Branche: 16.05.2013

Super Hi-Vision: 8K-Fernsehen

Als das japanische Staatsfernsehen NHK im Jahr 2006 während NAB und IBC erstmals außerhalb Japans ein Videosystem mit 8K-Auflösung (7.680 x 4.320 Pixel) und 22 Audiokanälen zeigte, da erschien dies den meisten Besuchern als vielleicht interessante, aber ziemlich utopische Vision — die zudem noch mit etlichen technischen Problemen kämpfte. Heute, wo man erste 4K-Kameras ganz regulär kaufen kann, braucht man hingegen nicht mehr ganz so viel Fantasie, um sich 8K-Fernsehen vorstellen zu können — zumindest prinzipiell.

7.680 x 4.320 Bildpunkte, das ergibt rund 33 Millionen Pixel. Ziemlich viel Holz für einen Kamerasensor und für ein Display. Dennoch sind das die Eckdaten von Super Hi-Vision. Außerdem setzt sich der Erfinder NHK auch dafür ein, höhere Bildraten umzusetzen und hat deshalb für Super Hi-Vision Bildraten bis zu 120 Hz definiert. Und wenn wir schon dabei sind: Wie wäre es mit einem erweiterten Farbraum? Den bietet Super Hi-Vision ebenfalls.

Und das soll funktionieren? Niemand hat behauptet, Super Hi-Vision stehe unmittelbar vor der Tür, bisher geht man bei NHK davon aus, dass der reguläre Sendebetrieb ab 2020 starten könnte. Und produziert das Ganze nicht unglaublich große Datenmengen? Doch, aber bis 2020 werden sich auch Kompressions- und Speichertechnik weiterentwickeln. Deshalb geht es aus Sicht von NHK nun darum, die Grundlagen zu entwickeln und die Basis zu legen.

Insgesamt ist es sehr beeindruckend, welche Fortschritte NHK in Kooperation mit einigen japanischen Herstellern bisher schon gemacht hat — und der Zeitplan, der für 2016 erste Testsendungen via Satellit vorsieht und für 2020 den Start des regulären Sendebetriebs, er ist gar nicht unrealistisch, wenn man in Betracht zieht, welche enorme Entwicklungsstrecke das Projekt seit dem Beginn der ersten Forschungsarbeiten im Jahr 1995 schon hinter sich gebracht hat.

Aktueller Stand bei Kameras

Im Rahmen der vergangenen NAB zeigte NHK am Stand eine Studiokamera von Hitachi, die eine Bildrate von 120 Hz schafft. In der Kamera kommen drei 8K-Sensoren mit jeweils 33 Millionen Bildpunkten zum Einsatz. Die Sensoren arbeiten mit 12-Bit-A/D-Wandlung. Noch sind — wie man auf den Fotos sehen kann — ganze Bündel von Kabeln nötig, um die anfallenden Daten abzutransportieren, aber die Kameraelektronik für diese hohe Bildrate bei 8K-Auflösung ist nun zumindest im Prototypenstadium vorhanden. Noch braucht diese Kamera auch ziemlich viel Licht, deshalb wird nach Angaben der beteiligten Unternehmen derzeit an der Verbesserung der Lichtempfindlichkeit der Sensoren gearbeitet.

Zusätzlich gab es am Super-Hi-Vision-Stand eine Kamera mit den Abmessungen eines ganz normalen Schulter-Camcorders zu sehen, die als Single-Sensor-Kamera mit einem 33-Megapixel-CMOS-Bildwandler ausgelegt ist. Im Zusammenspiel mit 35-mm-Fotoobjektiven der höchsten Qualitätsstufe soll diese Kamera 8K-Aufnahmen mit einem kleineren Formfaktor ermöglichen. Zwar handelt es sich bei diesem Gerät (noch) nicht um einen Camcorder, sondern um eine reine Kamera ohne interne Aufzeichnungsmöglichkeit, aber an einem andockbaren Recorder werde entwickelt, ließen die Ingenieure am Stand wissen.

Standardisierung

Mittlerweile sind die Eckdaten von Super Hi-Vision in einer ITU-Richtlinie erfasst: Mit der ITU-R BT.2020 hat also auch der Standardisierungsprozess die erste Hürde genommen. Allerdings gibt es hier noch Definitionsunschärfen zwischen dem, was landläufig als QFHD oder Ultra HD bezeichnet wird und dem, was die NHK als Super Hi-Vision benannt hat.

Weitere System-Demos

Im vergangenen Jahr gab es bei den Olympischen Spielen in London Public Viewings von Super Hi-Vision. An drei öffentlich zugänglichen Plätzen wurden Bildschirme mit einer Höhe von rund 15 m und voller Auflösung von 7.680 x 4.320 Bildpunkten aufgebaut.

