Postproduction, Test, Top-Story: 06.12.2007

Vegas für Fortgeschrittene

Sony stellt Version Pro 8 der NLE-Software Vegas vor – und will mit dieser Version Profi-Anwender ansprechen.

Wer Consumer-Softwares anbietet, tut sich meist schwer, später eine Profiversion unter gleichem Namen zu etablieren. Das sieht man an Premiere von Adobe ebenso, wie an Vegas von Sony. Mit aufgemotzten Varianten bestehender Softwares Profis anzusprechen, ist eben ein schwieriges Unterfangen. Die NLE-Software Vegas von Sony überzeugte in der Profiversion bislang am ehesten durch die umfassende Audio-Funktionalität. Mit der neuen Version Vegas Pro 8 versucht Sony, auch im Bildbereich verstärkt die Bedürfnisse der Profis zu bedienen.

Was ist neu bei Vegas Pro 8?

Öffnet man das Programm so fällt als erstes auf, dass in Vegas nun die Timeline unten und die Viewer sowie Material- und Effektauswahlfenster oben angeordnet sind – so wie sich das bei den meisten anderen Editing-Programmen schon lange verhält. Diese Anordnung der einzelnen Bedienmodule konnte sich der Nutzer zwar auch schon in der vorangegangenen Version einrichten, aber nun sieht die Oberfläche schon in der Grundeinstellung so aus. Eines der wichtigsten neuen Features ist der ProType Titler, der zu dem schon vorhandenen Standard-Titler hinzugekommen ist. Mit ihm lassen sich jeweils für Absatz, Wort und sogar einzelne Zeichen verschiedenste Parameter wie Position, Schatten, Glow, Unschärfe und Füllung festlegen und animieren.

Keyframes für die Titelanimation lassen sich auf verschiedene Weise erstellen: Entweder schiebt man den Text einfach an die gewünschte Stelle im Bild, oder man gibt die entsprechenden Zahlenwerte ein. So festgelegte Keyframes können einfach auf der Zeitachse verschoben werden, um so die Effektdauer zu verändern. Schnell und ohne großen Aufwand lassen sich Titel animieren, wenn man auf die Sammlung mit vorgefertigten Animationen zurückgreift, deren Parameter sich dann an die eigenen Bedürfnissen anpassen lassen.

Auch wenn der neue Titler vieles zu bieten hat, fehlen dennoch einige wichtige Funktionen: Neben einrichtbaren Hilfslinien wäre eine einfache Ausrichtungs- sowie eine Gruppierungsfunktion für die einzelnen Elemente sehr wünschenswert. Sinnvoll wären zudem Copy und Paste für die einzelnen Textblocks, sowie die Möglichkeit, grafische Elemente innerhalb des Titlers erstellen und mit einbinden zu können.

Die Animation kann im Titler selbst abgespielt werden. Leider ist jedoch das Bild der darunter liegenden Videospur nicht zu sehen und auch der Cursor in der Timeline bewegt sich nicht mit — anders als etwa bei Videoeffekten. Die erstellte Animation kann zwar sofort auf der Timeline angesehen werden, um die Position und Eigenschaften des Textes dort zu überprüfen — aber auch der Cursor im Titelgenerator bleibt stehen, so dass keine Rückschlüsse auf die Keyframes gezogen werden können, um diese bei Bedarf verändern zu können. Für die nächste Version wäre eine Angleichung und Verbesserung der Funktionalität hier sehr wünschenswert.

Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, Streams von bis zu 32 Kameras miteinander zu synchronisieren und dann beim Betrachten eine Auswahl zu treffen und per Mausklick zu schneiden. Da über die Zeit synchronisiert werden kann, funktioniert das System auch über Lücken hinweg, also wenn die einzelnen Kameras nicht duchgehend gedreht haben. Einmal getroffene Schnittentscheidungen können jederzeit wieder korrigiert werden, da das Material aller Kameras im Hintergrund erhalten bleibt. Die verwendeten Clips sollten allerdings nicht beim Timecode 00:00:00:00 beginnen, da sonst eine Offset-Fehlermeldung erscheint.

Auf den ersten Blick und für SD-Produktionen vielleicht nicht so wichtig, ist die einstellbare 32-Bit-Fließkomma-Videoverarbeitung. Für eine HD-Produktion stellt sie aber eine große Verbesserung dar. Beim Test mit HD-Grafiken ließ sich das Banding bei animierten Verläufen damit deutlich reduzieren. Allerdings dauert das Rendering dann auch etwa doppelt so lange wie bei 8-Bit-Verarbeitung.

Erweitert wurde in der neuen Version auch der Umgang mit XDCAM-Material. Vegas kann nun auch im sogenannten erweiterten FAM-Mode arbeiten, der es erlaubt, nicht nur ganze XDCAM-Files sondern auch Teile davon zu importieren. Damit wird es möglich, etwa aus einem am Stück gedrehten, 60-minütigen Interview nur die zentrale Passage zu importieren, ohne mehrere Gigabyte an Daten in den Rechner schaufeln zu müssen. Außerdem werden nun die Frames von XDCAM- und HDV-Clips, die nicht verändert wurden, nicht neu gerendert — der Export solcher Projekte ist somit deutlich schneller geworden. Last but not least wird Vegas Pro 8 das in einem MPEG-4-Wrapper verpackte Material des Sony-Speicherchip-Camcorders EX1 (Vortest hier) verarbeiten können — sowohl mit der Datenrate von 25, wie auch 35 Mbps. Die native Verarbeitung wird allerdings erst mit dem nächsten kostenlosen Update 8b zur Verfügung stehen. Bislang müssen die MP4-Dateien mithilfe der Clip-Explorer-Software, die der Kamera beiliegt, in MXF-Dateien gepackt werden. Eine Neukompression findet dabei allerdings nicht statt.

