten, die Bildqualität optimieren und einen »Look« kreieren zu können. Die großen Datenmengen, die bei der Raw-Aufzeichnung entstehen, die zunächst gespeichert und später verarbeitet werden müssen, erfordern aber auch in allen Stufen der Verarbeitungskette leistungsfähiges Equipment mit mehr Processing-Power. Deshalb gibt es auch so etwas wie eine Zwischenstufe, die von Aufwand und Datenmenge zwischen Raw- und »normaler« Videoaufzeichnung liegt: das Speichern von logarithmischen Videosignalen.

Das Grundprinzip der Raw-Aufzeichnung

Alle gängigen Bewegtbildsensoren erzeugen zunächst nur Schwarzweißbilder. Die Farbinformation wird erst durch verschiedene Filterverfahren gewonnen. Eines davon, das überwiegend bei Single-Sensor-Kameras angewendet wird, ist das nach seinem Erfinder benannte Bayering: Dabei wird den einzelnen lichtempfindlichen Bildpunkten auf dem Sensor ein festgelegtes Muster zugeordnet, das Bayer-Pattern. Die Hersteller können dabei relativ frei schalten und walten, wie sie Rot-, Grün- und Blauanteile aus dem auf den Sensor fallenden Licht filtern wollen.

Die Daten, die man mit einem solchen Sensor gewinnt, werden Raw-Daten genannt. Um aus diesen Daten ein korrektes Farbbild darstellen zu können, muss man bei der weiteren Bearbeitung das Muster kennen, das den Bildpunkten zugeordnet wurde und man muss wissen, wie die Daten zu gewichten sind. Das wird beim De-Bayering umgesetzt und ist eine Wissenschaft für sich: Der hierbei verwendete Algorithmus entscheidet über die Bildqualität mit, besonders was die Auflösung, die Schärfe, die Farbwiedergabe und die Kantendarstellung betrifft.

Das De-Bayering kann man direkt in der Kamera durchführen und dann ein aus den Raw-Daten gewonnenes Videosignal aufzeichnen. Alternativ dazu kann man eben die Raw-Daten speichern und das De-Bayering später, also in der Postproduktion durchführen und dort etwa ein RGB-Signal aus den Raw-Daten generieren.

Kamera-Raw-Daten

Single-Sensor-Kameras wie etwa Red Epic oder Arri Alexa — um nur zwei Beispiele zu nennen — können Raw-Daten auf Speicherkarten oder externen Medien speichern. Diese Raw-Daten stellen aber keinesfalls ein standardisiertes Datenformat dar, das man problemlos zwischen verschiedenen Systemen austauschen könnte. Es gibt zwar erste Ansätze dafür, so etwas zu entwickeln und im Markt zu etablieren, aber es gibt noch keinen De-facto-Standard. Vielmehr muss der Anwender sich auf die Zertifizierungen und Empfehlungen der Hersteller verlassen und/oder individuell klären, ob das jeweilige Postproduction-System die jeweiligen Raw-Daten verarbeiten kann.

Weiter kompliziert wird die Situation dadurch, dass es unkomprimierte und komprimierte Raw-Daten gibt. So wendet etwa der Kamerahersteller Red auf seine Raw-Daten ein Kompressionsverfahren namens Redcode an, das auf Wavelet basiert und dessen Umkehrung natürlich dann vom Postproduction-System beherrscht werden muss.

Vorteile der Raw-Aufzeichnung

Was macht den Vorteil der Raw-Aufzeichnung aus? Könnte man nicht auch einfach unkomprimierte RGB­Daten aufzeichnen? Die Datenmengen, die bei der Raw-Aufzeichnung anfallen, sind deutlich geringer als bei der Aufzeichnung von RGB-Daten. Nur so ist es möglich, auch hochaufgelöste Daten in hoher Qualität auf gängigen Speichermedien speichern zu können. Außerdem werden auch Raw-Daten — wie schon erwähnt — für die Aufzeichnung in vielen Fällen noch komprimiert: Red-Kameras, die mit Red Code aufzeichnen, komprimieren Daten mit Kompressions­raten von 3:1 bis zu 18:1, und Sonys F65 arbeitet im Raw-Modus mit 3:1-oder 6:1-Kompression.

