Branche, Preis: 20.06.2016

Deutscher Kamerapreis 2016

Acht Kameramänner und -frauen sowie drei Editorinnen und Editoren wurden am Samstag in Köln mit dem renommierten Deutschen Kamerapreis 2016 ausgezeichnet.

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Die Preisträger des Deutschen Kamerapreises 2016

Mit ihren Leistungen in der Bildgestaltung konnten die Preisträger die Jury unter Vorsitz von Filmemacher Edgar Reitz überzeugen und sich gegen mehr als 400 Konkurrenten durchsetzen. Christoph Augenstein, Geschäftsführer des Deutschen Kamerapreises Köln e. V., resümiert: »Viele der hochkarätigen Produktionen, die zum Wettbewerb eingereicht wurden, tragen eine individuelle Handschrift, suchen nach ungewöhnlichen Perspektiven, gehen neue gestalterische Wege, um die Ideen der Autoren und Regisseure visuell mit Leben zu füllen. Ganz besonders gefreut hat uns in diesem Jahr aber, dass sich deutlich mehr junge Kreative mit ihren Produktionen auf hohem Niveau um unsere beiden Nachwuchspreise beworben haben.«

Ehrenpreis für Pio Corradi

Mit dem Ehrenpreis wurde in diesem Jahr der Schweizer Pio Corradi ausgezeichnet, der unermüdlich und mit Empathie »in jedem Kulturkreis außergewöhnlich nahe, bildgewaltige und ausdrucksstarke Filme« schaffe, so das Kuratorium Deutscher Kamerapreis in der Begründung. Mehr als hundert Werke umfasst die Filmografie des 76-Jährigen, darunter das Erfolgsdrama »Höhenfeuer« (1985) von Fredi M. Murer und »Giovanni Segantini – Magie des Lichts« (2015) von Christian Labhart.

Beste Kamera | Kinospielfilm

Mit »Wild« (WDR/ARTE) konnte Reinhold Vorschneider die Jury von der Qualität seiner Kameraarbeit überzeugen. »Dank seiner souverän strukturierenden Kameraarbeit ist „Wild“ ein im besten Sinne radikaler und verstörender Film«, so die Jury. In dem Film begegnet die einsame Ania einem Wolf. Zunehmend entdeckt sie das Tier in sich selbst und beginnt, aus ihrem bisherigen Leben auszubrechen.

Beste Kamera | Fernsehfilm

Im »Tatort – Schutzlos« (SRF), für dessen Bildgestaltung Felix Novo de Oliveira ausgezeichnet wird, gibt die Ermordung eines nigerianischen Jugendlichen den Luzerner Kommissaren Flückinger und Ritschard Rätsel auf. Die Jury dazu: »Felix Novo de Oliveras Farbkonzept mit den fast wie handkolorierten Bildern fasziniert und befremdet zugleich. Es rückt das Drogen- und Flüchtlingsmilieu […] in eine eher ästhetisierte Ferne, die aber gerade dadurch erst eine selbstgewählte emotionale Nähe möglich macht.«

Beste Kamera | Dokumentarfilm/Dokumentation

Für »Hello I am David!« begleitete Kamerafrau Ute Freund den australischen Pianisten David Helfgott, der unter einer schizoaffektiven Störung leidet. Die souveräne, ausschnittsichere und ruhige Kamera von Ute Freund unterstreiche das lebhafte Naturell des Ausnahmekünstlers, so die Jury. »Empathisch und souverän kadriert« fange sie Helfgotts besondere Art ein. Im Kino war Helfgott schon einmal Thema: »Shine — der Weg ins Licht « ist ein oscar-prämierter Spielfilm des australischen Filmregisseurs Scott Hicks über den Ausnahmepianisten Helfgott.

Beste Kamera | Krisenberichterstattung

Dass manche Krisengebiete direkt vor unserer Haustür liegen, zeigt die »Menschen hautnah«-Reportage »Lesbos – Helfer der Gestrandeten« (WDR), die René Begas ins Bild setzte. Er begleitete ein deutsch-iranisches Ärztepaar, das Flüchtlinge versorgt. Die Jury zu seiner Arbeit: »Die Kameraführung passt sich an die Geschehnisse an, verweilt in Schlüsselszenen und trägt dadurch zu einem wahrhaftigen Bildeindruck bei.«

Beste Kamera | Kurzfilm

»Zwei Jungs am Strand, Sand, Meer, gleißendes Sonnenlicht: die Leichtigkeit des Lebens, eingefangen in pulsierenden, sonnendurchfluteten Bildern.« So beschreibt die Jury »I Remember« (BR/Arte/Co.) von Markus Förderer. Die Leichtigkeit der beiden Freunde im Film durchbricht Elena, die für Gefühlsverwirrungen und ungeahnt dramatische Entwicklungen sorgt. »Eine unglaublich empathische Arbeit, die jedes Bild zum idealen Ausdruck der Geschichte macht«, so das Urteil der Jury.

Beste Kamera | Journalistische Kurzformate

Bis heute leiden die Menschen in Vietnam unter den Folgen des dioxinhaltigen Entlaubungsmittels Agent Orange. In der »Reportage im Ersten: Vietnam – Long Thanh will lachen« (NDR) begleitet Wolfgang Schick den schwerbehinderten 15-jährigen Long Thanh mit seiner Kamera. Der Kameramann nähere sich seinen verletzlichen Protagonisten behutsam, ruhig und respektvoll an, befand die Jury. So schaffe er es, »das Schicksal der Familie schmerzlich klar darzustellen, ohne sie mit seinen Bildern zu entblößen.«

Bester Schnitt | Langformat

Hat Hanns von Meuffels vor 16 Jahren einen Unschuldigen hinter Gitter gebracht? Diese Frage beschäftigt den Kommissar im »Polizeiruf 110: Und vergib uns unsere Schuld«, für den Claus Wehlisch den Filmschnitt übernahm. Im Urteil der Jury heißt es: Der Schnitt »besticht durch sein ungewöhnliches Erzählen von Zeit.« Der Editor verstehe es, »durch seine […] unkonventionelle Montage die Geschichte […] bis zum Schluss packend zu erzählen.«

Bester Schnitt | Kurzformat

Für die Montage von »Memoire« wird Editor Michał Kuleba ausgezeichnet. In dem Film will David aus seinem Leben als Kleinkrimineller aussteigen. Doch so leicht lässt sich die Vergangenheit nicht abschütteln. Kulebas Schnitt nehme die Zuschauer emotional mit, urteilte die Jury. Er »lässt Raum […] für die Entwicklung der Geschichte und vermag dabei, die Spannung zu halten«, so die Begründung.

Starker Nachwuchs

Nicht nur zahlenmäßig waren die jungen Bewerberinnen und Bewerber zum 26. Deutschen Kamerapreis gut aufgestellt, mit oft kleinen Budgets sind in diesem Jahr große Filme entstanden. Die von der Film- und Medienstiftung NRW und Panasonic gestifteten und mit jeweils 5.000 Euro dotierten Förderpreise erhielten Kamerafrau Jessica Dürwald für »Eat My Dream« und Editorin Fiona Brands für »Die Ballade von Ella Plummhoff«.