22.2 Tonsystem

Zusätzlich zum Bild mit 7.680 x 4.320 Bildpunkten und einer Bildrate von 120 Hz beinhaltet Super Hi-Vision nach Definition der NHK in der vollen Ausbaustufe auch ein umfassendes Tonsystem mit neun Lautsprechern an der Decke, zehn auf Ohrenhöhe, drei unterhalb des Displays und zwei Tiefbass-Effektkanälen.

Kritische Betrachtung

Mit Super Hi-Vision wollen die Erfinder in Richtung des »Fenster in der Wand«-Bildeindrucks gelangen: Die Bildqualität soll so gut sein, dass man beim Betrachten des Displays den Eindruck gewinnt, man sehe aus dem Fenster. Außerdem soll möglichst das gesamte Blickfeld des Zuschauers vom Display ausgefüllt sein, weil der Zuschauer dann voll in das Bildgeschehen eintauchen kann — ähnlich wie im Imax-Kino. Dazu muss man entweder mit ganz geringem Abstand vor dem Display sitzen, oder man braucht eben entsprechend große Displays. Bei der für Super Hi-Vision festgelegten Auflösung von 7.680 x 4.320 Bildpunkten und dem Seitenverhältnis von 16:9 empfehlen die Erfinder des Systems einen Betrachtungsabstand vom 0,75fachen der Bildhöhe. Was heißt das in der Praxis?

Derzeit werden schon 80- und 90-Zoll-Bildschirme für Consumer angeboten. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis hier die 100-Zoll-Grenze erreicht ist  — und es dauert ja auch noch ein paar Jahre, bis man Super Hi-Vision empfangen kann. 100 Zoll Bildiagonale entsprechen rund 2,5 m. Dafür ergibt sich bei den genannten Eckdaten ein empfohlener Betrachtungsabstand von 90 cm. Sitzt man weiter weg, dann hat man im Grunde nichts mehr von der höheren Auflösung. Will man aber weiter weg sitzen, und dennoch in den Genuss der höheren Auflösung kommen, braucht man ein noch größeres Display.

Wer etwa in einem 2 m langen Bett liegend Super Hi-Vision genießen will, der muss am Fußende des Betts ein Display mit einer Bilddiagonale von mehr als 5 m aufstellen — oder einen Projektor einsetzen, der eine Leinwand dieser Größe füllt, wenn er der Empfehlung der Erfinder folgen will.

Hinzu kommt noch die Frage, wie man in einem Wohn- oder Schlafzimmer die 22 Lautsprecher und die beiden Tiefbass-Systeme platziert.

Natürlich könnte man Super Hi-Vision sicher auch dann nutzen, wenn man sich nicht an die Empfehlung der Erfinder für den Betrachtungsabstand hält und es wird zweifellos auch Lösungen geben, die mit weniger Lautsprechern auskommen. Dennoch ist die Frage sicher berechtigt, ob die Zielrichtung von Super Hi-Vision als System für den Heimfernsehbereich richtig gewählt ist. Letztlich werden das die Endkunden entscheiden und als Technologieträger ist Super Hi-Vision ganz sicher interessant — und vielleicht wird es ja andere Einsatzgebiete finden, in denen es gut aufgehoben sein wird.

Offenbar verschließen sich auch die Erfinder solchen Überlegungen nicht ganz. So gab es während der NAB2013 am Super-Hi-Vision-Stand eine kleine Broschüre mit Ideen für »Lifestyles of the Future«, die illustrieren, wie das System in der Praxis genutzt werden könnte. Darunter findet sich auch die Idee, im Wohnzimmer einen Riesenschirm an der Wand zu haben, der bei Sportübertragungen eine Stadiontotale zeigt, während man gleichzeitig ein Tablet in der Hand hält, das einen vergrößerten Bildausschnitt mit Spieldetails zeigt. Eine andere Idee besteht darin, quasi eine ganze Zimmerwand je nach Stimmung mit Beauty-Shots zu füllen — sozusagen als Bewegtbild-Fototapete — und in dieses Bild dann bei Bedarf andere Programme und Infografiken einblenden zu können.

Auch als Public-Viewing-System, das etwa bei der Live-Übertragung von Konzerten oder Sportereignissen eine ganz neue Dimension der Bildqualität eröffnet, wird Super Hi-Vision hier präsentiert. Dass es zudem auch in Designabteilungen von Unternehmen, in Museen und bei der Produktpräsentation stets einen Bedarf nach höherer Auflösung gibt, sei unbenommen: Aber hier einen Massenmarkt zu sehen, erfordert schon einigen Optimismus.

Vielleicht steht man mit der Sichtweise, dass es für Fernsehen (im klassischen Sinn) mit 8K-Auflösung keinen richtigen Bedarf gibt, sondern Entwicklungen in andere Richtungen sinnvoller wären, in ein paar Jahren blöd da — aber vielleicht auch nicht.

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