Kamera, Test, Top-Story: 10.02.2003

Camcorder-Test DVX100: Eine Klasse für sich

Panasonic definiert mit dem AG-DVX100 eine eigene Camcorder-Klasse und präsentiert einen kompakten Profi-Camcorder mit 25P-Funktion – und das Ganze unter 5.000 Euro Netto-Listenpreis.

Ja, das Feature, das schon seit der ersten Vorstellung des AG-DVX100 bei diesem Camcorder im Vordergrund steht, ist 25P (im NTSC-Markt 24P). Tatsächlich musste man bisher rund zehn Mal so viel Geld ausgeben, wenn man einen 25P-Camcorder kaufen wollte. Aber den DVX100 hierauf zu reduzieren, wäre völlig falsch. Selbst wer gar nicht vor hat, in 25P zu drehen, bekommt bei diesem Camcorder so viel Leistung und Funktionen, dass sich ein Blick auf jeden Fall lohnt: Mehr Camcorder fürs Geld gab‘s bisher nur selten.

Der erste Eindruck: Ein kompakter Camcorder speziell für Profis und nicht einfach nur ein abgewandeltes Consumer-Modell. Bis auf einige wenige Details macht der Camcorder sofort einen soliden, robusten, wertigen Eindruck. Auffällig sind der große Sucher und das Leica-Objektiv. Letzteres wird durch eine große Sonnenblende besonders betont. Das Stereomikrofon sitzt da, wo es hingehört, in der Mitte oberhalb des Objektivs. Natürlich gibt es einen Ausklappschirm. Das Gewicht in aufnahmebereitem Zustand liegt je nach verwendetem Akku zwischen 1,8 und 2 kg.

XLR-Audiobuchsen werden gern als Eintrittskarte in den Profi-Bereich verstanden. Der AG-DVX100 hat solche Buchsen und er hat sie an einer Stelle, wo die weglaufenden Kabel immerhin deutlich weniger stören, als bei anderen Semiprofi-Camcordern: vorne rechts vor der Halteschlaufe.

Im Tragebügel des Camcorders findet sich neben dem zweiten Start/Stopp-Knopf eine zusätzliche Zoomwippe. Damit lässt sich der Camcorder auch in ungewöhnlichen Positionen bewegen, halten und bedienen. Damit die Bilder dabei nicht völlig verwackelt aussehen, auch wenn es beim Dreh mal etwas wilder zu geht, haben die Ingenieure einen zuschaltbaren, optischen Bildstabilisator eingebaut.

Zwei separate Audioregler haben die Konstrukteure dort platziert, wo bei den meisten Filmern der linke Daumen anliegt, wenn sie mit einem Kompakt-Camcorder drehen.
Von Profi-Schultercamcordern ist die Position etlicher Bedienelemente übernommen: Der Knopf für den manuellen Weiß- und Schwarzabgleich sitzt an der Frontseite, mehrstufige Schalter für Verstärkung und Weißabgleich-Vorwahl sitzen vorne an der linken Geräteseite.

Das Dicomar-Objektiv von Leica ist als 10fach-Zoom mit einer Brennweite von 4,5 bis 45 mm ausgelegt. Damit erreicht der Camcorder eine ordentliche Weitwinkelwirkung, Panasonic gibt als 35-mm-Foto-Äquivalent 32,5 bis 325 mm Brennweite an. Die Lichtstärke des Objektivs ist mit F 1.6 über den gesamten Zoombereich ebenfalls recht ordentlich. Das fest montierte Objektiv bietet, im Semiprofi-Bereich mittlerweile ganz ungewöhnlich, eine mechanische Verkopplung zwischen dem großen Zoomring und dem Linsensystem. Nicht fest verkoppelt ist dagegen der ebenfalls üppig dimensionierte Schärfering.

Drei CCDs sind beim DVX100 am Ende des Objektivs auf ein Prisma geklebt, jeder davon misst 1/3 Zoll in der Diagonale und nutzt effektiv 440.000 Pixel.

Synchro Scan heißt bei Panasonic die Möglichkeit, Monitore flimmer- und störstreifenfrei aufzunehmen. Dieses wichtige Feature haben die Panasonic-Ingenieure integriert, zwischen 50.2 und 248 Hz lässt sich der Camcorder in Schritten zwischen 0,1 und 3,9 Hz anpassen.

Bilder und Töne akzeptiert der DVX100 keineswegs nur via Objektiv und Mikro. Die XLR-Buchsen sind fest als Eingänge verschaltet, die anderen Anschlüsse lassen sich wahlweise als Ein- oder Ausgänge betreiben: DV, Cinch-Audio, Cinch-Video für FBAS und Hosiden für Y/C sind vorhanden. Damit können auch analoge Video- und Audiosignale mit dem AG-DVX100 aufgenommen werden.