Ein weiterer wichtiger Vorteil der Raw-Aufzeichnung besteht darin, dass in der Postproduktion hinsichtlich der Bildoptimierung viele Möglichkeiten offen stehen, die man nicht mehr hat, wenn man ein »fertiges« ­Videosignal aufzeichnet. Einstellungen wie etwa Kontrast, Farb­sätti­gung und -temperatur werden bei Raw-Signalen erst beim De-Bayering und in der Postproduktion vorgenommen – was viele Möglichkeiten eröffnet und Flexibilität bietet, da Raw-Daten meist mit höherer Farbtiefe aufgezeichnet werden.

Ein weiterer Vorteil der Raw-Aufzeichnung besteht darin, dass die Kamera-Elektronik deutlich vereinfacht wird. Das unterstützt die Konstruktion relativ preisgünstiger Kameras eines neuen Typus: kompakte Single-Sensor-Kameras. Die kommen zudem ohne Strahlenteiler aus, was ebenfalls Kosten und Baugröße spart. Zwar ist das Prinzip der Single-Sensor-Kamera nicht zwingend mit der Raw-Aufzeichnung verknüpft, aber beide Technologien werden oft miteinander kombiniert. Mit Single-Sensor-Kameras, die einen großen Sensor haben, der in die Nähe des 35-mm-Bildfensters reicht und mit den passenden Objektiven, kann man einen filmischen Look mit geringer Schärfentiefe erzeugen, wie er in szenischen Produktionen meist erwünscht ist.

Ein derzeit eher theoretischer, aber potenziell wirksamer Vorteil der Raw-Aufzeichnung liegt — wenn man so will — in der »Zukunftssicherheit«. Da die technische Entwicklung ja nicht stehen bleibt, wird es in der Zukunft vielleicht auch bessere Algorithmen für die Verarbeitung von Raw-Daten geben. Damit lässt sich dann eventuell noch ein Quäntchen mehr an Bildqualität aus Raw-Aufnahmen herauskitzeln — auch aus schon bestehenden, älteren Aufnahmen. Wenn man also heute produzierte Originalaufnahmen auch als Raw-Daten archiviert, kann man daraus vielleicht in Zukunft Bilder in besserer Qualität generieren, als das heute möglich ist. Inwiefern das alles realistisch und zu vertretbaren Kosten realisierbar ist, sei dahingestellt, aber die theoretische Möglichkeit gibt es immerhin.
Nachteile der

Raw-Aufzeichnung

Raw-Signale sind keine Videosignale — und somit gibt es ohne De-Bayering auch keine Möglichkeit, Raw-Bilder am Set zu sehen und zu beurteilen. Mittlerweile bieten aber einige Kameras die Möglichkeit, parallel zu den Raw-Daten auch Videosignale aufzuzeichnen: Die Arri Alexa etwa kann via SDI Raw-Daten ausgeben und intern Videosignale aufzeichnen. Bei der Blackmagic Cinema Camera (BMCC, Test) gibt es die Möglichkeit, auch bei interner Raw-Aufzeichnung auf dem eingebauten Monitor, sowie über SDI ein vorkorrigiertes Videobild zu sehen. Alternativ lassen sich Raw-Signale auch mit speziellen On-Set-Systemen beurteilen, die Raw-Daten direkt am Set konvertieren und damit eine Bildbeurteilung ermöglichen.

Ein weiterer Nachteil der Raw-Aufzeichnung: Die Postproduktions­systeme müssen hardware-seitig ordentlich aufgerüstet werden, damit die Bearbeitung der Raw-Daten in akzeptabler Geschwindigkeit — idealerweise in Echtzeit — möglich ist.