Im Workflow-Bereich gibt es nun ein erweitertes Scripting-Tool, mit dem sich arbeitsintensive Bearbeitungsschritte automatisieren lassen. Eine andere, wünschenswerte Funktion fehlt jedoch auch bei dieser Version: In/Out-Punkte, die in der Timeline gesetzt wurden, werden beim Senden in den Trimmer leider nicht übernommen. Das würde die weitere Bearbeitung aber deutlich erleichtern.

Was wäre eine neue Vegas-Version ohne Verbesserungen im Audio-Bereich? Diesmal hat Sony den Audiomischer aufgebohrt. Er sieht nun aus wie ein richtiger Hardware-Mixer mit Fadern für jeden Kanal, mit Möglichkeiten, die Signale zu routen und Effekte sowohl für Kanäle, Busse und Master einzuschleifen. Das Aussehen des Mixers kann an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst werden. Die Automatisierung von Lautstärke, Balance und Effekten für die einzelnen Kanäle lässt sich nun auch von hier aus steuern, somit sind Stereo- oder 5.1-Mischungen noch einfacher möglich.

Für diejenigen, die das Programm erst kennen lernen wollen, hat Sony ein interaktives Tutorial ins Programm integriert, das den Nutzer Schritt für Schritt durch mehr als 30 Prozeduren führt. Einige davon, wie beispielsweise das Hinzufügen von Clips in die Timeline, sind so grundlegend, dass man sich fragt, ob hier nicht vielleicht doch komplett unwissenden Amateuren das Programm näher gebracht werden soll. Andere helfen, seltener genutzten Funktionen anzuwenden. Leider besteht das Tutorial auf genauer Einhaltung der Schritte, so dass ein Überspringen von eventuell schon Bekanntem nicht möglich ist.

Mit »Digital Signage Support« hat Sony eine Funktion integriert, die sich an Kunden richtet, die Inhalte für Werbe-Terminals erstellen. Dank der Funktion lässt sich das Bild bei der Ausgabe um 90 oder 180° Grad drehen, um hochkant gedrehtes Material verarbeiten und als Eye-Catcher für aufrecht gestellte Monitore ausgeben zu können.

Die vielfältigen Ausgabeoptionen von Vegas hat Sony ebenfalls erweitert: jetzt ist es möglich, Blu-ray Discs direkt von der Timeline aus zu brennen. Teil des Vegas-Software-Pakets ist außerdem nach wie vor der DVD-Architect, ein leistungsstarkes DVD-Authoring-Programm, das allerdings wenig neue Funktionen bietet.

Nicht neu, aber leider noch nicht gelöst, ist das Problem der Umbenennung von Clips im Projekt. Dabei werden die Clips nämlich auch auf Dateiebene umbenannt, und das führt dazu, dass andere Vegas-Projekte oder auch andere Programme die Datei nicht mehr finden können.

Die gedruckte Bedienungsanleitung beinhaltet auf 60 Seiten nur das Notwendigste, wer genauere Infos benötigt, findet diese in der auf der DVD mitgelieferten PDF-Datei. Dabei gilt es zu beachten, dass die deutsche Version nur magere 82 Seiten hat und der Kurzanleitung entspricht, während die englische Fassung mit stattlichen 430 Seiten relativ ausführlich ist. Es könnte sich also lohnen, beide Versionen von der DVD auf den Rechner zu kopieren. Wer im PDF-Dokument eine Beschreibung des neuen Pro Type Titlers sucht, findet — zumindest in der englischen Version — einen Hinweis auf die Hilfe-Datei, in der deutschen gar nichts. Einen Abschnitt, der sich nur mit den Neuerungen des Programms befasst, ist weder in der deutschen noch in der englischen Fassung zu finden. Diese Info gibt’s allerdings auch in der Hilfe-Datei.

Fazit

Sony hat das Programm im Bereich Videobearbeitung und insbesondere beim Titler weiter verbessert, auch wenn es beim Titler immer noch Optimierungsmöglichkeiten gibt. Außerdem hat Sony auch bessere Voraussetzungen für das Arbeiten mit XDCAM– und HDV-Material geschaffen, und wenn die Bearbeitung von XDCAM EX-Material so einfach geht wie angekündigt, könnte Vegas Pro 8 für Nutzer des neuen Sony-Festspeicher-Camcorders sehr interessant sein. Allerdings ist der Workflow des Programms noch verbesserungsfähig. Die absoluten Stärken des Programms liegen nach wie vor im Audiobereich, der durch den neuen Mixer erneut aufgewertet wurde. Im Preissegment von Vegas — die deutsche Vollversion wird 650 Euro kosten (Netto-Listenpreis) — gibt es zumindest auf PC-Basis nichts, was mithalten könnte.