PRAXISBETRIEB
Ob ein Farb- oder S/W-Sucher besser ist, darüber lässt sich diskutieren. Dass der Farbsucher des AG-DVX100 aber einfach zu wenig Auflösung bietet, um damit sicher manuell scharf zu stellen, darüber muss man dagegen nicht ernsthaft diskutieren. Der Ausklappschirm bietet immerhin 20.000 Pixel mehr, das reicht aber auch nicht in allen Fällen aus.

Also bleibt, sich auf den Autofokus zu verlassen. Der ist aber im 25P-Modus generell abgeschaltet. Also heißt es stets: Ranzoomen, scharfstellen und dann wieder auf die gewünschte Bildgröße zurückgehen. Zum Glück funktioniert das mit dem Dicomar-Objektiv des DVX100 und die Schärfe stimmt dann auch, was ja bei etlichen Consumer-Objektiven leider nicht mehr gegeben ist. Dennoch: beim Dreh bleibt immer eine gewisse Restunsicherheit, ob die Schärfe denn nun wirklich stimmt.

Der optische Bildstabilisator gehört aus Sicht der Tester zu den Besten seiner Art. Mehr muss man dazu eigentlich gar nicht sagen.
Die Audioregler sind ergonomisch geschickt und für ein Gerät dieser Bauart fast optimal platziert. Aber die Rädchen drehen sich etwas zu leicht, man kann sie ohne weiteres unabsichtlich verstellen. Die Audiobuchsen sind recht gut platziert, weglaufende Kabel stören an dieser Stelle des Geräts, vor der Handschlaufe, vielleicht am wenigsten.

Den kompletten Zoombereich hat das Objektiv schon durchlaufen, wenn der Zoomring um nur 90 Grad gedreht wird. Das bedeutet, dass ruckfreie manuelle Zoomfahrten sehr schwer zu realisieren sind. Der Rückgriff auf die Zoomwippe für automatisierte Zoomfahrten führt zu Ergebnissen, die ebenfalls nicht ganz ohne Makel sind: Der Zoom startet nicht sanft genug, sondern stürmt gleich zügig los, so wirkt der Beginn jeder Zoomfahrt etwas ruckhaft.

Für Filmer, die bevorzugt im Automatikmodus drehen, bietet der DVX100 etliche schöne Funktionen. So lässt sich festlegen, was genau passieren soll, wenn man auf den Automatik-Knopf drückt: Es kann, muss damit jedoch keineswegs alles auf Vollautomatik gestellt werden. Einzelne Funktionen lassen sich ausnehmen oder hinzu fügen. So können permanenter Weißabgleich (ATW), automatische Verstärkung (AGC), Autofokus und Auto-Iris auf Wunsch zum Vollautomatikbetrieb gehören – oder eben nicht.

Zwei Tasten am Gerät sind konfigurierbar. Per Einstellmenü lässt sich eine von neun Funktionen auswählen und auf diese Taste legen. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht vom Farbbalken über die Gegenlichtfunktion bis zur 18-dB-Verstärkung.

Beim Weißabgleich lehnt sich der DVX100 an Profi-Schulter-Camcorder an. Die Taste »AWB« an der Gerätefront aktiviert den Weiß- und Schwarzabgleich. Die dabei festgestellten Werte speichert der Camcorder auf einem von zwei Speicherplätzen. Sie können mit dem dreistufigen Schalter »White Bal« an der rechten Geräteseite aufgerufen werden (A, B und der Preset-Festwert).

Der DVX100 bietet sehr weit reichende Möglichkeiten zur Bildkontrolle und -beeinflussung. Neben den komplett manuellen Bedienmöglichkeiten lassen sich auch die Regelbereiche von Automatikfunktionen limitieren. Zudem bestehen detaillierte Eingreifmöglichkeiten in der Signalverarbeitung: Farbmatrix, Gamma, Kantenanhebung, Schwarzwert und vieles mehr lassen sich gezielt einstellen. Teilweise können Einzelwerte verändert werden, teilweise stehen im Menü mehrere Konfigurationen zur Wahl. So kann etwa eine Cine-Gamma- und eine Cine-Matrix-Einstellung abgerufen werden. Fast ebenso wichtig und sinnvoll wie die Einstellmöglichkeiten selbst: Es ist möglich, die Setups als »Scene Files« zu speichern und ganz simpel ab zu rufen.

Dass der DVX100 zwei einstellbare Helligkeitsbereiche (Videopegel) im Bild mit unterschiedlichen Zebramustern kennzeichnen kann, ist bei so viel anderer Funktionalität fast schon selbstverständlich.