Aktuelles Beispiel: Wer etwa Material, das mit der BMCC aufgezeichnet wurde, mit einem normal ausgestatteten, aktuellen Rechner und der Software Resolve nachbearbeiten will, muss schon etwas Geduld mitbringen, denn in Echtzeit geht das nicht. Man benötigt also zusätzliche Hardware, um überhaupt in die Nähe von Echtzeitbearbeitung zu gelangen.

Für viele Produktionsfelder, wie etwa die aktuelle Berichterstattung oder alles was mit einem kurzen Turn­around vonstatten gehen muss, dürfte Raw-Aufzeichnung somit auch auf längere Sicht noch uninteressant bleiben. Man muss allerdings kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass der Anteil von Raw-Produktionen zunehmen wird, denn die Leistungsfähigkeit von Computern nimmt zu – und damit auch die Möglichkeit, Raw-Daten nachzubearbeiten.

Log-Aufzeichnung

Kameras wie Arris Alexa, Canons EOS-C300/500, Sonys F65/F55/F5 und die BMCC bieten auch die Möglichkeit, im Log-Modus aufzuzeichnen. Wichtig: Dabei werden keine Raw-Daten aufgezeichnet, sondern ein Videosignal, das so auf den Sensor der jeweiligen Kamera abgestimmt ist, dass in der Postproduk­tion der maximale Kontrastumfang zur Verfügung steht. Es handelt sich um ein Videosignal, das erst nach Anwendung einer logarithmischen Korrekturkurve wieder ein realistisches Bild ergibt. In der Praxis sehen die in diesem Modus aufgezeichneten Bilder oft flau und entsättigt aus.

Am Set kann man Log-Video­signale aber zur Not auch ohne Korrektur behelfsweise am Monitor betrachten: Sie wirken dann zwar flau und entsättigt, aber immerhin kann man ein Bild sehen.
Die jeweiligen Log-Kurven werden immer auf den jeweiligen Sensor abgestimmt, daher unterscheiden sich die Log-Aufzeichnungen der einzelnen Hersteller und der jeweiligen Kameras. Es gibt also auch hier keine Standardisierung und man muss bei der Nachbearbeitung die passende Korrekturkurve anwenden: Bei Sony gibt es »S-Log«, bei Canon »Canon Log«, bei Arri »LogC«. Nur mit dem passenden LookUpTable (LUT) ist es möglich, diese Log-Videos als Standard-HD-Video (Rec. 709) zu betrachten.

Der Vorteil der Log-Aufzeichnung besteht darin, dass die Datenmengen der normalen Videoaufzeichnung entsprechen, man aber stets den gesamten Kontrastumfang des Sensors ausnutzen kann und dieser dann für Korrektur, Bearbeitung, Look-Gestaltung in der Postproduktion zur Verfügung steht. Raw-Daten bieten in puncto Nachbearbeitungsspielraum aber mehr und somit ist Log-Video ein Mittelweg zwischen »normaler« Videoaufzeichnung und Raw-Aufnahme.

Perspektiven

Raw-Aufzeichnung und Raw-Workflows spielen eine wachsende Rolle und mittlerweile gibt es immer mehr Softwares, Speicherlösungen und Bearbeitungssysteme, mit denen sich Raw-Workflows optimieren lassen.

Dennoch: De facto sind Raw-Workflows nach wie vor vergleichsweise umständlich und aufwändig und sie erfordern es, dass man sich zu Beginn einer Produktion über die gewünschten Arbeitsschritte klar wird und alle Produktionsstufen mit allen technischen Eckdaten genau definiert: Wie und worauf werden die Daten aufgezeichnet, wie werden sie am Set beurteilt, wie und mit welchem System werden sie weiter verarbeitet. Wie schnell kann mit dem geplanten Setup gearbeitet werden? Das sind nur einige Fragen, die man vorab beantworten sollte, wenn man sich absehbaren Ärger sparen will.

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Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller

Bildrechte
carlos castilla/Shutterstock.com (Titelbild), Nonkonform

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