Für 16:9 bietet der DVX100 keine besonderen Funktionen. Beim Umschalten auf Widescreen wird das Bild lediglich mit zwei schwarze Balken abgekascht und somit auf dem simpelsten Weg ins Letterbox-Format gebracht. Dabei wird Auflösung verschenkt. Wer mit dem DVX100 in 16:9 produzieren will, sollte deshalb einen Anamorphoten vor die Linse schrauben.

BILD UND TON
Wie sehen die Bilder aus, die man mit dem DVX100 aufnimmt? Kurz gesagt: Besser als die Tester es bei dieser Baugröße und in dieser Preisklasse je gesehen haben. AG-DVX100-Bilder sind schärfer, plastischer und natürlicher, mit einem deutlich besseren Kontrastverhalten, als die von anderen, vergleichbaren 3-CCD-Camcordern. Das gilt schon im normalen Halbbildbetrieb, im 25P-Modus steigt zudem noch die vertikale Auflösung (siehe auch Kasten zu 25P).

Auch beim Ton macht der DVX100 eine recht gute Figur. Selbst das eingebaute Stereo-Mikro produziert schon einen durchaus brauchbaren Ton, was keineswegs selbstverständlich ist, wenn man an andere Camcorder denkt. Höhen und Tiefen werden recht ausgewogen reproduziert. Dass der Zoomantrieb in leisen Passagen deutlich zu hören ist, liegt nicht etwa an mangelnder Entkopplung, sondern daran, dass dieser genau wie der Autofokus nicht zu den Leisesten seiner Art gehört. Über die XLR-Buchsen und ein abgesetztes Mikro lässt sich dieses Problem lösen. Um auch ein Mikro mit stärkerer Richtwirkung direkt am Camcorder montieren zu können, legt Panasonic einen Halter bei.

In puncto Lichtstärke positioniert sich der DVX100 im vorderen Teil des Feldes, schlägt etwa den MX300 des gleichen Herstellers um Klassen, bietet gleichzeitig mit einer Maximalverstärkung von +18 dB auch die größeren Reserven. Das alles gilt aber nur für den regulären Betrieb. Im 25P-Modus sinkt die Lichtempfindlichkeit allerdings massiv ab – was besonders bei Motiven in Innenräumen deutlich sichtbar ist. Der Grund hierfür ist im Kasten zu 25P erläutert.

25P-BESONDERHEITEN
Generell ist es beim DVX100 so, dass die 25P-Umschaltung lediglich den Kamerateil betrifft. Dort werden die Bildfolgen also entweder ganz traditionell als 50 Halbbilder interlaced oder eben als 25 Vollbilder progressiv erzeugt. Der Recorder und die gesamte Video-I/O des DVX100 arbeiten dagegen immer mit den in PAL üblichen 50 Halbbildern. Der Camcorder generiert also immer PAL-DV-kompatible Bänder und Signale. Die Entstehungsgeschichte der Bilder wirkt sich aber auf die Bildwirkung aus.

Mit der Umschaltung auf 25P sind beim DVX100 verschiedene Aspekte verbunden. So sinkt die Lichtempfindlichkeit stark ab. Bei Innenaufnahmen kommt man kaum ohne Zusatzlicht aus. Allein dadurch wird schon klar, dass 25P im DVX100 für aufwändigeres Produzieren gedacht ist, nicht für Schnappschuss-Aufnahmen. Szenische Produktionen und professionelle Dokumentationen stehen im Zentrum.
Was man für den höheren Aufwand bekommt, kann sich aber durchaus sehen lassen. Näher als mit 25P kann man in der Preisklasse des DVX100 nicht an »Filmlook« heran kommen. Die vertikale Auflösung wird noch einmal deutlich sichtbar verbessert, wenn man den DVX100 von 50i auf 25P umschaltet. Die Bilder sehen auch in Bezug auf Kantenaufsteilungsartefakte wesentlich besser aus. Die längere Belichtungszeit und die niedrigere Bildrate bei 25P sorgen für mehr Bewegungsunschärfe und eine film- und kinoähnlichere Bewegungswiedergabe, sprich: sie empfinden den so genannten »Filmlook« nach.

Vier Funktionen sind beim DVX100 automatisch abgeschaltet, so bald man in den 25P-Modus wechselt: Autofokus, Gain, ATW, Farbbalken.

FAZIT
Der AG-DVX100 ist ein beeindruckender Camcorder. Er bietet enorm viel fürs Geld und ist wirklich eine Klasse für sich. Er hat zwar durchaus seine Schwächen, aber die in dieser Preisklasse ausgesprochen gute Qualität der Aufnahmen entschädigt voll und ganz hierfür. Wer den DVX100 wirklich ausnutzen will, muss sich jedoch intensiv mit dem Gerät befassen. Das gilt in besonderem Maß auch für das während der Aufnahme letztlich aufwändigere Produzieren in 25P.

Downloads zum Artikel:

T_0203_DVX100_L.pdf

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